von Charlotte Scheller. Audio unter diesem Beitrag.
Was ist ein Freund?
Einer, der nicht weit weg wohnt, sagt ein Kindergartenkind. Eine, mit der ich mich nachmittags zum Spielen treffe. Freunde teilen den Geburtstagskuchen, sagt ein Junge. Und helfen sich. Ja, sagt ein Mädchen. Meine Freundin ist krank. Ich kann nicht zu ihr. Ich habe sie angerufen. Sie hat sich gefreut.
Wenn du jemand lange kennst, sagt eine Freundin, ist es, als ob ihr eine eigene Sprache sprecht. Wie in einer Familie. Wichtig ist, dass ihr zusammen lachen könnt. Und, auch wenn ihr lange nicht miteinander gesprochen habt, nach einer Minute ist es wieder vertraut. Als ob ihr euch gestern gesehen hättet.
Freunde können sich nah sein wie Geschwister. Auch wenn sie grundverschieden sind. Weil Gegensätze sich anziehen. Weil Freunde einander ergänzen. Weil einer den andern trägt. Und eine Freundin einem auch Unbequemes sagen darf. Wer, wenn nicht sie?
Eine Freundschaft verträgt einen Streit. Siebenmal siebzig Mal, hat Jesus gesagt, sollst du deinem Bruder vergeben. Hundertmal hab ich zu meiner Freundin gesagt, als wir sieben waren, ich spiel nie wieder mit dir. Nie, nie mehr! Bis zum nächsten Tag. Da waren wir wieder die besten Freundinnen.
Auf einen Freund kann ich mich verlassen. Nicht dass er immer gut finden muss, was ich sage und tue. Aber er ist für mich da. Gerade dann, wenn ich mich selbst nicht leiden kann. Deshalb schmerzt kaum etwas mehr als der Verrat eines Freundes.
Freundschaften kennen Höhen und Tiefpunkte. Ich habe mich abgefreundet, sagte eins unserer Kinder mit fünf. Als Große be- und entfreunden wir uns bei Facebook, werden Sports-, Musik- oder Kunstfreundinnen auf Zeit oder gehören zum Freundeskreis einer Hilfsorganisation.
Was, wenn die Freundschaft versiegt, wenn nicht mehr trägt, was euch einst verbunden hat? Es gibt Zeiten ohne Freunde, du fühlst dich allein, irgendwie fremd auf der Welt, als ob du nirgends richtig dazugehörst. Und ja, manchmal passiert das ausgerechnet dann, wenn du ganz dringend jemand bräuchtest. Jesus hat das erfahren, als er festgenommen wurde, zu Unrecht beschuldigt, zum Tod verurteilt. Kein Freund kannte ihn mehr. Kaum ein Wunder, dass er sich auch von Gott verlassen fühlte.
Aber. Das Freundschaftsflämmchen ist nicht ausgegangen. Als sie trauerten um ihn, als er offensichtlich tot war, ist es wieder aufgeflammt. Den glimmenden Docht will ich nicht auslöschen, hat Gott vor Urzeiten seinem Volk im Exil sagen lassen durch die Propheten, auch so eine Freundschaftsdurststrecke. Und dann wieder, nach Ostern. Der auferstandene Jesus ruft alle zusammen, die Freunde, die ihn im Stich gelassen haben, verraten, verkauft oder bloß nicht mehr gekannt. Er sagt: Geht und erzählt von mir. Sagt weiter, dass ich immer da bin. Auch am Ende der Welt. Zu allen seiner zeitweiligen Freunde sagt er das. Unabhängig vom Grad ihrer Treue. Nicht gekränkt von denen, die sich abgefreundet haben. Gleich wie mich der Vater gesandt hat, sagt er, so sende ich euch.
Ohne Freunde sein ist Mist, keine Frage. Aber selbst wenn ich es bin über eine kurze oder lange Strecke, kann ich immer noch schauen, wohin er mich sendet. Wem ich Freundin sein kann für diesen Tag, diese Stunde, diesen Augenblick. In Jesu Namen. Amen.
Strebt nach der Liebe! Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber darum, dass ihr prophetisch redet!
Denn wer in Zungen redet, der redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott; denn niemand versteht ihn: im Geist redet er Geheimnisse.
Wer aber prophetisch redet, der redet zu Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung.
Wer in Zungen redet, der erbaut sich selbst; wer aber prophetisch redet, der erbaut die Gemeinde.
„Es ist was es ist sagt die Liebe“, Erich Fried war Anfang 30, als er mit seiner Prophetie verstörte. Wie schon Paulus etwa um das Jahr 55 nach Christus. Was wäre bloß ohne die Liebe, Basis und Fluchtpunkt des Lebens zugleich? Paulus geht der Frage nach, wie heute die christliche Botschaft gehört werden kann. Verständlich und überzeugend vom Glauben in der heutigen Welt zu sprechen, bringt Herausforderungen mit sich. Wie fremd kirchliche Sprache doch manchmal klingen kann. Was meint eigentlich „Zungenreden“? Woran merke ich den Unterschied zwischen Zungenrede und prophetischer Rede? Und was hat das mit dem Gemeindeleben und überhaupt mir zu tun?
Ich möchte, dass ihr alle in Zungen reden könnt; aber noch viel mehr, dass ihr prophetisch redet. Denn wer prophetisch redet, ist größer als der, der in Zungen redet; es sei denn, er legt es auch aus, auf dass die Gemeinde erbaut werde.
Nun aber, Brüder und Schwestern, wenn ich zu euch käme und redete in Zungen, was würde ich euch nützen, wenn ich nicht mit euch redete in Worten der Offenbarung oder der Erkenntnis oder der Prophetie oder der Lehre?
Die Klimaaktivistin mit dem Asperger-Syndrom aus Schweden, Greta Thunberg, zeigt sich als eine Prophetin unserer Tage. Keine Lyrikerin, keine Predigerin, aber eine, die messerscharfe Worte furchtlos gebraucht: „Ich kann es nicht ertragen, wenn jemand etwas sagt und dann etwas anderes tut“, wird sie zitiert. Ich bin davon fasziniert. Nicht nur von der jungen Greta, mehr noch von einer Zeitenwende, die durch engagierte Jugendliche und junge Erwachsene und die Fridays-for-Future-Bewegung markiert wird. Prophet*innen, Klimaaktivist*innen, Christ*innen – ja, Menschen mit erkennbarer, klarer Haltung sind nicht überall gern gesehen, oder doch?
So verhält es sich auch mit leblosen Instrumenten, es sei eine Flöte oder eine Harfe: Wenn sie nicht unterschiedliche Töne von sich geben, wie kann man erkennen, was auf der Flöte oder auf der Harfe gespielt wird?
Und wenn die Posaune einen undeutlichen Ton gibt, wer wird sich zur Schlacht rüsten?
So auch ihr: Wenn ihr in Zungen redet und nicht mit deutlichen Worten, wie kann man wissen, was gemeint ist? Ihr werdet in den Wind reden.
Der Apostel Paulus möchte wohl, dass möglichst alle Christen und Christinnen prophetisch reden. Und dabei selbst von „Kirchenfernen“ und im Blick auf andere Lebens- und Weltanschauungen verstanden werden. Wie soll das gehen?
Wer von seinem Glauben weitererzählen möchte, kommt nicht umhin, das Leben mit denen zu teilen, die er zu erreichen versucht oder begleitet. Wer die Sorgen und Nöte, die Ängste und das Leid, die Sehnsucht und Hoffnungen derer nicht kennt, denen er wo auch immer begegnet, der wird wohl kaum verstanden werden und nur wenig Resonanz finden.
Es gibt vielerlei Sprachen in der Welt, und nichts ist ohne Sprache.
Wenn ich nun die Bedeutung der Sprache nicht kenne, werde ich ein Fremder sein für den, der redet, und der redet, wird für mich ein Fremder sein.
So auch ihr: Da ihr euch bemüht um die Gaben des Geistes, so trachtet danach, dass ihr sie im Überfluss habt und so die Gemeinde erbaut.
Ich bin gemeint! Wir als Gemeinde sind gemeint. Ja. So ist es wohl: Die Wahrheit nervt. „Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt“; es sieht so aus, als wäre Erich Fried darauf gekommen. Wer will, dass „die Kirche“ so bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt …!?
Die Wahrheit zu erkennen – welche Wahrheit eigentlich? – und diese zu benennen zu versuchen, bedeutet jedoch nicht automatisch, dass sich damit die Zeit der Veränderung Bahn bricht. Und auch wenn Paulus im Gemeindeleben, im Gottesdienst die prophetische Rede der Zungenrede vorzieht, so gehören doch beide zusammen.
So sollten wir uns immer wieder fragen lassen, wie wir unsere Sprachlosigkeit überwinden können, wie Veränderung in die Welt, letztlich in unsere konkrete Lebenswelt und in unsere Gemeinden kommt. Der heutige Predigttext mag uns vielleicht daran erinnern: Nicht die Propheten nerven, Gott und seine Wahrheit nerven. Er nervt aus lauter Liebe. Gott sei Dank!
Themenspaziergang am Mittwoch, dem 16. Juni, von 17:00 bis 18:30 Uhr(Achtung: im Gemeindebrief steht versehentlich 19:30 Uhr).
Die „Denkanstöße“ machen sich auf den Weg! Die Gedanken kommen wie der Körper in Bewegung beim Gehen. Sind wir mit anderen unterwegs, schauen alle in die gleiche Richtung. Es lässt sich unbefangener reden, als wenn wir einander gegenüber säßen. Wir gehen in einem Tempo, das alle mitgehen können. An mehreren Stationen wird ein Impuls zum Nachdenken und Besprechen für das nächste Stück Weg gegeben.
Bänke sind an der Strecke, für Proviant ist gesorgt. Bitte bringen Sie sich selbst etwas zu trinken mit!
Thema: „Von einem, der auszog, das Leben zu lernen, und andere Weggeschichten“. Anmeldung bei Pn Scheller, charlotte.scheller@evlka.de, Tel. 0551-72651
Dialog von Charlotte Scheller und Anne Dill, anknüpfend an eine Beobachtung in Göttingen-Weende. Das ungekürzte Gespräch als Audio unter diesem Beitrag.
CS: Letzten Samstag bin ich zu Fuß gegangen und an einer Bushaltestelle vorbeigekommen. Als ich vorbei war, habe ich mich noch einmal umgedreht. Ich bin zurückgegangen. Irgendwas war seltsam an der Bushaltestelle.
AD: Was war denn da?
CS: Die Bushaltestelle war leer. In der Mitte sind ja immer mehrere unbequeme Hocker an der Wand. Sie hängen in der Luft. In dieser Haltestelle standen rechts und links von diesen Metallhockern zwei Stühle. Ganz bequem, mit gedrechselten Holzbeinen, geschwungenen Lehnen und einem dicken Polster mit Blumenmuster.
AD: Also Küchenstühle?
CS: Guck mal, ich habe ein Bild hier.
AD: Wirklich wie Küchenstühle!
Ich sehe da noch etwas. Vorne ist ein ganz abgewrackter Mülleimer. In der Glasscheibe spiegelt sich die Straße. Man sieht mehr von der Straße in der Spiegelung als in der Wirklichkeit.
CS: Über den Hockern hängt der Fahrplan. Ich sehe, dass Autos auf der Straße unterwegs sind. Es ist laut, es ist eine Bushaltestelle.
AD: Diese Küchenstühle passen da eigentlich gar nicht hin. Weißt du, woran sie mich erinnern?
CS: Nein, woran?
AD: An die Küchenstühle von meiner Oma. Die sahen genauso aus. Und es gab noch eine Eckbank dazu. Das war schön in ihrer Küche, wenn wir da am Tisch saßen.
CS: Warum?
AD: Weil wir erzählt haben und gegessen und gespielt. Alles an diesem Tisch. Wir haben aus der Schule berichtet und sie hat von früher erzählt. Wir haben überlegt, was wir zusammen machen. Es war so richtig Geborgenheit.
CS: Vor meinem inneren Auge sitzen an der Bushaltestelle Leute auf den weichen Stühlen. Die Mitte ist frei. Ich stelle mir vor, was sie sagen:
X: Ist die 21 schon durch?
Y: Keine Ahnung. Ich muss in die 12.
X: Ich muss die 21 unbedingt kriegen! Wenn ich die verpasse, ist meine Mutter wieder sauer. Sie wird mir gar nicht die Tür aufmachen. Wenn ich nicht Punkt zwölf Uhr da bin, macht sie nicht auf. Schon schwierig mit den alten Leuten.
Y: Hm.
X: Gucken Sie mal, was ich gekauft habe. Hier, der Schlafanzug. Ob ihr der gefallen wird?
Y: Keine Ahnung.
X: Und die Bluse mit den rosa Punkten. Ich glaube, die wird sie mögen. Ich mache mir Sorgen um sie. Ich komme da hin und bringe ihr die schönen Sachen mit. Aber wenn ich am nächsten Tag wieder anrufe, sagt sie: Das ist ja toll, dass du dich auch mal meldest! Seit einer Woche habe ich nichts von dir gehört!
Y: Das ist schlecht.
X: Sie sind wohl nicht so gesprächig heute?!
Y: Tut mir Leid! Es war einfach ein richtig dummer Tag. Eigentlich bin ich gar nicht so. Aber ich habe verschlafen und dann kam ich zu spät und dann hat mein Chef gemeckert und dann hat das Internet nicht funktioniert. Einfach gar nichts hat geklappt. Und jetzt bin ich auch schon wieder zu spät dran.
X: Und dann sitzt hier noch so eine und textet Sie zu. Tut mir wirklich Leid!
Y: Nein, so meinte ich das gar nicht. Ich… bin auch auf dem Weg zu meiner Mutter. Die ist auch ganz schön schwierig. Wenn ich komme, sagt sie: Ach, kommst du auch mal? Dann will man eigentlich am liebsten schon wieder gehen.
X: Das kann ich mir vorstellen. Ich kenne es. Man hat dauernd ein schlechtes Gewissen, obwohl man weiß, dass man sich um sie kümmert und sie liebhat.
Y: Ja, aber irgendwie ist es dann so, als ob es doch nicht genug ist. Und dann ist es schwierig. Sie kennen das ja.
X: Oh, die 21 kommt. Ich wünsche Ihnen alles Gute bei Ihrer Mutter!
Y: Gleichfalls.
CS: Der Bus ist gekommen. Die eine Person ist eingestiegen. Das Gespräch ist zu Ende. Ich denke noch darüber nach. Die Stühle mit dem Polster, die Einladung, sich zu setzen und zu erzählen, erinnern mich an ein Bibelwort: „Gastfrei zu sein, vergesst nicht. So haben einige ohne ihr Wissen schon Engel beherbergt.“ Hebräer 13,2
AD: Wo kann ich heute jemandem einen Stuhl hinstellen?
Taizégottesdienst-Team; notiert von Sandra Beverungen und Maj Sylvester Audio direkt unter diesem Beitrag
I. Jona 1,1-3 Das Wort des Herrn kam zu Jona, dem Sohn des Amittai: »Auf! Geh nach Ninive, in die große Stadt, und rede ihr ins Gewissen! Ihr böses Tun ist mir zu Ohren gekommen.« Da machte sich Jona auf den Weg, aber genau in die andere Richtung. Er wollte vor dem Herrn nach Tarsis fliehen. Als er in die Hafenstadt Jafo kam, lag dort ein Schiff, das nach Tarsis fuhr. Er zahlte den Fahrpreis und stieg ein, um mit den Seeleuten nach Tarsis zu gelangen. So glaubte er, dem Herrn aus den Augen zu kommen.
Impuls 1: Weglaufen. „Auf! Geh und verkündige den Menschen…!“ Wenn ich mir vorstelle, dass Gott mir so einen Auftrag geben könnte, steht mir der kalte Schweiß auf der Stirn. Dafür muss ich nicht einmal Angst davor haben, öffentlich zu reden; der bloße Gedanke, so schlechte Nachrichten zu überbringen, lässt mich erstarren. Was Menschen mit denjenigen machen, die solche Nachrichten verkünden, haben wir doch im letzten Jahr oft genug gesehen; Gewalt, Verleumdung, Zorn.
Ich verstehe total, warum Jona die Flucht ergreift, ganz weit weg und bloß in die andere Richtung. Jona ist menschlich. Ich würde genauso handeln.
· Wo hast du dich in letzter Zeit einer Aufgabe nicht gestellt?
· Wovor bist du weggelaufen?
II. Jona 1,4-12 Doch der Herr ließ einen starken Wind losbrechen, der über das Meer fegte. Der Sturm wurde immer stärker, und das Schiff drohte auseinanderzubrechen. Die Matrosen fürchteten sich und schrien um Hilfe, jeder betete zu seinem eigenen Gott. Dann begannen sie, die Ladung über Bord zu werfen, um das Schiff zu entlasten. Jona aber war nach unten in den Frachtraum gestiegen. Er hatte sich hingelegt und war eingeschlafen. Da ging der Kapitän zu ihm hinunter und sagte: »Wie kannst du nur schlafen? Auf! Bete zu deinem Gott! Vielleicht ist er der Gott, der uns retten kann. Dann müssen wir nicht untergehen!«
Die Matrosen sagten zueinander: »Auf! Lasst uns Lose werfen! Sie werden uns sagen, wer schuld daran ist, dass dieses Unglück uns trifft!« Also ließen sie das Los entscheiden, und es traf Jona. Da fragten sie ihn: »Sag uns doch: Wer ist schuld an diesem Unglück? Bist du es? Was ist dein Beruf? Woher kommst du? Wo bist du zu Hause? Aus welchem Volk stammst du?« Er antwortete ihnen: »Ich bin ein Hebräer. Ich verehre den Herrn, den Gott des Himmels. Er hat das Meer und das Festland geschaffen.« Da ergriff die Männer große Furcht, und sie sagten zu ihm: »Was hast du nur getan!« Denn die Männer hatten von seiner Flucht erfahren. Er hatte ihnen erzählt, dass er vor dem Herrn floh. Sie fragten ihn: »Was sollen wir mit dir tun, damit sich das Meer beruhigt und uns verschont?« Denn die See tobte immer wilder. Da sagte er zu ihnen: »Nehmt mich und werft mich ins Meer! Dann wird es sich beruhigen und euch verschonen. Denn ich weiß, dass es allein meine Schuld ist, dass ihr in dieses Unwetter geraten seid.«
Impuls 2: Sich stellen oder flüchten. Wenn ich mein Handy entsperre, sind sie immer da: Die Benachrichtigungen. WhatsApp, Emailprogramm oder SMS-Nachrichten. An manchen Tagen fühle ich mich zu erschöpft, um sie zu beantworten, also ignoriere ich sie. Und dann werden es mehr und mehr und mehr. Wenn ich wieder draufschaue, wurde aus der einen Nachricht, die mir zu ungemütlich war, ein Dutzend, vielleicht sogar zwei. Dann weiß ich gar nicht mehr, wo ich anfangen soll und am liebsten würde ich mich unter meiner Decke vergraben. Aber ich weiß: Es wird nur noch schlimmer.
Jona weiß, dass er Schuld hat. Ich weiß, dass ich Verpflichtungen habe. Prokrastination, also Aufschieben und inzwischen etwas anderes tun, macht es nur schlimmer. Am Ende muss man sich dem stellen, was man tut.
Tut Jona das hier? Stellt er sich – oder ist ins Meer geworfen werden nicht die ultimative Flucht? Im Tod, denkt er, zumindest da bin ich vor Gott sicher!
· Wie gehst du mit deiner eigenen Schuld um?
· Wie gehen andere mit deiner Schuld um?
III. Jona 1,13-2,11 in Auswahl Die Männer aber versuchten, mithilfe der Ruder das Festland zu erreichen. Doch sie schafften es nicht, denn die See tobte immer wilder gegen sie. Da schrien sie zum Herrn und beteten: »Ach, Herr, lass uns nicht untergehen, wenn wir diesen Mann jetzt ins Meer werfen! Gib uns nicht die Schuld an seinem Tod! Denn du bist der Herr! Wie es dein Wille war, so hast du es getan.« Dann packten sie Jona und warfen ihn ins Meer. Sofort beruhigte sich die See und hörte auf zu toben. Da ergriff die Männer große Furcht vor dem Herrn. Sie brachten dem Herrn ein Schlachtopfer dar und legten Gelübde ab.
Der Herr aber schickte einen großen Fisch, der Jona verschlang. Und Jona war drei Tage und drei Nächte lang im Bauch des Fisches.
Im Bauch des Fisches betete Jona zum Herrn, seinem Gott.
Da befahl der Herr dem Fisch, Jona an Land zu bringen. Dort spuckte der Fisch ihn aus.
Impuls 3: Neu anfangen. Die Geschichte endet offen. Wer sich noch an seine Zeiten im Kindergottesdienst erinnert oder einfach bibelfest ist, weiß, wie es weitergeht, doch für uns endet die Lesung heute hier.
Jona wollte die ultimative Flucht ergreifen, aber Gott hat selbst das nicht zugelassen. Er hat einen Plan für Jona und an dem hält er fest. Das kann man als grausam empfinden – wenn Gott meinen Weg vorgibt, habe ich dann überhaupt eine Wahl?
Aber was Gott tut, kann auch eine Befreiung sein:
Gott lässt Jona nicht sterben. Er ist ein Gott des Lebens und er bewahrt Jona, selbst nach dessen Ungehorsam.
Besonders in der katholischen Kirche ist das „Zeichen des Jona“ das Zeichen der Taufe: Jona stirbt, als er ins Meer stürzt und vom Wal verschluckt wird. Drei Tage lang ist er tot; drei Tage bis zur Auferstehung Jesu. Dann spuckt der Wal ihn wieder aus. Jona ist wieder lebendig und wie Jona werden auch wir lebendig sein.
Paulus schreibt das im Brief an die Gemeinde in Rom so: „Ihr wisst doch: Wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, sind einbezogen worden in seinen Tod. Und weil wir bei der Taufe in seinen Tod mit einbezogen wurden, sind wir auch mit ihm begraben worden. Aber Christus wurde durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt. So werden auch wir ein neues Leben führen.“ (Römer 6,3-4)
Gott ist ein Gott der Gnade: Er vergibt uns unsere Schuld. Wenn wir lieber die Flucht ergreifen, als uns unseren Aufgaben zu stellen, vergibt er uns.
Viel mehr noch: Gott schenkt uns die Kraft, um die Emails im Postfach zu beantworten; und ebenso zeigt er uns einen Weg, in dem wir uns den Menschen zuwenden können, denen wir Unrecht getan haben.
Dafür steht die Taufe und dafür steht Jona.
· Wo ist dir einmal das Leben neu geschenkt worden?
Sabine Koch arbeitet im sozio-kulturellen Dienst des SenVital Senioren- und Pflege-zentrums Göttingen Luisenhof. Ihr Engagement gilt den kulturellen und spirituellen Angeboten und den Begegnungs-möglichkeiten im Luisenhof. Wie gut, dass es sie gibt! Das spüren wir besonders in Corona-Zeiten, da Besuche im Haus nur eingeschränkt möglich sind. Unter anderem bereitet Frau Koch mit dem sozio-kulturellen Dienst Feste und Feiern vor, lädt zum gemeinsamen Singen und Bibelgespräch ein. Ich kenne Sabine Koch aus einer Reihe von Hausgottesdiensten und Andachten. In der Christophoruskirche hat sie schon etliche Gottesdienste als Organistin begleitet.
Lukas 15,11-24 Und Jesus sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie. Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen.
Als er aber alles verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm. Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich einem deiner Tagelöhner gleich!
Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße und bringt das gemästete Kalb und schlachtet's; lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein. Lukas 15,11-24
Das ist für mich eine wunderbare Geschichte, die ich gerne lese, Gottes Liebe und Gnade und Barmherzigkeit, die in den offenen Armen gezeigt wird. Immer wieder zurückzukommen zu Ihm, das ist eine so großartige Botschaft, die ich mir immer wieder gerne sagen lasse, und die mich tröstet, wenn ich mich irgendwie verloren fühle.