Endlich feiern wir wieder Kirche für Knirpse: am Freitag, den 14.8. um 17.00 Uhr auf der Wiese vor dem Gemeindesaal der Christophoruskirche.
Unser Hygienekonzept sieht vor, dass ihr euch eine Picknickdecke mitbringt, so dass jede Familie mit entsprechendem Abstand zu den anderen Familien auf ihrer Decke sitzen kann.
Im Anschluss wird es auch kein Abendbrot wie gewohnt geben, wir werden aber für jede Familie einen Picknickteller vorbereiten, sodass ein gemeinsames Abendessen im Familienrahmen stattfinden kann.
Für unsere Planung ist es hilfreich, wenn ihr euch bei mir anmeldet wenn ihr kommen wollt, mit Name, Adresse und Telefon-Nummer für die notwendige Dokumentation in Coronazeiten.
Bitte mitbringen: Picknickdecke, Trinkbecher, und euren Mund-Nase-Schutz (Fürs Kommen und Gehen)
Liebe Gemeinde, ich erinnere mich noch ziemlich genau an damals, als ich klein war: Ich stehe vor der Scheibe der Eisdiele und darf mir zwei Kugel aussuchen. Ich gucke von ganz links nach ganz rechts: Schokolade, Erdbeere, Zitrone, Nuss, Minze, Kinderschokolade, Kokos, Banane. Wie soll ich mich da entscheiden? Während ich langwierige Überlegungen anstelle, wird meine Oma neben mir langsam ungeduldig.
Der Eismann sieht ein, dass es wohl noch eine Weile dauert und wendet sich zu ihr: „Wer die Wahl hat, hat die Qual“, sagt er und lacht. Irgendwann habe ich es dann doch geschafft.
Meine Oma bezahlt.
Ich glaube, sie hat aufgeatmet, als wir endlich gehen konnten.
Die Qual der Wahl haben ist so eine Sache: Einerseits bin ich frei zu wählen, andererseits kann ich mich kaum entscheiden.
Kaffee oder Tee?
Das blaue oder doch lieber das rote Kleid?
Urlaub am Meer oder in den Bergen?
Tagtäglich sind wir vor solche Entscheidungen gestellt.
Sollten wir im Nachhinein entdecken, dass wir uns doch besser anders entschieden hätten, sind die Auswirkungen gering.
Beim nächsten Mal macht man’s halt besser.
Manche Entscheidungen sind dagegen schon schwerwiegender:
Auf welche Schule soll unser Kind gehen?
Für welche Ausbildung soll ich mich entscheiden?
Erkennt man da im Nachhinein, dass die getroffene Wahl doch nicht die beste war, fließen vielleicht Tränen. Aber es ist auch nicht alles verloren.
Das Kind freut sich vielleicht sogar auf den Schulwechsel. Und heutzutage drehen viele eine Schleife, bevor sie ihren Traumberuf gefunden haben.
Andere Entscheidungen haben dagegen so große Auswirkungen, dass ich sie selbst nicht wieder einfangen kann.
Von so einer Erfahrung handelt die Geschichte von Jona, wie sie im Alten Testament aufgeschrieben ist:
Jona ist Prophet. Er mag sein Leben. Eines Tages bekommt er von Gott einen Auftrag:
„Geh nach Ninive!“, fordert Gott ihn auf. „Warne die Menschen dort! Sie richten viel Unheil an.“
Jona erschrickt fürchterlich. „In Ninive wohnen doch meine Feinde!“, denkt er. „Soll ich da wirklich hin?“
Jona hat die Qual der Wahl: Soll er Gottes Auftrag annehmen, ohne zu wissen, wie es ausgeht? Oder soll er lieber sein eigenes Ding machen?
Auf einmal verspürt er eine ungeheure Sehnsucht nach Meer. Er packt seine sieben Sachen und eilt los zum großen Wasser. Man könnte es auch Flucht nennen. Denn Jona will nur eins: Gott aus den Augen kommen. Bei Eltern oder Lehrerinnen oder den Nachbarn mag das manchmal gelingen. Sie vergessen einen dann für eine Weile. Doch Gott ist ein anderes Kaliber. Aber das spürt Jona erst später.
Erst läuft alles gut. Er findet ein Schiff, das ihn mitnimmt und zwar in genau entgegengesetzte Richtung von Ninive. Weiter weg kann er gar nicht.
Doch nachts bricht auf einmal ein gewaltiger Sturm los. Die Seeleute tun alles, damit das Schiff nicht sinkt. Jona merkt davon nichts. Er liegt im Bett, schläft und wiegt sich in Sicherheit.
Da rütteln ihn die anderen wach.
„Du musst beten!“, sagen sie zu ihm, dem Gottesmann. Darauf ist er selbst gar nicht gekommen. Als Prophet ist er ganz schön neben der Spur. Doch es hilft alles nichts. Der Sturm wird nur schlimmer.
Plötzlich weiß Jona, dass das kein normales Unwetter ist, sondern er spürt, Gott hat ihn gefunden. Seine Entscheidung kommt ihm jetzt ziemlich dumm vor: Wer kann schon vor Gott davonlaufen?
Was also tun? Schon wieder Qual der Wahl. Schließlich ruft er: „Werft mich ins Meer!“ Es sollen nicht noch Unschuldige seinetwegen zu Schaden kommen. Erst wollen die Matrosen nicht und rudern nur noch kräftiger. Aber dann sehen sie ein, dass es keinen Sinn hat. Jona wird über Bord gestoßen. Das Meer beruhigt sich. Die Seeleute sind gerettet.
Doch für Jona wird die Qual der Wahl zur Qual mit Wal. Denn unter ihm taucht so ein riesiges Tier auf, öffnet das Maul und - verschluckt ihn.
Und dann sitzt Jona gefangen im Bauch von diesem Koloss.
Besonders schön stelle ich mir das nicht vor. Nicht, dass ich auch schon mal vom Wal verschluckt worden wäre. Vermutlich auch kein anderer von uns. Aber die Erfahrung, die dahintersteht, die kenne ich schon:
Ich treffe die falsche Entscheidung und es geht so richtig schief. Die Auswirkungen nehmen Formen an, die ich nie beabsichtigt habe. Ich werde schuldig an Gott, an einem anderen Menschen oder an mir selbst.
Das haben schon Unzählige erlebt. Denn Gott lässt den Menschen die Wahl. Wir sind frei, uns so oder so zu entscheiden.
Gut so, könnte man sagen. Schließlich sind wir Menschen keine Marionetten. Stimmt! Aber es heißt auch, dass Menschen in die tiefste Verzweiflung geraten können, sogar bis an die Todesgrenze.
Also selbst schuld?
Ich glaube, so einfach ist das nicht. Wir sind Menschen. Die Folgen unseres Tuns können wir manchmal überblicken und manchmal eben auch nicht. Manchmal entscheiden wir uns bewusst gegen das Richtige. Aus Angst oder aus Bequemlichkeit. Und manchmal sind wir ganz sicher, das Richtige zu tun, aber wissen nicht, wohin dieser Weg führt.
Es tröstet mich, dass das auch einem Mann passieren kann, der Gott eigentlich ganz nah ist. Jona verhält sich so gar nicht vorbildlich. Obwohl er Gottes Willen klar und deutlich vernommen hat, wendet er sich von Gott ab. Fremde müssen ihn, den Gottesmann, ans Beten erinnern. Und schließlich landet er allein in absoluter Dunkelheit. Die Chance, dass er doch noch mal ans Licht kommt, ist eher gering.
Als Prophet und als Mensch ist Jona am Ende.
Wenn man in Dunkelheit gefangen ist, gibt es viele Möglichkeiten, wie man der Wirklichkeit entfliehen kann: Netflix suchten, zum Beispiel. So lange lesen, bis die Augen ganz von selbst zufallen. Den Tag so voll planen, dass man gar nicht zum Nachdenken kommen kann.
Oder man verfällt in Schockstarre.
Alles irgendwie legitim, vielleicht ist es auch der Situation angemessen.
Jona hat kein Netflix, kein Buch, keinen vollen Terminplaner. Er verfällt aber auch nicht in Schockstarre.
Stattdessen fängt Jona an mit Gott zu reden:
„Gott, ich schreie Du Dir. Ich weiß nicht mehr aus noch ein. Antworte mir in meiner Not! Ich bin dem Tode nah! In die Tiefe hattest du mich geworfen. Mitten ins Meer. Rings um mich türmten sich die Wellen auf; die Fluten rissen mich mit und spülten mich fort.
Ich dachte schon, du hättest mich aus deiner Nähe verstoßen. Die Strudel zogen mich in die Tiefe, bis ich fast ertrank. Seetang schlang sich mir um den Kopf; bis zu den Fundamenten der Berge sank ich hinab in ein Land, dessen Tore sich auf ewig hinter mir schließen sollten.
Aber du, HERR, mein Gott, hast mich heraufgezogen und mir das Leben neu geschenkt! Als ich schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, dachte ich an dich, und mein Gebet drang zu dir.
Wer sein Heil bei anderen Göttern sucht, die ja doch nicht helfen können, verspielt die Gnade, die er bei dir finden kann. Ich aber will dir Danklieder singen und dir meine Opfer darbringen. Was ich dir versprochen habe, das will ich erfüllen. Ja, der HERR allein kann retten!“ (Jona 2,2-11; Hoffnung für alle)
Als Jona es so richtig verbockt hat, fängt er an zu beten. Er betrachtet vor Gott, was geschehen ist. Nach drei Tagen und drei Nächten ändert sich sein Blickwinkel. Jona hört auf, Gott für sein Unglück verantwortlich zu machen und erkennt, dass er zumindest erstmal gerettet ist. Ertrinken wird er nicht. Wie es weiter geht, weiß er nicht. Aber er weiß, an wen er sich wenden kann und sagt zu Gott: Wer sein Heil bei anderen Göttern sucht, die ja doch nicht helfen können, verspielt die Gnade, die er bei dir finden kann.
Gott ist gnädig – das ist Jonas Erkenntnis. Gott beharrt nicht auf der Schuld. Er straft den Schuldigen nicht ab.
Sondern er gibt eine neue Chance.
Jona wird schließlich vom Wal am Strand ausgespuckt.
Aber nicht der Wal ist das Wunder an dieser Geschichte. Sondern das Wunder ist, dass Gott das Schlimme wieder gut macht.
Die Dunkelheit hat ein Ende, Licht erhellt die Welt.
Qual mit Wal ist vorbei.
Wir werden immer wieder die Qual der Wahl haben. Die gehört zum Leben dazu. Vor der Eisdiele oder ganz existentiell. An manchen Tagen werden wir zufrieden mit der getroffenen Wahl sein. An anderen Tagen fühlen wir uns an Jonas Qual mit dem Wal erinnert. Dann dürfen wir gnädig mit uns selbst sein.
(Eine Audiodatei zum Nachhören finden Sie weiter unten auf dieser Seite)
Herzlichen Dank an Thorsten Rohloff!
„Weit hinten am Horizont“ – Psalm 139 Predigt zur Sommerkirche am 26. Juli 2020 in St. Petri Weende (Thorsten Rohloff)
Liebe Gemeinde!
Dass sie das noch schaffen würde, hätte sie nicht für möglich gehalten: Einmal noch den Sonnenuntergang auf Usedom zu sehen. Coronabedingt musste die Fahrt immer wieder verschoben werden. Aber jetzt ist Mandys Traum in Erfüllung gegangen – ein letzter Traum. Der Wünschewagen vom ASB konnte ihr diesen letzten Blick über das Meer, auf den Sonnenuntergang ermöglichen. „(Das) stand auf meiner Löffelliste. Genau wie Fallschirmspringen“, erzählte die 38-Jährige der Zeitung. Mit Löffelliste meinte sie „die Liste mit Dingen, die man gern tun will, bevor man den Löffel abgibt“. Nach der Reise kehrte sie in das brandenburgische Missionshaus zurück. Auch so ein Ort zum Kraft-Schöpfen, wo sie für die restliche Zeit ihres Lebens palliativ versorgt wird.
Mich hat diese Geschichte berührt. Zwar kenne ich die Frau nur aus der Zeitung. Aber es macht mich irgendwie froh, dass der Wünschewagen ihr diese Reise ermöglichen konnte.
Auch ich liebe das Meer und diesen weiten Blick. Allerdings verreise ich lieber an die Nordsee, und meine Sehnsuchtsinsel heißt Langeoog. Ich mag das Brausen des Meeres, Ebbe und Flut, den nicht enden wollenden Strand, Muschelsand und Wattenmeer, das Laufen im Wasser, das die Füße umspült; den Wind, der einem rau ins Gesicht bläst oder sanft über das Gras der Dünen streicht.
Vor meinem inneren Auge sind diese Bilder, viele Mal erlebt: wie die Wellen kommen und gehen. Sie erinnern mich an meine eigenen Geschichten, Begegnungen – Erfahrungen von Weite, ja großer Tragweite. Liebe und Dankbarkeit schwingen mit.
Vielleicht kennen Sie das auch – über das Meer mit Blick auf den Horizont, weit hinten, diese Gedanken: Wer ich bin eigentlich, angesichts dieser endlosen Weite, diese Größe? Warum ist es so gekommen und nicht anders? Kann ich zu dem stehen, was mein Leben geworden ist?
Auch in unserem Psalm wird der „innere Mensch“ erkundet, vielmehr macht sich der Beter auf den Weg zu sich selbst. Er hängt seinen eigenen Gedanken nach, zugleich fragt er nach Gott. Und das Meer, wie es scheint, eröffnet seiner Seele einen weiten Horizont: „Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.“ (Psalm 139,9-10)
Es ist nur eine der zentralen Passagen dieses Gebets. In den vier Strophen mit ihren je sechs Versen wird die Gegenwart Gottes in Raum und Zeit entfaltet. Dabei beschreibt der Beter, oft erstaunt, seine Gedanken und Gefühle. Und auf seinem inneren Weg versucht er zu deuten, stellt tiefgründige Fragen an den äußersten Enden des Horizonts. Mit dem schönen Bild der „Flügel der Morgenröte“ ist die Grenze des Ostens gemeint; der Mittelmeerrand im Westen steht dieser gegenüber. Auch vom Himmel und vom Reich der Toten ist die Rede. Denn Gottes Nähe, sein Nahekommen, gilt überall – in der Vertikalen wie in der Horizontalen.
Aber damit ist der Psalm noch lange nicht zu Ende. Das Spiel mit den unterschiedlichsten Farben geht weiter. Sie verwandeln sich ständig. Und manchmal vermag der Beter gar nicht zu unterscheiden, wo für ihn die Erde aufhört und wo der Himmel anfängt. Da berühren sich Himmel und Erde – ist das nicht die Botschaft von Christus. Wie schnell kann sich das Wetter wieder ändern, am Meer, auch in meinem Leben.
„Siehe ich mache alles neu! – Das Alte ist vergangen, ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung.“
Hier kann sich „Sehnsucht nach Mee(h)r“ in Hoffnung verwandeln. Weit hinten am Horizont sehe ich kein Ende … und doch glaube ich, dass es den anderen Strand, das andere Ufer des Meeres gibt, irgendwo in der Ferne.
„Das Reich Gottes und die Welt berühren sich. Und irgendwann einmal werden sie ineinander übergehen. Am Meer kann man das ahnen, weit hinten am Horizont zeigt es sich schon“, so hat es jemand mal beschrieben. Und weiter (schrieb er): „Manchmal peitscht der Wind das Meer auf. Dann wird es im Spielzimmer Gottes gefährlich. Ein Sturm türmt hohe Wellen auf. Zuletzt donnern sie mit Wucht auf den Strand. Das Wasser brodelt und kocht. Ganz anders sieht es aus, wenn man den Blick in die Weite des Meeres schweifen lässt. Draußen am Horizont, da sieht das Meer immer ruhig aus, selbst im Sturm. Ein hilfreicher Perspektivenwechsel. Er gilt auch sonst im Leben. Betrachtet man die Dinge nur aus der Nähe, wirken sie oft aufgeregt und bedrohlich. Sieht man sie mit einem weiten Horizont, dann verlieren sie viel von ihrer Bedrohung. Es tut gut, diesen Perspektivenwechsel in den Alltag mitzunehmen und die Aufgaben dort mit mehr Abstand zu sehen. Das hilft, gelassener reagieren zu können. All die Aufgeregtheiten des Tages, sie sind nicht mehr so bedrängend, wenn man sie vor dem großen Horizont des Lebens betrachtet. Auch daran erinnert das Meer.“
Ich kann mir gut vorstellen, dass auch die schwerkranke Mandy durch den Blick in die Weite über das Meer von dieser Hoffnung genährt wurde:
Doch am Abend, wenn die Abendsonne dieses andere Ufer in goldenes Licht hüllt, dann weiß ich: Es wird gut. Dann weiß ich: die Abendsonne kündigt an einem anderen Ufer einen neuen Morgen an.
„Auch dort wird deine Hand mich leiten und deine Rechte mich führen. Denn die Finsternis ist nicht finster vor dir, die Nacht leuchtet wie der Tag.“ (Psalm 139,10.12)
Und der Friede Gottes, der größer ist als alle Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Welcher Bibeltext ist Ihnen besonders lieb und wichtig? In unserer Reihe stellen Gemeindeglieder, Freundinnen und Freunde einen Abschnitt aus der Bibel vor.
Heute: Hesekiel 1, gelesen und kommentiert von Thomas Plate Zum Nachhören: Audio weiter unten auf dieser Seite
Eine meiner Lieblingsstellen ist das erste Kapitel von Hesekiel (Ezechiel). Gott zeigt sich Hesekiel in trüben Zeiten der Geschichte des Volkes Israel - in all seiner überwältigenden Macht und Schönheit, seiner Kraft und Großartigkeit - durch überwältigend beschriebene Symbole, Wesen und Bilder, die sich mir erst Schritt für Schritt erschließen und mich jedes Mal beim Lesen des Textes faszinieren und Ideen und neue Bilder in meinem Kopf entstehen lassen.
Für mich ist das so, als ob Gott sich mir wirklich in Seinem Sein persönlich vor-stellen möchte. Dieses: „Ich bin, der ich bin“ wird für mich dadurch irgendwie lebendig.
Und ich sah, und siehe, es kam ein ungestümer Wind von Mitternacht her mit einer großen Wolke voll Feuers, das allenthalben umher glänzte; und mitten in demselben Feuer war es lichthell. Und darin war es gestaltet wie vier Tiere, und dieselben waren anzusehen wie Menschen. Und ein jegliches hatte vier Angesichter und vier Flügel: Und ihre Beine standen gerade und ihre Füße waren gleichwie Rinderfüße und glänzten wie helles, glattes Erz.
Ihre Angesichter waren vorn gleich einem Menschen und zur rechten Seite gleich einem Löwen bei allen vieren und zur linken Seite gleich einem Ochsen bei allen vieren und hinten gleich einem Adler bei allen vieren. Und ihre Angesichter und Flügel waren obenher zerteilt, dass je zwei Flügel zusammenschlugen, und mit zwei Flügeln bedeckten sie ihren Leib. Wo sie hingingen, da gingen sie stracks vor sich; sie gingen aber, wo der Geist sie hintrieb; und mussten sich nicht herumlenken, wenn sie gingen. Und die Tiere waren anzusehen wie feurige Kohlen, die da brennen, und wie Fackeln; und das Feuer fuhr hin zwischen den Tieren und gab einen Glanz von sich, und aus dem Feuer gingen Blitze. Die Tiere aber liefen hin und her wie der Blitz. Als ich die Tiere so sah, siehe, da stand ein Rad auf der Erde bei den vier Tieren und war anzusehen wie vier Räder. Und die Räder waren wie ein Türkis und waren alle vier eins wie das andere, und sie waren anzusehen, als wäre ein Rad im andern. Wenn sie gehen sollten konnten sie nach allen ihren vier Seiten gehen, und mussten sich nicht herumlenken, wenn sie gingen. Ihre Felgen und Höhe waren schrecklich; und ihre Felgen waren voller Augen um und um an allen vier Rädern. Und wenn die Tiere gingen, so gingen die Räder auch neben ihnen, und wenn die Tiere sich von der Erde emporhoben, so hoben sich die Räder auch empor.
Oben aber über den Tieren war es gestaltet wie ein Himmel, wie ein Kristall, schrecklich, gerade oben über ihnen ausgebreitet, dass unter dem Himmel ihre Flügel einer stracks gegen den andern standen; und eines jeglichen Leib bedeckten zwei Flügel. Und ich hörte die Flügel rauschen wie große Wasser und wie ein Getön des Allmächtigen, wenn sie gingen, und wie ein Getümmel in einem Heer. Wenn sie aber stillstanden, so ließen sie die Flügel nieder. Und wenn sie stillstanden und die Flügel niederließen, es donnerte in dem Himmel oben über ihnen. Und über dem Himmel, so oben über ihnen war, war es gestaltet wie ein Saphir, gleichwie ein Stuhl; und auf dem Thron saß einer, gleich wie ein Mensch gestaltet. Und ich sah und es war lichthell und inwendig war es gestaltet wie ein Feuer um und um. Von seinen Lenden überwärts und unterwärts sah ich‘s wie Feuer glänzen um und um. Gleichwie der Regenbogen sieht in den Wolken, wenn es geregnet hat, also glänzte es um und um. Dies war das Ansehen der Herrlichkeit des HERRN. Und da ich’s gesehen hatte, fiel ich auf mein Angesicht und hörte einen reden.
(Eine Audiodatei zum Nachhören finden Sie weiter unten auf dieser Seite)
Menschenfischer. Predigt zu Lukas 5,1-11(Charlotte Scheller)
Die ganze Nacht gearbeitet. Jetzt graut der Morgen, die Vögel lärmen schon, der Verkehr auf den Straßen ist aufgewacht. Sie ist müde und gleichzeitig hellwach. Die Schicht war anstrengend, zweimal die Bettenrunde, drei Bewohnerinnen brauchen intensive Pflege. Die Medikamente stellen für die ganze Station. Zwischen zwei und vier hat sie mit dem Schlaf gekämpft, bis der Bewohner in der Fünf wieder geklingelt hat. Manche rufen einen dauernd und brauchen eigentlich nichts. Nur ein paar freundliche Worte. Andere machen sich still und heimlich davon. Wie die Frau in der Elf. Saß im Sessel wie immer. Bloß blasser als sonst. Friedlich eingeschlafen, werden sie später sagen. Sie hat sie gewaschen und schön gemacht. Ein letzter Dienst. So hätte sie es gern gehabt. Das ganze Team kam sich verabschieden. Sie hat geweint.
Jetzt ist sie zu Hause. Hat die Kleine losgeschickt, heute ist Schule. Ein paar Stunden Schlaf, bevor das Kind zurückkommt, hungrig, voller Geschichten. Immer noch keine Nachricht von ihrem Vater. Einen Computer brauchen sie jetzt für den Online-Unterricht. Wovon den bezahlen? Da schlägt man sich die Nächte um die Ohren. Und kommt doch nie auf einen grünen Zweig.
Die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Kalt und unfreundlich das Morgengrauen. Minuten später ist heller Tag. Simon und seine Leute haben die Boote aufs Land gebracht. Die leeren Körbe verstaut. Noch die Netze waschen. Jetzt kommen andere an den Strand. Händler. Kauflustige. Lebenskünstler. Bettler. Da ist auch dieser Wanderprediger. Simon hat ihn schon mal gesehen, im Haus seiner Schwiegermutter. Jesus. Er hat sie gesund gemacht. Die Leute wollen ihn reden hören. Selig sind, die da Leid tragen. Er kann offenbar trösten. So viele wollen ihn hören, dass er auf Abstand gehen muss. He, sagt er zu Simon, fahr mich ein Stück raus auf den See. Simon zieht das Boot wieder aufs Wasser. Fährt ein paar hundert Meter raus. Der Prediger steht auf. Nimmt sein Boot als Kanzel. Er redet von Gott und der Welt und die Leute am Ufer hängen an seinen Lippen. Simons Gedanken schweifen ab. Predigten sind nicht so seins. Simon? Er zuckt zusammen. Fahr weiter raus. Dahin, wo es tief ist. Werft eure Netze zum Fischen aus!
Meister, sagt er. Respektvoll. Aber. Niemand fischt am hellen Tag. Wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Aber auf dein Wort hin - gut, ich will die Netze auswerfen.
Und dann - unglaublich. Mitten am Tag beide Netze voll. Simon verliert den Überblick. Das Boot kommt ins Schwanken. Sein Fischer-Selbstverständnis auch. Das Team mit dem anderen Boot wird zur Hilfe gerufen. Die Netze sind schon angerissen. Nicht zu fassen das alles. Die Boote drohen zu sinken. Aber sie bringen alles an Land. Den ganzen Fang. Eigentlich sollten sie jetzt feiern. Aber. Simon klopft das Herz. Ihm zittern die Knie. Das geht nicht mit rechten Dingen zu. Da ist eine andere Macht im Spiel. Wer ist dieser Jesus? Er geht auf Abstand. Sinkt auf die Knie. Herr, geh weg von mir. Ich bin ein sündiger Mensch.
Das ist keine Beichte. Kein schlechtes Gewissen, keine Tat, die sich gestehen und vergeben ließe. Es ist diese ganze Vergeblichkeit. Wenn du plötzlich merkst: Ich bin nur ein Mensch. Begrenzt. Eingeschränkt. Verletzlich. Verletzt, weil ich mich umsonst abgemüht habe. Weil meine Arbeit nicht gesehen wird. Meine Gaben nicht gebraucht werden. Ein Abgrund zwischen mir und Gott. Ein Sund. Ich bin ein sündiger Mensch. Geh weg von mir, Mann Gottes!
Auch die anderen sind starr vor Schrecken über den großen Fang. Normal ist das nicht. Normal ist: Man macht sich krumm und es ist zum Leben zuwenig und zum Sterben zuviel. Bei der Arbeit kann es einem so gehen und in der Liebe. Auch in der Kirche. Betroffen zeigt sich Bischof Meister von den schwindenden Mitgliederzahlen. Wir leisten gute Arbeit, sagt er. Nur fängt sie kaum jemanden ein.
Jesus hat an dem Tag nur einen eingefangen. Fürchte dich nicht, sagt er zu Simon, der schockstarr zu seinen Füßen kniet. Von nun an wirst du Menschen fangen.
Ich, ein sündiger Mensch, weit weg von Gott, mit all meinen Grenzen und Fehlern, ich soll Menschen fangen? Ja, Fangen steht da. Nicht Fischen. Denn Fischen, das bedeutet den Tod für die Fische. Aber Gefangenwerden, das kann die Rettung sein vor dem Tod. Schon in der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel ist das so. Aufgefangen. Hineingeholt in Gottes Liebe. Dem großen Menschenfischer auf der Spur. Nicht um dasselbe zu tun wie er. Aber verbunden im Netzwerk seiner Jüngerinnen und Jünger. Unterwegs, um andere einzuladen. Nicht gefangen zu nehmen. Nicht zappeln zu lassen wie Fische auf dem Trockenen. Nicht untergehen zu lassen wie die Menschen im Mittelmeer auf den schwankenden Booten. Sondern einzuholen in Gottes Erbarmen. Ein Rettungsboot zu schicken. Leinen und Schlauchboote auszuwerfen und die Hoffnungslosen aufzunehmen hier wie dort.
Du wirst Menschen fangen, sagt Jesus. Nicht: Du könntest, oder Du sollst. Er sagt: Du wirst. Fürchte dich nicht! Du hast auf mein Wort reagiert. Bist nochmal rausgefahren, wie Abraham losgegangen ist auf Gottes Ruf. Du wirst es wagen, mit mir zu gehen. Ich will dich segnen und du wirst für andere ein Segen sein.
Jesus hat vielen gepredigt vom Boot aus. Spaziergängern. Händlerinnen. Fischern. Einen hat ein heiliger Schrecken gepackt. Er hat sich ins Tiefe gewagt. Hat sich ihm angeschlossen. Folgt ihm nach. Gute Arbeit, wenn nur ein einziger sich einfangen lässt. Hereinholen in Gottes Güte und Barmherzigkeit.
Mama? Ein Flüstern. Die Frau blinzelt. Sie muss eingeschlafen sein auf dem Sofa. Tief eingesponnen in ihre Gedanken. An die Mühseligkeit ihrer Arbeit. An den letzten Liebesdienst für die gestorbene Bewohnerin. An das geduldige Zuhören am Bett des einsamen Bewohners. An die Bedürfnisse ihrer Tochter und an ihre eigenen vergeblichen Wünsche. Wie spät ist es? Benommen rappelt sie sich auf. Ich hab Pfannkuchen gemacht, sagt die Tochter. Komm essen! Es schmeckt köstlich.