Freunde. Gedanken zu Johannes 20,21

Wed, 16 Jun 2021 19:34:05 +0000 von Charlotte Scheller

von Charlotte Scheller.
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Was ist ein Freund? 
Einer, der nicht weit weg wohnt, sagt ein Kindergartenkind. Eine, mit der ich mich nachmittags zum Spielen treffe. Freunde teilen den Geburtstagskuchen, sagt ein Junge. Und helfen sich. Ja, sagt ein Mädchen. Meine Freundin ist krank. Ich kann nicht zu ihr. Ich habe sie angerufen. Sie hat sich gefreut.

Wenn du jemand lange kennst, sagt eine Freundin, ist es, als ob ihr eine eigene Sprache sprecht. Wie in einer Familie. Wichtig ist, dass ihr zusammen lachen könnt. Und, auch wenn ihr lange nicht miteinander gesprochen habt, nach einer Minute ist es wieder vertraut. Als ob ihr euch gestern gesehen hättet. 
 
Freunde können sich nah sein wie Geschwister. Auch wenn sie grundverschieden sind. Weil Gegensätze sich anziehen. Weil Freunde einander ergänzen. Weil einer den andern trägt. Und eine Freundin einem auch Unbequemes sagen darf. Wer, wenn nicht sie?
 
Eine Freundschaft verträgt einen Streit. Siebenmal siebzig Mal, hat Jesus gesagt, sollst du deinem Bruder vergeben. Hundertmal hab ich zu meiner Freundin gesagt, als wir sieben waren, ich spiel nie wieder mit dir. Nie, nie mehr! Bis zum nächsten Tag. Da waren wir wieder die besten Freundinnen.
 
Auf einen Freund kann ich mich verlassen. Nicht dass er immer gut finden muss, was ich sage und tue. Aber er ist für mich da. Gerade dann, wenn ich mich selbst nicht leiden kann. Deshalb schmerzt kaum etwas mehr als der Verrat eines Freundes.
 
Freundschaften kennen Höhen und Tiefpunkte. Ich habe mich abgefreundet, sagte eins unserer Kinder mit fünf. Als Große be- und entfreunden wir uns bei Facebook, werden Sports-, Musik- oder Kunstfreundinnen auf Zeit oder gehören zum Freundeskreis einer Hilfsorganisation. 
 
Was, wenn die Freundschaft versiegt, wenn nicht mehr trägt, was euch einst verbunden hat? Es gibt Zeiten ohne Freunde, du fühlst dich allein, irgendwie fremd auf der Welt, als ob du nirgends richtig dazugehörst. Und ja, manchmal passiert das ausgerechnet dann, wenn du ganz dringend jemand bräuchtest. Jesus hat das erfahren, als er festgenommen wurde, zu Unrecht beschuldigt, zum Tod verurteilt. Kein Freund kannte ihn mehr. Kaum ein Wunder, dass er sich auch von Gott verlassen fühlte.
 
Aber. Das Freundschaftsflämmchen ist nicht ausgegangen. Als sie trauerten um ihn, als er offensichtlich tot war, ist es wieder aufgeflammt. Den glimmenden Docht will ich nicht auslöschen, hat Gott vor Urzeiten seinem Volk im Exil sagen lassen durch die Propheten, auch so eine Freundschaftsdurststrecke. Und dann wieder, nach Ostern. Der auferstandene Jesus ruft alle zusammen, die Freunde, die ihn im Stich gelassen haben, verraten, verkauft oder bloß nicht mehr gekannt. Er sagt: Geht und erzählt von mir. Sagt weiter, dass ich immer da bin. Auch am Ende der Welt. Zu allen seiner zeitweiligen Freunde sagt er das. Unabhängig vom Grad ihrer Treue. Nicht gekränkt von denen, die sich abgefreundet haben. Gleich wie mich der Vater gesandt hat, sagt er, so sende ich euch
 
Ohne Freunde sein ist Mist, keine Frage. Aber selbst wenn ich es bin über eine kurze oder lange Strecke, kann ich immer noch schauen, wohin er mich sendet. Wem ich Freundin sein kann für diesen Tag, diese Stunde, diesen Augenblick. In Jesu Namen. Amen.
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