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Herzlichen Dank an Thorsten Rohloff!
„Weit hinten am Horizont“ – Psalm 139
Predigt zur Sommerkirche am 26. Juli 2020 in St. Petri Weende (Thorsten Rohloff)
Herzlichen Dank an Thorsten Rohloff!
„Weit hinten am Horizont“ – Psalm 139
Predigt zur Sommerkirche am 26. Juli 2020 in St. Petri Weende (Thorsten Rohloff)
Liebe Gemeinde!
Dass sie das noch schaffen würde, hätte sie nicht für möglich gehalten: Einmal noch den Sonnenuntergang auf Usedom zu sehen. Coronabedingt musste die Fahrt immer wieder verschoben werden. Aber jetzt ist Mandys Traum in Erfüllung gegangen – ein letzter Traum. Der Wünschewagen vom ASB konnte ihr diesen letzten Blick über das Meer, auf den Sonnenuntergang ermöglichen. „(Das) stand auf meiner Löffelliste. Genau wie Fallschirmspringen“, erzählte die 38-Jährige der Zeitung. Mit Löffelliste meinte sie „die Liste mit Dingen, die man gern tun will, bevor man den Löffel abgibt“. Nach der Reise kehrte sie in das brandenburgische Missionshaus zurück. Auch so ein Ort zum Kraft-Schöpfen, wo sie für die restliche Zeit ihres Lebens palliativ versorgt wird.
Mich hat diese Geschichte berührt. Zwar kenne ich die Frau nur aus der Zeitung. Aber es macht mich irgendwie froh, dass der Wünschewagen ihr diese Reise ermöglichen konnte.
Auch ich liebe das Meer und diesen weiten Blick. Allerdings verreise ich lieber an die Nordsee, und meine Sehnsuchtsinsel heißt Langeoog. Ich mag das Brausen des Meeres, Ebbe und Flut, den nicht enden wollenden Strand, Muschelsand und Wattenmeer, das Laufen im Wasser, das die Füße umspült; den Wind, der einem rau ins Gesicht bläst oder sanft über das Gras der Dünen streicht.
Vor meinem inneren Auge sind diese Bilder, viele Mal erlebt: wie die Wellen kommen und gehen. Sie erinnern mich an meine eigenen Geschichten, Begegnungen – Erfahrungen von Weite, ja großer Tragweite. Liebe und Dankbarkeit schwingen mit.
Vielleicht kennen Sie das auch – über das Meer mit Blick auf den Horizont, weit hinten, diese Gedanken: Wer ich bin eigentlich, angesichts dieser endlosen Weite, diese Größe? Warum ist es so gekommen und nicht anders? Kann ich zu dem stehen, was mein Leben geworden ist?
Auch in unserem Psalm wird der „innere Mensch“ erkundet, vielmehr macht sich der Beter auf den Weg zu sich selbst. Er hängt seinen eigenen Gedanken nach, zugleich fragt er nach Gott. Und das Meer, wie es scheint, eröffnet seiner Seele einen weiten Horizont: „Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.“ (Psalm 139,9-10)
Es ist nur eine der zentralen Passagen dieses Gebets. In den vier Strophen mit ihren je sechs Versen wird die Gegenwart Gottes in Raum und Zeit entfaltet. Dabei beschreibt der Beter, oft erstaunt, seine Gedanken und Gefühle. Und auf seinem inneren Weg versucht er zu deuten, stellt tiefgründige Fragen an den äußersten Enden des Horizonts. Mit dem schönen Bild der „Flügel der Morgenröte“ ist die Grenze des Ostens gemeint; der Mittelmeerrand im Westen steht dieser gegenüber. Auch vom Himmel und vom Reich der Toten ist die Rede. Denn Gottes Nähe, sein Nahekommen, gilt überall – in der Vertikalen wie in der Horizontalen.
Aber damit ist der Psalm noch lange nicht zu Ende. Das Spiel mit den unterschiedlichsten Farben geht weiter. Sie verwandeln sich ständig. Und manchmal vermag der Beter gar nicht zu unterscheiden, wo für ihn die Erde aufhört und wo der Himmel anfängt. Da berühren sich Himmel und Erde – ist das nicht die Botschaft von Christus. Wie schnell kann sich das Wetter wieder ändern, am Meer, auch in meinem Leben.
„Siehe ich mache alles neu! – Das Alte ist vergangen, ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung.“
Hier kann sich „Sehnsucht nach Mee(h)r“ in Hoffnung verwandeln. Weit hinten am Horizont sehe ich kein Ende … und doch glaube ich, dass es den anderen Strand, das andere Ufer des Meeres gibt, irgendwo in der Ferne.
„Das Reich Gottes und die Welt berühren sich. Und irgendwann einmal werden sie ineinander übergehen. Am Meer kann man das ahnen, weit hinten am Horizont zeigt es sich schon“, so hat es jemand mal beschrieben. Und weiter (schrieb er): „Manchmal peitscht der Wind das Meer auf. Dann wird es im Spielzimmer Gottes gefährlich. Ein Sturm türmt hohe Wellen auf. Zuletzt donnern sie mit Wucht auf den Strand. Das Wasser brodelt und kocht.
Ganz anders sieht es aus, wenn man den Blick in die Weite des Meeres schweifen lässt. Draußen am Horizont, da sieht das Meer immer ruhig aus, selbst im Sturm. Ein hilfreicher Perspektivenwechsel. Er gilt auch sonst im Leben. Betrachtet man die Dinge nur aus der Nähe, wirken sie oft aufgeregt und bedrohlich. Sieht man sie mit einem weiten Horizont, dann verlieren sie viel von ihrer Bedrohung. Es tut gut, diesen Perspektivenwechsel in den Alltag mitzunehmen und die Aufgaben dort mit mehr Abstand zu sehen. Das hilft, gelassener reagieren zu können. All die Aufgeregtheiten des Tages, sie sind nicht mehr so bedrängend, wenn man sie vor dem großen Horizont des Lebens betrachtet. Auch daran erinnert das Meer.“
Ganz anders sieht es aus, wenn man den Blick in die Weite des Meeres schweifen lässt. Draußen am Horizont, da sieht das Meer immer ruhig aus, selbst im Sturm. Ein hilfreicher Perspektivenwechsel. Er gilt auch sonst im Leben. Betrachtet man die Dinge nur aus der Nähe, wirken sie oft aufgeregt und bedrohlich. Sieht man sie mit einem weiten Horizont, dann verlieren sie viel von ihrer Bedrohung. Es tut gut, diesen Perspektivenwechsel in den Alltag mitzunehmen und die Aufgaben dort mit mehr Abstand zu sehen. Das hilft, gelassener reagieren zu können. All die Aufgeregtheiten des Tages, sie sind nicht mehr so bedrängend, wenn man sie vor dem großen Horizont des Lebens betrachtet. Auch daran erinnert das Meer.“
Ich kann mir gut vorstellen, dass auch die schwerkranke Mandy durch den Blick in die Weite über das Meer von dieser Hoffnung genährt wurde:
Doch am Abend, wenn die Abendsonne dieses andere Ufer in goldenes Licht hüllt, dann weiß ich: Es wird gut. Dann weiß ich: die Abendsonne kündigt an einem anderen Ufer einen neuen Morgen an.
„Auch dort wird deine Hand mich leiten und deine Rechte mich führen. Denn die Finsternis ist nicht finster vor dir, die Nacht leuchtet wie der Tag.“ (Psalm 139,10.12)
Und der Friede Gottes, der größer ist als alle Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.