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Geistergeschichten am See. Predigt zu Matthäus 14,22-33 (von Charlotte Scheller)
Es ist nur ein kleines Meer, das Galiläische. Der See Genezareth. Er liegt im Jordangraben, 212 m unter dem Meeresspiegel, 21 Kilometer lang und 13 breit. Zum Vergleich: Das Steinhuder Meer misst acht mal viereinhalb Kilometer. Würde der See Genezareth mitten in Herberhausen beginnen und sich im Leinebett nach Norden hinziehen, könnten wir ein Boot nehmen und nach Northeim rudern. Oder segeln, wenn Wind ist. Aber bleiben wir in Galiläa.
Die Stunden vor dem Morgengrauen. Die vierte Nachtwache, berichtet Matthäus. Das ist zwischen drei und sechs. Die Jünger sind im Boot auf dem See. Meilenweit vom Ufer weg. Jesus hat sie gedrängt einzusteigen. Der Tag war lang. Es gab bedrohliche Nachrichten. Johannes der Täufer hingerichtet. Wird man Jesus auch festnehmen und sie, seine Anhänger? Und dann all die Menschen, die ihn sehen wollten. Mit ihrer Sehnsucht nach Heilung. Nach Vergebung. Nach Mehr für Leib und Seele. Nach all dem musste Jesus für sich sein. Sie sollten vorausfahren mit dem Boot, zum anderen Ufer. Nun ist es Nacht. Sie sind noch nicht am Ziel, sie haben Gegenwind, die Wellen quälen das Boot. Eine Nussschale im Meer. Schon mal sind sie in einen Sturm geraten, da war er mit an Bord. Jetzt ist er nicht da. Sieht aus, als ob er sie sehenden Auges in den Sturm geschickt hätte. Als ob er zuließe, dass sie in Not geraten ohne ihn!
Die Stunden vor dem Morgengrauen. Zwischen drei und sechs. Eine Frau im Krankenhaus. Sie wartet auf das Untersuchungsergebnis. Alles hängt davon ab, Leben oder Tod. Sie will leben, aber die Angst ist tief wie das Meer, die Wellen schlagen über ihr zusammen und keiner, der den Sturm stillt. Auch andere liegen wach in diesen Stunden. Die Schulleiterin grübelt, es gibt bedrohliche Nach-richten, die zweite Welle kommt, die Schule macht wieder auf und die Räume sind zu klein, um Abstand zu halten. Ein Familienvater kann nicht schlafen, es ist Post gekommen von der Ausländer-behörde. Sie werden abgeschoben, im Morgen-grauen wird man kommen und sie holen. Eine junge Frau sitzt die ganze Nacht am Computer, sie hat das Studium geschmissen, noch ein Online-Semester steht sie nicht durch. Aber da ist dieses Echtzeit-Spiel, da hat sie eine andere Gestalt und starke Freunde und besteht alle Prüfungen. Eine Frau in mittleren Jahren wacht am Bett ihres Mannes. Er wurde bewusstlos auf einer Flugreise und ist ins Koma gefallen, er wollte Beweise sammeln gegen die Korruption, sein Ziel hat er nicht erreicht.
Allein im Boot. Meilenweit vom Ufer entfernt. Als ob Jesus seine Leute absichtlich allein lässt in Not und Angst, in Todesnähe. Dann, im Morgengrauen, kommt er zu ihnen. Er geht über den See. Das kann nicht sein. Das ist ein Mythos, bloß Götter und Helden können übers Wasser gehen in Sagen und Legenden. Oder es ist einfach nur lächerlich. Ich kann auch übers Wasser gehen, hat mal ein Lehrer zu mir gesagt, ein Kollege in der Berufsschule in Hameln, und zum Fenster rausgeschaut auf die Weser. Wenn sie zugefroren ist. Was du hier machst, hat er damit gemeint, den Schülern vom Glauben erzählen, das ist nicht ernst zu nehmen. Das hilft ihnen nicht weiter. Mit deinem Jesus kannst du im wirklichen Leben nur baden gehen.
Morgengrauen. Die Stunde der Gottesbegegnung. Das Boot tanzt auf den Wellen. Jesus kommt zu ihnen auf dem See. Die Jünger sind verwirrt. Erschrocken. Ein Gespenst, meinen sie. Sie sind vernünftige Menschen. Wenn einer übers Wasser geht, kann das nicht mit rechten Dingen zugehen. Dann sind Geister im Spiel. Sie schreien vor Angst. Verständlich! Aber Jesus sagt: Ich bin’s. Wie wenn man nach Hause kommt, die Tür aufschließt und ruft: Ich bin’s. Die andern im Haus erkennen einen an der Stimme. Sie haben mit einem gerechnet.
Die Jünger in ihrem wellengequälten Boot haben nicht mit Jesus gerechnet. Aber das „Ich bin’s“ klingt vertraut. Kein Geist. Die Stimme von Jesus, für den sie ihre Netze und ihr Zuhause verlassen haben, mit dem sie unterwegs sind. Ich bin’s, sagt Gott zu Mose im brennenden Dornbusch. Fürchte dich nicht, ich bin bei dir, lässt er Israel sagen durch den Propheten Jesaja. Vielleicht ahnen die Jünger jetzt, in Jesus ist Gottes Kraft, Gott selbst kommt zu ihnen auf dem Wasser.
Petrus ahnt es auf jeden Fall. Er antwortet gleich. Sagt „Herr“. Wenn du es bist, so befiehl mir, zu dir zu kommen übers Wasser hinweg! Er ahnt: Jesus hat Macht vom Vater im Himmel. Wenn du es bist. Da klingen auch Zweifel an. Also will er testen, wie weit der Glaube trägt. Jesus sagt „Komm“. Petrus macht, was er sagt. Er will kein Zauberer sein, kein Akrobat, bloß ein Jünger. Wie wir, wenn wir im Glauben unterwegs sind. Wir handeln nicht eigenmächtig. Wir handeln auf Gottes Weisung und in Jesu Namen. Wenn wir tun, was er sagt, können wir über uns selbst hinauswachsen.
Petrus steigt aus dem Boot. Er wagt sich in den Sturm. Es geht. Er geht auf dem Wasser auf Jesus zu. Dann bemerkt er den Wind. Er kriegt Angst. Keinen Schrecken wie vorher, vor einem Gespenst oder der Begegnung mit einer göttlichen Macht. Die Bedrohung ist real, von dieser Welt. Er fängt an zu ertrinken, berichtet Matthäus. Was einem Angst macht in diesem Leben, kann übermächtig werden. Die Unsicherheit. Der Zweifel. Der Gegen-wind. Eine Schuld. Wenn man den Wind ansieht statt den Retter, geht man unter. Aber jetzt macht Petrus das einzig Richtige. Er schreit: „Herr, rette mich!“ Deshalb ist er der Erstberufene unter den Jüngern. Weil er von Jesus die Rettung erwartet.
Jesus streckt die Hand aus. Er hält Petrus fest. Du Kleingläubiger, sagt er. Warum hast du gezweifelt? In meinen Ohren ist das kein Vorwurf. Es klingt liebevoll. Ich weiß, du hast Zweifel. Ich bin da und überwinde sie, sagt Jesus. Und ich begreife: Es geht nicht darum, dass gar keine Stürme mehr aufkommen. Es geht darum, sich raus zu wagen. Den Schritt ins Ungewisse zu tun. Mit meinem Bisschen Glauben. Dieser Mischung aus Mut und Angst, Hören auf Gott und Starren auf den Gegenwind. Die Mischung ist grundlegend fürs Christsein. Die Jünger haben auch nach Ostern Zweifel. Obwohl sie den auferstandenen Jesus sehen konnten und anfassen. Jesus sendet sie trotzdem. Sie sollen weitersagen, Gott hat den Tod überwunden. Sie sollen selbst die Hand ausstrecken für einen anderen zur Vergebung oder zur Rettung aus Angst und Not.
Könnte man glauben nur auf diese Geister-geschichte hin? Es gibt ähnliche Geschichten in anderen Religionen. Götter und Helden wandeln übers Wasser. Von einem Anhänger Buddhas wird erzählt, er überquere auf dem Wasser einen Fluss durch die Kraft der Gedanken an den Meister. Goethe mag die Geschichte von Petrus auf dem See, weil sie zeigt, wie „der Mensch durch Glauben und frischen Mut“ die schwierigsten Dinge meistern kann, aber wenn er zweifelt, „sogleich verloren sei“.
Aber so verstehe ich die Geschichte nicht. Es ist eben nicht die Kraft meiner Gedanken, die mich rettet. Ich halte mich nicht selbst über Wasser. Es ist Christus. Er sagt „Ich bin’s“ und streckt die Hand nach mir aus, wenn ich schreie. Wie er auf seinem Weg auf der Erde die Hand zum Gesundmachen ausgestreckt hat und zum Sündenvergeben und zum Brot-Austeilen. Mit seinem Kreuz hat er eine Brücke über das tiefste Wasser gebaut. Darauf kann ich gehen mit meinem kleinen Glauben. Amen.
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Predigt zum Miriamlied Ex 15,20-21 (Pn. Anna-Katharina Diehl)
Haben Sie´s gehört?
Die Stimme einer Frau, die vorsingt, ausdrucksstark, kräftig, unterlegt mit hellem Jubel und vom Schlag der Pauke, dem Rhythmus dieser alten Kesseltrommel. Ein Lied, das ins Blut geht und einlädt zum Reigentanz. „Singt dem Herrn ein Lied, denn er ist hoch und erhaben! Rosse und Wagen warf er ins Meer.“ (Ex 15,21)
Ich stelle mir vor, wie die große Prophetin Israels, die Schwester des Mose und des Aaron, mit hoch erhobenem Haupt anmutig vor ihrem Volk Israel her tanzt. Hinter ihr die anderen Frauen, erst noch etwas zögerlich und benommen von den großen Ereignissen, die sie gerade erlebt haben. Doch nach und nach lassen sie sich alle anstecken von der Freude und Euphorie der Miriam – eine Freude über den Sieg und das Leben.
Hinter ihnen wallen die Wogen des Meeres mit leisem Rauschen als wollten sie daran erinnern: Ich bin es, das euch dieses Geschenk des Lebens gegeben hat. Gott hat euch durch mich das Leben und die Freiheit geschenkt…
Wer könnte beim Anblick dieser Szene nicht die Sehnsucht nach Mee(h)r verspüren? Beim Blick über die Wellen in die Weite des Ozeans und das Lied der Miriam im Ohr stellt sich die Hoffnung ein: ich bin gerettet – wir sind gerettet – Gott sei Dank!
Doch wenn ich mir die Geschichte von der wunderbaren Rettung durch das Meer tiefer vergegenwärtige, dann fällt mir auf, dass das Wasser an sich auch noch eine andere Dimension besitzt: Das Meer ist nicht nur die Quelle des Lebens sondern besitzt auch die Macht zum Tod. Die Streitkräfte des ägyptischen Pharaos werden mit ihren Schlachtrössern und Wagen von mächtigen Fluten unter sich begraben. Sie ertrinken jämmerlich. Sie gehen unter in den tobenden Wogen des Meerers.
In unserer Erzählung ist es Gott, der dem Wasser erst eine Richtung gibt, es zur Rettung und zum Tod einsetzt. Er ist der souveräne Herr der mächtigen Urgewalten, der Gutes aus einer auch zerstörerischen Macht hervorbringen kann. Hier entscheidet sich Gott gegen die Bösen Mächte -verkörpert in den Sklaventreibern Ägyptens - die er vernichtet, und für das gute, neue Leben, das in Beziehung zu ihm geführt wird, verkörpert durch das Volk Israel…
Die Prophetin Miriam hat die rettende Seite des Wassers in ihrem Leben nicht zum ersten Mal erfahren.
Da ist ihre Erinnerung an den Tag der Errettung ihres kleinen Bruders, Mose, der als kleines Baby von der Pharaonentochter aus dem Körbchen im Nil gefischt wurde. Mose – was soviel heißt wie „Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen“ – so wird die Tochter des Pharao den kleinen Bruder der Miriam später nennen.
Diese wunderbare Rettung des kleinen Mose wird vor allem durch die Zusammenarbeit von mutigen Frauen möglich. Mutter und Tochter, Schwestern, ob mit oder ohne Titel, alle Frauen arbeiten Hand in Hand gegen die tödlichen Gesetze der Mächtigen.
Schon damals, versteckt im Schilf, muss in Miriam das Lied der Rettung und Befreiung aufgestiegen sein…
Denn in Moses Rettung aus dem großen Nil wird die Rettung des ganzen Volkes Israel bereits vorbereitet: Mose wird gerettet, der später sein ganzes Volk Israel aus der Unterdrückung und Sklaverei Ägyptens führen wird. Und auch das Volk Israel wird bei der Durchquerung des Meers von Gott quasi „aus dem Wasser gezogen“.
Liebe Gemeinde,
diese Erfahrung aus der jüdischen Tradition gehört auch zu unserem christlichen Erbe. Und auch wir können heute noch in den Satz: „Gott hat mich aus dem Wasser gezogen“ einstimmen und dabei außerdem an das Wasser der Taufe denken, das uns von allen bösen Mächten und befreit hat – und zwar durch den Tod Jesus Christi ein für allemal.
Das Wasser ertränkt unsere Sünden, wäscht alles Böse von uns ab und macht uns zu Kindern Gottes. Wir dürfen gewiss sein, dass Gott uns keine Sintflut mehr schicken wird, dass wir gerettet sind durch Gottes Liebe, die er uns in seinem Sohn Jesus gezeigt hat.
Ist das nicht ein Grund, um in das Siegeslied der Miriam einzustimmen? „Singt dem Herrn ein Lied, denn er ist hoch und erhaben! Rosse und Wagen warf er ins Meer.“ (Ex 15,21) oder auch „Gott hat uns aus dem Wasser gezogen“?!
Doch mit dem Singen, liebe Gemeinde, ist das besonders im Moment ja so eine Sache. In Zeiten, in denen unsere ganze Welt vom Corona-Virus heimgesucht wird, gibt es für Gesang und Tanz auf einmal nicht mehr nur innere Widerstände, sondern auch noch äußere Hürden!
Wie lange haben wir uns bei der Vorbereitung dieses Gottesdienstes gefragt: Wird die Gemeinde singen können? Hält das Wetter, sodass wir draußen feiern können?
Da steh ich nun als Getaufte und frage mich, warum mir so häufig nicht nach Singen und Tanzen zu Mute ist…
Ich frage mich, wo das Lied der Miriam geblieben ist. Ob Juden oder Christen oder irgendwer es heute noch singt.
Wo ist das Lied geblieben angesichts wachsender Vereinsamung und Vereinzelung, verursacht von Corona? Wo ist das Lied in den Altenheimen und Krankenhäusern und in den Unterkünften für Obdachlosen? Wo ist das Lied bei den Alleinerziehenden, die nun – zusätzlich zur Kinderbetreuung auch noch Homeoffice machen sollen?
Wo ist das Lied der Miriam heute im Nahen Osten, im „gelobten Land“, wo neben Corona auch noch Krieg, gegenseitiges Misstrauen, politische Krisen und eine große Explosion das Leben der Menschen in ihren Grundfesten erschüttern…?
Und wo war das Lied der Miriam in der Geschichte unserer Kirche, die von Beginn an stets auf die Bekehrung der Juden zum Christentum hoffte? Auch Marin Luthers Antijudaismus stand ja bereits in einer langen Tradition der Judenverachtung, die bereits im Neuen Testament und bei den frühen Kirchenvätern ihren Anfang genommen hatte und schließlich im schrecklichen Holocaust des 20. Jahrhunderts gipfelte…
Wo war das Lied der Miriam denn in Auschwitz, in Treblinka, in Sobibor und wie all die anderen schrecklichen Vernichtungslager für Jüdinnen und Juden hießen? Warum war Gott nicht da, um die Menschen dort aus dem Wasser zu ziehen, um das Böse in Meeresfluten zu vernichten und das Gute zu bewahren?! Gott wo bist du und wo warst du – Retter deines erwählten Volkes, Befreier von allem Bösen!? Wo warst du, wenn nicht in den Herzen der Christen, die ihren Brüdern und Schwestern unendliches Leid angetan haben?...
Es ist, als ob nach der großen Befreiungstat Gottes, sei es der Exodus, sei es die Taufe, ein langer Weg durch die Wüste kommt. Ein Weg mit teilweise unzumutbaren Durststrecken… Sie können so hart sein, dass sie unser Innerstes freilegen und unsere dunkelsten Seiten hervorbringen. Da sind Diskriminierung, Verfolgung, Krankheit, Missgunst, Neid, Habsucht und Rachegelüste, mit denen wir es außerhalb und innerhalb unserer Selbst aufnehmen müssen…
Auch in unserer Erzählung fallen Auseinandersetzungen zwischen Mose, Aaron und Miriam und schließlich der Tod der großen Prophetin Miriam ausgerechnet in die Zeit der Wüste. Miriams Lied ist verstummt – stattdessen erhebt sich die Totenklage, unter die sich schon bald weiteres Klagegeschrei mischt. Dem Volk Israel geht in der Wüste das Trinkwasser aus und das Überleben von Menschen und Tieren ist plötzlich bedroht. Zweifel und Unglaube kommen auf, sogar bei Mose und Aaron. Die große Befreiungstat Gottes, das Geschenk des neuen Lebens, ist in weite Ferne gerückt, ja, so gut wie vergessen.
Und inmitten dieser Krise spricht Gott zu Mose: Nimm deinen Stab, dann versammelt die Gemeinde, du und dein Bruder Aaron, und sagt vor ihren Augen zu dem Felsen, er solle sein Wasser fließen lassen. (Num 20,7-8)
Liebe Gemeinde,
Gott kann Wasser aus dem Felsgestein unserer Herzen fließen lassen. Herzen, die immer wieder in Gefahr sind zu verhärten wie Stein. Herzen, die Gott vergessen, der uns durch das Wasser hindurch neues Leben geschenkt hat.
Und vielleicht finden wir es wieder, in unseren Herzen, das Befreiungslied der Miriam, das wir schon ganz vergessen hatten in den Wüsten- und Corona-Zeiten unseres Lebens.
Und vielleicht gibt es uns ja die Kraft zu neuem Leben! Zur Befreiung aus unguten Beziehungen, oder aus der Angst vor einer tödlichen Krankheit oder aus Sorgen um unser Wohl an Leib und Seele auch im Blick auf unsere Kinder und Enkelkinder. Denn das Miriam-Lied erinnert uns daran, dass Gott uns Menschen nahe sein möchte, auch und besonders in den Krisenzeiten unseres Lebens. Das ist das eine.
Das andere ist, dass Miriam und ihr Lied uns Christen daran erinnert, dass die Geschichte unserer christlichen Kirche gleichzeitig und zuerst auch die Geschichte des Volkes Israel ist und dass Jüdinnen, Juden und Christinnen und Christen aus den gleichen Quellen das Wasser des Lebens schöpfen.
Darum lasst es uns nicht vergessen, das Befreiungslied der Miriam, sondern es in unserem Herzen bewahren, damit es immer wieder neu werden kann und wir in Dankbarkeit den Weg gehen können, auf dem unser Leben zu singen beginnt!
Gelesen und kommentiert von Sandra Beverungen, angeregt durch das Bild "Encounter" aus der Kapelle der Begegnungen in Magdala, Israel. Audio direkt unter diesem Beitrag
Die blutflüssige Frau. Markus 5,24-34 (Übersetzung nach Martin Luther) Und es folgte ihm eine große Menge, und sie umdrängten ihn. Und da war eine Frau, die hatte den Blutfluss seit zwölf Jahren und hatte viel erlitten von vielen Ärzten und all ihr Gut dafür aufgewandt; und es hatte ihr nichts geholfen, sondern es war nur schlimmer geworden. Da sie von Jesus gehört hatte, kam sie in der Menge von hinten heran und berührte sein Gewand. Denn sie sagte sich: Wenn ich nur seine Kleider berühre, so werde ich gesund. Und sogleich versiegte die Quelle ihres Blutes, und sie spürte es am Leibe, dass sie von ihrer Plage geheilt war. Und Jesus spürte sogleich an sich selbst, dass eine Kraft von ihm ausgegangen war, wandte sich um in der Menge und sprach: Wer hat meine Kleider berührt? Und seine Jünger sprachen zu ihm: Du siehst, dass dich die Menge umdrängt, und sprichst: Wer hat mich berührt? Und er sah sich um nach der, die das getan hatte. Die Frau aber fürchtete sich und zitterte, denn sie wusste, was an ihr geschehen war; sie kam und fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit. Er aber sprach zu ihr: Meine Tochter, dein Glaube hat dich gesund gemacht; geh hin in Frieden und sei gesund von deiner Plage!
Für mich hat diese Heilungsgeschichte eine ganz besondere Bedeutung entwickelt, nachdem ich 2017 nach Israel gereist bin. Wir haben dort unter anderem Magdala besucht. Dort steht das Begegnungszentrum „Duc in Altum“. Im Keller, auf den Steinen des alten Marktplatzes ist dort eine Kapelle gebaut. An der Wand ein übermenschengroßes Gemälde von Füßen in Römersandalen. Ein Finger streckt sich durch die Beine und Gewänder hindurch und berührt ein weißes Gewand, das nur durch einen Gebetsschal als das eines Rabbiners gekennzeichnet wird. Von der Berührung geht ein Leuchten aus. Mehr zeigt dieses Gemälde in der Kapelle der Begegnungen nicht.
Vielleicht muss man eine Frau sein, um zu verstehen, wie furchtbar es der Frau gegangen sein muss, ganz davon abgesehen, dass sie durch ihren Blutfluss in einem dauerhaften Zustand der Unreinheit in der jüdischen Gesellschaft gezwungen war. Jeder der sie berührt hat, war ebenso unrein wie sie. Und trotzdem wagt sie es und streckt sich nach Jesus aus, um ihn zu berühren, ihn unrein zu machen; ihre letzte Chance auf Heilung, denn all ihr Habe hat sie längst verloren.
Und die kurze Berührung nimmt die Last der letzten zwölf Jahre von ihren Schultern. Sie ist geheilt.
Für mich ist es dieses Gefühl der Sehnsucht, das Gefühl, sich nach Jesus zu strecken, das meinen Glauben ausmacht. Hoffnungsvoll. Verzweifelt. Erlösend.
Predigt über Mt 16,24-26 von Pastorin Anna Kiefner, Nikolausberg. Audio direkt unter diesem Beitrag :-) 1 Mehr, mehr, mehr und nochmals mehr. Eines war klar, Chris gehörte zu den Machern. Er verdiente so viel Geld, dass er sich alles kaufen konnte. Jedes Jahr flog er mehrmals in den Urlaub. Er fühlte sich in der Welt zuhause. Er war ein gebildeter und kluger Mann, das wusste er. Das sagten ihm auch seine Kollegen, seine Freunde und natürlich auch seine Eltern. Gerade die waren sehr stolz auf ihren Sohn. Er hatte es zu etwas gebracht. Nicht nur im Urlaub war Chris in der weiten Welt unterwegs, sondern auch in seinem Beruf musste er regelmäßig in andere Länder fliegen, um dort Geschäfte zu machen, seine Partner zu treffen usw. Seine Eltern sah er dadurch selten, denn er war auch froh, wenn er mal einen Tag die Füße hochlegen konnte und einfach mal nicht unterwegs war.
Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?
2 Mehr, mehr, mehr und nochmals mehr. Laura ist eine Frohnatur. Wann immer eine ihrer unzähligen Bekannten ein Problem hat, ist sie da. Sie hört sich die Probleme ihrer Freunde geduldig an und gibt, wenn es gewünscht ist auch gute Tipps. Alle mögen Sie und freuen sich, dass sie in ihr so eine gute Freundin haben. Ganz nebenbei hat Laura schon früh ihr eigenes Café aufgemacht und hat auch da stets ein Lächeln für ihre Gäste auf den Lippen. Viele Stammgäste erzählen ihr beim Café am Tresen, was sie gerade so beschäftigt und auch dafür nimmt sich Laura viel Zeit und hört zu.
Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?
3 Mehr, mehr, mehr und nochmals mehr. Margarethe ist schon weit über 80 Jahre alt. Sie lebt im Seniorenheim und spielt seitdem sie drei Jahre alt ist Klavier. In den vielen Jahren ist sie eine begnadete Pianistin geworden und spielt auch heute noch das ein oder andere kleine Konzert vor den anderen Heimbewohnerinnen und Bewohnern. Viele bewundern Margarethe für ihre Künste und bitten sie, wann immer sie sie im Heim treffen um ein kleines Liedchen auf dem Klavier. Margarethe erklärt sich dann gerne dazu bereit und setzt sich meist sogar für 2-3 Lieder ans Klavier.
Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?
4 Mehr, mehr, mehr und nochmals mehr. Wir haben kleine Einblicke in das Leben von dem erfolgreichen Chris, der Cafébesitzerin Laura und der im Heim wohnenden Pianistin Margarethe bekommen. Was denken Sie, liebe Gemeinde, sind diese drei Menschen glücklich? Rund um die Welt und wieder zurück fliegen, mit mehr Geld in der Tasche, als man je ausgeben könnte, ein eigenes Café und viele Freunde und Bekannte, die einen schätzen und gerne einen Rat von einem hören, eine große musikalische Begabung, die auch im Alter noch für Ansehen und Freude sorgt. Ist es nicht das, was unsere Seele leicht werden lässt? Sehnen wir uns genau danach? Wollen wir eventuell auch so sein wie Chris, Laura und Margarethe? Genug Geld und Erfolg helfen auf jeden Fall für die Beruhigung unserer Seele. Die Welt gesehen haben und sich an einem Ort Zuhause fühlen, wo man die Füße hochlegen kann – klingt ja auch recht angenehm und entspannend. Viele gute Freunde haben, die auch noch gut von einem denken und vor allem die eigene Meinung schätzen, sorgt gewiss für ein gutes Gefühl. Noch dazu ein Instrument gut beherrschen, sodass andere daran Gefallen finden. Ja regelrecht seine Begabung gefunden zu haben und diese auch im hohen Alter noch ausüben zu können… So muss doch der Seelenfrieden aussehen. Am besten ein bisschen von allen dreien. Erfolg und Offenheit gegenüber der ganzen Welt wie Chris, viele gute Freunde so wie Laura und ein musikalisches Talent wie Margarethe. Was will man mehr?
Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?
5 Mehr, mehr, mehr und nochmals mehr. Wir sind Menschen, liebe Gemeinde, Sie und ich und wir alle. Menschen versuchen meist ihr Bestes. Sie und ich und wir streben stets nach mehr. Wir versuchen erfolgreich zu sein, dabei genug Zeit für Freunde und Familie zu haben und ganz nebenbei noch einem tollen und sinnvollen Hobby nachzugehen. Wenn wir das alles im Alltag geschafft haben, heißt es mindestens einmal im Jahr: Urlaub. Was machen wir dieses Mal im Urlaub? Zieht es uns ans Meer, in die Berge oder in unseren Garten? Einfach mal die Seele baumeln lassen, steht hoch im Kurs. Was brauchen wir dafür, dass unsere Seele ganz leicht wird? Ein Meeresrauschen, eine Hängematte, gutes Wetter, etwas Höhenluft, einen Ortswechsel? Das ist bei jedem Menschen anders. Eins steht aber fest: Die Sehnsucht nach mehr, ein mehr für die Seele steht dabei hoch im Kurs.
Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?
6 Mehr, mehr, mehr und nochmals mehr. Manchmal ist ja weniger mehr – wie ein bekanntes Sprichwort besagt. In der Lesung für den heutigen Sonntag haben wir gehört, dass das Himmelreich wie eine kostbare Perle ist, oder wie ein einziger Schatz im Acker. Ist diese kostbare Perle, dieser Schatz einmal gefunden, benötigen wir keine weiteren Perlen mehr. Man könnte sagen, dass es nicht viel Bedarf, um den Himmel auf Erden zu bekommen. Auch im Predigttext spricht Jesus mit deutlichen Worten zu seinen Jüngern und sagt: „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden. Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?“
Jesu Worte klingen zunächst etwas befremdlich, wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren. Und wir sollen unser Kreuz auf uns nehmen? Dazu noch die offenen Fragen, ohne eine Antwort „Was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?“ Aber ich denke, dass genau da das hüpfende Komma oder sagen wir mal der springende Punkt liegt. Wir Menschen können zwar viel, aber wenn uns unsere Seele schwer ist, können wir ganz allein nur wenig dagegen tun. Wenn uns der eine Schatz, die eine kostbare Perle verborgen bleibt, ist es manchmal unerklärlich schwer um unsere Seele. Dann haben wir Sehnsucht nach mehr, wünschen uns mehr für unsere Seele, ohne so recht zu wissen, was dieses „mehr“ ist.
7 Weniger und doch so viel mehr. Ich denke an die letzte Liedstrophen aus „Geh aus mein Herz und suche Freud“ wir werden sie nachher noch gemeinsam singen. Paul Gerhardt schreibt da „Erwähle mich zum Paradeis und laß mich bis zur letzten Reis an Leib und Seele grünen…“. Welch schöner Gedanke – Gott möge unsere Seelen grünen lassen. Egal wie sehr wir uns manchmal nach dem „mehr“ sehnen, egal wie sehr wir nach dem „mehr“ in unserem Leben streben, egal. Wir können unsere Seele baumeln lassen, denn Gottes Himmelreich umgibt uns schon jetzt. Die eine kostbare Perle ist da. Wir haben von Gott alles mitbekommen, um an unseren Seelen zu grünen. Auch und gerade, wenn es sich wie eine trockene Wüste anfühlt, kommt Gott mit seinem Segensregen und erinnert uns an das, was er in uns sieht. Wir sind mehr, als wir meist denken. Wir haben ein jeder eine Gabe und die dürfen wir auch einsetzen, denn sie ist von Gott gegeben und wird auf dieser Welt gebraucht. So, wie Chris, Laura und Margarethe. Aber eben jede und jeder mit ihrer bzw. seiner Gabe und nicht mit der Sehnsucht alles auf einmal zu machen und vor allem dabei immer perfekt zu sein. Nein, auf die eine kostbare Perle kommt es an. Dann wird die Seele ganz leicht, weil du Gott, da bist. Amen.
Martina Hofmann: Ich habe den Text von der Großen Flut ausgesucht, weil er sehr gut zum Vorlesen für Kinder geeignet ist. Sie können mit ihren Tieren und einem Schiff die Situation nachspielen und dadurch besser begreifen. Glauben ist auf einmal erlebbar.
Aber auch für uns große Kinder regt der Text zum Nachdenken an.
Wir retten die guten Geschöpfe und das Böse vergeht. Und wenn wir nur lange genug durchhalten, ist auch wieder rettendes Land in Sicht. Wie oft wünschen wir uns das im täglichen Leben?
Nicht alles auf unserer Erde ist gut, nicht alles liegt in unserer Hand. Gott hat mit uns einen Bund geschlossen. Er wird die Erde nicht vernichten. Wir sollten es auch nicht tun. Wir müssen nur ab und zu an ihn mal wieder glauben.
Ihre/Eure Martina Hofmann
Die große Flut
Nach Abels Tod schenkte Gott Adam und Eva einen dritten Sohn, der Set hieß und viele Nachkommen hatte. Ein großes Volk entstand. Aber Gott sah auch, wie sich die Menschen immer häufiger stritten und einander Böses zufügten. Wo Frieden gewesen war, herrschten jetzt Gewalt und Eifersucht. Das gefiel Gott ganz und gar nicht.
„Meine Schöpfung ist verdorben“, sprach er. „Ich will alle Menschen, die Tiere des Feldes und des Waldes, die Kriechtiere und die Vögel vernichten. Denn ich bereue es, dass ich sie geschaffen habe.“
Nur Noah fand Gnade vor den Augen Gottes. Denn er lebte, wie es dem Herrn gefiel. Deshalb sprach Gott zu ihm:“ Es wird eine große Flut kommen. Alle Geschöpfe auf der Erde müssen sterben. Doch dich will ich retten und mit dir deine Frau, deine Söhne und ihre Frauen. Geh und baue ein großes Schiff aus Zypressenholz, eine Arche. Diese Arche soll viele Kammern haben und drei Stockwerke hoch sein. Dichte das Holz mit Pech ab, damit kein Wasser eindringen kann. Dann nimm ein Männchen und ein Weibchen von allen Tieren auf dem Land und von allen Vögeln mit. So bleiben sie am Leben. Vergiss auch nicht, genügend Vorräte in dein Schiff zu laden.
Noah tat, was ihm der Herr aufgetragen hatte. Kaum war die Arche fertig, öffnete der Himmel seine Schleusen, das Wasser aus der Tiefe brach hervor und die Flüsse traten über die Ufer. Das ganze Land wurde überschwemmt. Noah und seine Frau, die Söhne Noahs mit ihren Frauen und die Tiere, die paarweise gekommen waren, flohen in die Arche. Hinter ihnen verschloss Gott die Tür.
Es regnete vierzig Tage und vierzig Nächte, es regnete unaufhörlich. Die Flut schwoll an und das Wasser stieg immer höher, bis es die höchsten Berge unter dem Himmel bedeckte. Da starben alle Geschöpfe, die sich auf der Erde geregt hatten. Übrig blieb nur die Arche und was in ihr lebte. Einsam trieb sie in den endlosen Fluten.
Nach dem großen Regen ließ Gott einen Wind über die Erde wehen. Langsam begann das Wasser zu sinken. Der Himmel, der so stürmisch und schwarz gewesen war, wurde wieder blau. Doch es dauerte noch viele Tage, bis die Arche im Gebirge Ararat aufsetzte. Vorsichtig öffnete Noah eine Luke und ließ eine Taube frei, die aber bald zurückkehrte, weil sie nirgends im Wasser einen Platz zum Ausruhen gefunden hatte. Nach sieben Tagen schickte Noah die Taube erneut hinaus. Dieses Mal kehrte sie erst am Abend zurück, und siehe da, in ihrem Schnabel trug sie den frischen Zweig eines Olivenbaumes. Noah wartete weitere sieben Tage, bevor er die Taube ein drittes Mal aussandte. Jetzt blieb sie fort, denn sie hatte trockenes Land entdeckt und konnte sich nun selbst versorgen.
Da entfernte Noah das Dach der Arche. Gott sprach:“ Kommt alle heraus, du, deine Frau, deine Söhne und die Frauen deiner Söhne. Bringt die Geschöpfe mit, die bei euch sind.“ Voller Freude sah Noah die Erde, von der das Wasser abgeflossen war. Er kniete auf ihr nieder und dankte Gott dafür.
Dann baute Noah einen Altar aus Steinen für Gott. Der Herr segnete alle, die sich um den Altar versammelten. „Ich will einen Bund mit euch und euren Nachkommen schließen,“ sagte er. „Nie mehr werde ich das Leben auf der Erde vernichten, nie mehr soll eine Flut kommen wie diese und alles verderben und zerstören. Das verspreche ich. Seht den Regenbogen, denn er ist das Zeichen für meinen Bund mit euch und allen kommenden Generationen. Der Regenbogen wird mich an diesen Bund erinnern, wenn sich wieder einmal dunkle Wolken am Himmel sammeln.“
Gebet
Großer Gott,
bei dir sind wir geborgen mitten in der Gefahr.
Wir bitten dich für die Großen und die Kleinen,
die Angst haben.
Schütze sie wie in einer Arche,
dass nichts Böses an sie heran kommt.
Das bitten wir für die Menschen, die wir lieb haben,