Es ist was es ist sagt die Liebe - Impulse von Thorsten Rohloff zum Predigttext

Sat, 12 Jun 2021 12:50:28 +0000 von Charlotte Scheller

1. Korinther 14,1-12 
Strebt nach der Liebe! Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber darum, dass ihr prophetisch redet!
Denn wer in Zungen redet, der redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott; denn niemand versteht ihn: im Geist redet er Geheimnisse.
Wer aber prophetisch redet, der redet zu Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung.
Wer in Zungen redet, der erbaut sich selbst; wer aber prophetisch redet, der erbaut die Gemeinde.
„Es ist was es ist sagt die Liebe“, Erich Fried war Anfang 30, als er mit seiner Prophetie verstörte. Wie schon Paulus etwa um das Jahr 55 nach Christus. Was wäre bloß ohne die Liebe, Basis und Fluchtpunkt des Lebens zugleich? Paulus geht der Frage nach, wie heute die christliche Botschaft gehört werden kann. Verständlich und überzeugend vom Glauben in der heutigen Welt zu sprechen, bringt Herausforderungen mit sich. Wie fremd kirchliche Sprache doch manchmal klingen kann. Was meint eigentlich „Zungenreden“? Woran merke ich den Unterschied zwischen Zungenrede und prophetischer Rede? Und was hat das mit dem Gemeindeleben und überhaupt mir zu tun?
 
Ich möchte, dass ihr alle in Zungen reden könnt; aber noch viel mehr, dass ihr prophetisch redet. Denn wer prophetisch redet, ist größer als der, der in Zungen redet; es sei denn, er legt es auch aus, auf dass die Gemeinde erbaut werde.
Nun aber, Brüder und Schwestern, wenn ich zu euch käme und redete in Zungen, was würde ich euch nützen, wenn ich nicht mit euch redete in Worten der Offenbarung oder der Erkenntnis oder der Prophetie oder der Lehre?
Die Klimaaktivistin mit dem Asperger-Syndrom aus Schweden, Greta Thunberg, zeigt sich als eine Prophetin unserer Tage. Keine Lyrikerin, keine Predigerin, aber eine, die messerscharfe Worte furchtlos gebraucht: „Ich kann es nicht ertragen, wenn jemand etwas sagt und dann etwas anderes tut“, wird sie zitiert. Ich bin davon fasziniert. Nicht nur von der jungen Greta, mehr noch von einer Zeitenwende, die durch engagierte Jugendliche und junge Erwachsene und die Fridays-for-Future-Bewegung markiert wird. Prophet*innen, Klimaaktivist*innen, Christ*innen – ja, Menschen mit erkennbarer, klarer Haltung sind nicht überall gern gesehen, oder doch?
 
So verhält es sich auch mit leblosen Instrumenten, es sei eine Flöte oder eine Harfe: Wenn sie nicht unterschiedliche Töne von sich geben, wie kann man erkennen, was auf der Flöte oder auf der Harfe gespielt wird?
Und wenn die Posaune einen undeutlichen Ton gibt, wer wird sich zur Schlacht rüsten?
So auch ihr: Wenn ihr in Zungen redet und nicht mit deutlichen Worten, wie kann man wissen, was gemeint ist? Ihr werdet in den Wind reden.
Der Apostel Paulus möchte wohl, dass möglichst alle Christen und Christinnen prophetisch reden. Und dabei selbst von „Kirchenfernen“ und im Blick auf andere Lebens- und Weltanschauungen verstanden werden. Wie soll das gehen? 
Wer von seinem Glauben weitererzählen möchte, kommt nicht umhin, das Leben mit denen zu teilen, die er zu erreichen versucht oder begleitet. Wer die Sorgen und Nöte, die Ängste und das Leid, die Sehnsucht und Hoffnungen derer nicht kennt, denen er wo auch immer begegnet, der wird wohl kaum verstanden werden und nur wenig Resonanz finden.
 
Es gibt vielerlei Sprachen in der Welt, und nichts ist ohne Sprache.
Wenn ich nun die Bedeutung der Sprache nicht kenne, werde ich ein Fremder sein für den, der redet, und der redet, wird für mich ein Fremder sein.
So auch ihr: Da ihr euch bemüht um die Gaben des Geistes, so trachtet danach, dass ihr sie im Überfluss habt und so die Gemeinde erbaut.
Ich bin gemeint! Wir als Gemeinde sind gemeint. Ja. So ist es wohl: Die Wahrheit nervt. „Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt“; es sieht so aus, als wäre Erich Fried darauf gekommen. Wer will, dass „die Kirche“ so bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt …!?
Die Wahrheit zu erkennen – welche Wahrheit eigentlich? – und diese zu benennen zu versuchen, bedeutet jedoch nicht automatisch, dass sich damit die Zeit der Veränderung Bahn bricht. Und auch wenn Paulus im Gemeindeleben, im Gottesdienst die prophetische Rede der Zungenrede vorzieht, so gehören doch beide zusammen.
So sollten wir uns immer wieder fragen lassen, wie wir unsere Sprachlosigkeit überwinden können, wie Veränderung in die Welt, letztlich in unsere konkrete Lebenswelt und in unsere Gemeinden kommt. Der heutige Predigttext mag uns vielleicht daran erinnern: Nicht die Propheten nerven, Gott und seine Wahrheit nerven. Er nervt aus lauter Liebe. Gott sei Dank!
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