Mittwochsgedanken von Charlotte Scheller Audio unter diesem Beitrag
Ich brauche keine Kirche, sagen mir manchmal Leute. Wenn ich draußen bin, im Wald oder am Meer oder nachts unterm Sternenhimmel, fühle ich mich Gott am nächsten. Ich finde, sie haben nicht unrecht. Natürlich kann man überall beten. Gott ist ja nicht nur in der Kirche oder im Himmel oder irgendwo, sondern eben auch überall. Aber manchmal brauche ich doch einen Ort, an dem ich mich konzentrieren kann. An dem schon andere gebetet haben. Als ich einmal im Krankenhaus war, bin ich in die Krankenhauskapelle gegangen. Ich wusste nicht, was ich beten soll, deshalb habe ich nur gesagt: Ich bin hier, Gott, du weißt ja, wie es mir geht. Hinterher habe ich mich besser gefühlt, nicht mehr so allein.
Unsere Glaubensvorfahren haben riesige Kirchen erbaut. Generationen von Baumeistern und Handwerkern haben daran mitgewirkt. Lehrjunge, Geselle oder Meister, alle hatten an diesem Kirchbau Anteil. Unbedeutend oder einflussreich, sie gehörten zu diesem Gott, dessen Haus höher war als jedes andere Gebäude der Stadt.
Ähnlich hat wohl König David gedacht vor etwa 3000 Jahren. Seine Vorfahren waren Nomaden gewesen und hatten in Zelten gewohnt. Gott war da, wo sie waren. Mit ihnen unterwegs. In der Wüste. Im Gelobten Land. In der Bundeslade wohnte Gottes Herrlichkeit. In einem heiligen Zelt. Nur der Priester durfte hinein. Dann waren sie sesshaft geworden. König David war reich und hatte sich einen Palast gebaut. Und als er sich zurücklehnen wollte und das neue Zuhause genießen, fiel ihm ein: Gott wohnt immer noch im Zelt.
Allmächtiger, sagte er zu Gott, das kann nicht angehen: Ich, der König von Israel, wohne in einem Palast aus Zedernholz mit silbernen Türgriffen. Und du, der Herr über Himmel und Erde, musst immer noch zelten! Ich will dir ein Haus bauen mit goldenen Türgriffen und noch höher als mein Palast, damit klar ist: Du bist der Herr.
Nein, sagt Gott. Danke. Wer bist du denn, dass du mir ein Haus bauen willst und bestimmen, dass ich da einziehe? Ich habe dich geschaffen und alles, was lebt. Wenn, dann baue ich dir ein Haus, nicht umgekehrt! Ohne mich kannst du gar nichts bauen. Nichts wächst ohne meinen Segen! Soll ich mir Vorschriften machen lassen, wo ich wohne? Vielleicht später einmal, wenn ihr unbedingt ein Haus braucht zum Beten. Bis dahin könnt ihr mich in meinem Zelt antreffen. Und überall. Ein Zelt passt mir gut, es zeigt, dass ich immer unterwegs bin. Nicht nur in der Kirche. Oder im Tempel. Ich bin bei meinen Leuten. Ich gehe mit euch überall hin. Und ich lasse mich absolut nicht festlegen, wo ich zu wohnen habe!
Auch das Dach der Christophoruskirche erinnert an ein Zelt. Unser Kirchturm ist nicht hoch. Die Kirche ist nicht für die Ewigkeit gebaut. Vor gut zwanzig Jahren musste sie eine Zeitlang geschlossen werden. Das Dach war einsturzgefährdet. Es wurde repariert, die Kirche wieder geöffnet. Sie bleibt ein Ort, an dem wir Gott begegnen können. Einen Moment Platz nehmen. Das Kreuz betrachten und das Licht, das durch die Fenster fällt, zu jeder Stunde in anderen Farben. Zur Ruhe kommen in dem Raum, in dem schon so viel gebetet wurde, getrauert, gefeiert, gedankt. Allein sein oder andere treffen, die beten wollen oder nachdenken, ihre Sorgen bei Gott abladen, sich in Seine Gegenwart stellen, gesegnet werden.
Wenn Sie etwas haben, das Sie Gott anvertrauen wollen, einen Menschen oder einen Gedanken, treten Sie ruhig ein. An einem Vormittag. An einem Donnerstagnachmittag. Wenn die Tür verschlossen ist, melden Sie sich, wir öffnen gern. Zünden Sie eine Kerze an. Oder sagen Sie einfach, laut oder leise: Ich bin hier, Gott. Du weißt, wie es mir geht. Amen.
von Pastor Joel Nagel, Lektor Thomas Plate, Pastorin Charlotte Scheller. Audio unter diesem Beitrag
In Warteposition - Impuls von Pastor Joel Nagel
Liebe Gemeinde,
im Schöpfungsbericht erschafft und ordnet Gott das Urchaos. Es erzeugt auch das Licht, das die Dunkelheit erhellt.
Heute leben wir in einer Gesellschaft mit vielen künstlichen Lichtern. Doch statt zu erhellen, verdunkeln diese Lichter unseren Alltag. Ich denke zum Beispiel an das Licht eines Handys, eines Computers oder eines Fernsehers. Diese elektronischen Geräte nehmen uns die Möglichkeit, unsere Realität zu sehen. Ich denke auch an die Lichter, die von Schusswaffen in den verschiedenen Teilen der Welt erzeugt werden, wo es Kriege oder Massaker gibt. Diese Artefakte nehmen uns die Möglichkeit, unser Leben zu entwickeln.
Unsere Realität und Gesellschaft zu überdenken, ist eine notwendige Aufgabe. Klimawandel, Flüchtlinge, Migranten, Menschen, die wegen ihrer Ideen verfolgt werden, die mangelnde Empathie gegenüber anderen sowie unsere Verbundenheit mit dem Virtuellen und unsere Loslösung vom Persönlichen erfordern – unsererseits – ein erneutes Lesen der biblischen Geschichten.
Ich glaube, so wie die Dunkelheit mit der Nacht kommt, scheint auch unsere Gesellschaft von der Dunkelheit des Flüchtigen und Vergänglichen bedeckt zu sein, von dem, was Chaos bringt und die Schöpfung und uns daran hindert, sich mit und in Freiheit zu entwickeln.
Aus Liebe ist Gott, der Schöpfer, in seinem Sohn Jesus Christus Mensch geworden, um mit seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung Heil und Erlösung für seine Geschöpfe zu wirken. In Jesus Christus und durch seinen Heiligen Geist hat er uns ermutigt, uns nicht von künstlichen Lichtern und Schaufenstern blenden zu lassen, sondern unseren Glauben und unsere Liebe zu anderen in die Tat umzusetzen. Gott erinnert uns daran, dass es seine Liebe ist, die sich ganz in Jesus Christus zeigt, die unsere abgenutzte Welt neu erschafft, ordnet und formt, damit jeder seinen Platz hat und in Freiheit leben kann.
Gott verlässt uns nie, Er geht an unserer Seite. Und doch haben wir gewöhnlich die Tendenz, den Vorschlag abzulehnen, den er uns macht, unsere Lebensweise zu ändern und sein Evangelium der Liebe und Auferstehung zu verkörpern.
Deshalb können wir, während wir auf das Licht warten, glauben, dass es nur Dunkelheit gibt, dass wir mitten in der Dunkelheit wandeln. Zum Teil ist es so und wird so bleiben, solange wir uns nicht daran erinnern, dass in Christus ständig Licht in die Welt kommt.
In Jesus Christus wird Gottes Verheißung Wirklichkeit und die Spirale von Gewalt, Tod, Zerstörung, Egoismus, Chaos und Dunkelheit endet für immer. Wir müssen es nur glauben und in diesem Glauben täglich leben. Dann wird die Verzweiflung zu einem aktiven Warten auf denjenigen, der Licht und volles Leben bringt, auf den, der erschafft und erlöst.
II. In Bewegung - Impuls von Thomas Plate
Mitten in Afrika; sein Leben lang wollte er in einem Cadillac fahren. Nun bauen ihm die Tischler einen Sarg in Form eines strahlend weißen Cadillacs. So erfüllen sich Träume noch im Tod.
In den Gospels „Good News“ und „Swing Low“ spielt ein „chariot“ eine wichtige Rolle. Übersetzen kann man dies mit „Kutsche“, aber auch mit „Streitwagen“, so einem, mit dem der Prophet Elia vor den Augen seines Nachfolgers Elisa in den Himmel fuhr.
Und so geht es auch um das „In den Himmel kommen“ in diesen Liedern. Sehr starke Bilder in den Zeiten der Sklaverei, als diese Lieder entstanden. Ich werfe einen Blick über den Jordan. In dem Lied erinnert der Jordan an den Ohio River. An seinem Nordufer begann das Gebiet, in dem es keine Sklaverei gab. Ich werde gerettet, wenn nicht in diesem Leben, dann nach dem Tod. Ich werde in den Himmel, nach Hause gefahren in einer Kutsche. Was mag das für einen leibeigenen Arbeiter auf einer Plantage bedeutet haben, für jemanden, der ganz unten steht in der gesellschaftlichen Ordnung: Ich werde nicht zurückgelassen, ich habe ein festliches Gewand, eine lange weiße Robe, ich bin angenommen. Angekommen in Gottes Reich wie in einem Festsaal der Reichen, zu dem ich hier in diesem Leben keinen Zutritt habe. Ich werde zu Ihm in die Ewigkeit fahren, eine Gruppe Engel wartet auf mich, wie die Bediensteten meines Besitzers hier auf Erden Spalier stehen für die Gäste aus der vornehmen Gesellschaft! Die lange weiße Robe ist mein Taufkleid, sie ist das Zeichen: Ich bin ein unbeschriebenes Blatt, ein neuer Mensch. Ich gehöre zu Ihm und werde bei Ihm sein, mit goldenen Schuhen und einer glänzenden Krone. Ich bin ein Königskind!
Diese Bilder mögen uns heute nicht mehr so beeindruckend oder kraftvoll erscheinen, wir haben andere. Aber die Lieder laden mich ein, mir bewusst zu werden, dass Gott mich von Anfang an geliebt und begleitet hat. In der Taufe bin ich mit Ihm, seiner Gnade und Liebe verbunden und mein Weg findet, wie auch immer Gott mich führt, schlussendlich in der Ewigkeit sein Ziel, in Gottes liebenden Armen. Meine Hoffnung orientiert sich an all den Zusagen und dem Segen aus Seinem Wort, der Bibel: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ sagt Jesus von sich (Johannes 14,6) und spricht uns zu: „Ich bin bei Euch alle Tage, bis an der Welt Ende“ (Matthäus 28,20).
Das macht mir Mut und Zuversicht und hoffentlich Euch allen auch.
„Swing low, sweet chariot, coming for to carry me home”. Süßer Himmelswagen, du kommst und bringst mich nach Hause. Einmal in der Ewigkeit. Und jetzt schon in jeder Stunde des Tages. Weil ich überall zu Hause bin, wenn Gott bei mir ist in Jesus.
Also: Ganz egal ob himmelhoch jauchzend oder tief betrübt oder irgendwo zwischendrin: Gott ist und bleibt derselbe. Er sagt Ja zu mir. Ich will mich auf den Weg machen, auf dem Weg bleiben, in Bewegung bleiben, vorwärtskommen durch mein ganzes Leben im Glauben an Gott den Herrn, bis ich eines Tages in einer schönen Kutsche in den Himmel fahre. Oder gefahren werde.
III. Aus dem Wasser gezogen – Impuls von Charlotte Scheller
Wir feiern wieder eine Taufe. Unser Täufling hat sich intensiv mit den Glaubenssachen beschäftigt. Eine alte Bibel hat ihn immer schon begleitet, die hat er von seiner Oma bekommen. Er hat schwere Zeiten erlebt. Ist auf seine Weise am Ende der Welt gewesen. Er ist durch Täler und Schluchten gegangen auf seinem Weg bis hier. Er hat Leute in Not und mit Schuld getroffen und Leute mit einem großen Herzen und offenen Händen. Bei manchen kam auch alles zusammen, Not und Schuld und ein großes Herz.
„I‘m going to lay down my burden down by the riverside“, heißt es in dem einen Lied. Ich geh zum Fluss und lege da alles ab, was auf mir lastet. Stellen Sie sich vor, Sie tragen einen Riesenrucksack, Gepäck für drei Wochen, er reicht Ihnen vom unteren Rücken bis über den Kopf und unten baumeln noch schwere Stiefel dran. Die Riemen schneiden in Ihre Schultern, Sie gehen vorgebeugt, um nicht von der Last hintenüber gekippt zu werden. So sehen Sie nur anderthalb Meter weit, perfekter Abstand, aber selbst wenn Sie in den Bergen wären, hätten Sie keine Aussicht und am Meer würden Sie den Horizont nicht sehen. Sie schleppen den Rucksack bergab, zum Ufer eines Flusses. Jordan oder Ohio River oder wie der Fluss bei Ihnen heißen mag. Und da steht jemand, Mann oder Frau, sie hat beide Hände frei, sie sagt, komm her, tritt hinter Sie und nimmt Ihnen den Rucksack von den Schultern. Es dauert einen Moment, bis Ihr Körper begreift: Ich bin frei! Ihr Brustkorb füllt sich mit Luft. Dabei richtet sich der Rücken ein bisschen auf. Der Nacken zuletzt, dann der Kopf. Sie haben Aussicht plötzlich, Sie sehen die Frau, den Mann, der jetzt vor Ihnen steht, der Ihren Rucksack einfach abgestellt hat und nun eine Hand leicht auf Ihre Schulter legt. He, sagt dieser Mensch. Du bist frei! Was du mit dir herumgeschleppt hast, versenke ich im äußersten Meer. Deine Irrtümer. Deine Fehler. Deine Schuld und all das Unübersichtliche, in das du dich verstrickt hast - es liegt nicht mehr auf dir. Ab sofort ist es so weit weg von dir wie der Nordpol vom Südpol. Hier ist Wasser. Steig hinein. Tauch ganz unter. Was du vorher warst, versinkt. Ich reiche dir die Hand. Halt dich einfach nur fest! Ich zieh dich heraus.
Die Bibel hat er von der Oma geschenkt bekommen. Welches Geschenk könnte kostbarer sein? In seiner Bibel ist unserem Täufling ein Abschnitt besonders wichtig.
„HERR, erhöre mein Gebet, / vernimm mein Flehen um deiner Treue willen, erhöre mich um deiner Gerechtigkeit willen, / und geh nicht ins Gericht mit deinem Knecht; denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht. / HERR, erhöre mich bald, mein Geist vergeht; verbirg dein Antlitz nicht vor mir, dass ich nicht gleich werde denen, die in die Grube fahren“. Worte aus Psalm 143 (1+2+7). An diesen Worten hat er sich festgehalten, wenn er ganz unten war. Ein Notruf. Ein Schrei zu Gott oder zu irgendwem.
Hör mich doch! Nicht weil ich treu gewesen wäre, Gott, aber weil du treu bist. Nicht weil ich gerecht war, sondern weil du gerecht bist. Du richtest mich auf, du hast versprochen, das Geknickte aufzurichten. Du schickst mir einen Menschen, sammelst mich ein, erträgst es nicht, dass eines deiner Kinder verloren geht. Du lässt mich dein Angesicht sehen im Gesicht eines Menschen. Du lädst mich ein, mit Jesus zu gehen. Dem Mann, der den Sturm gestillt hat und das Meer ruhig gemacht. Du stillst den Sturm, der mich durchschüttelt, und machst mich neu. Das Wasser der Taufe sagt: Was ich vorher war, bleibt in der Tiefe. Weit weg von mir. Ich bin aus dem Wasser gezogen, die Grube ist keine Option. Ich kann leben, hier und jetzt, mit der Weite des Himmels im Blick, ich kann bis zum Horizont sehen. Keine Last ist zu schwer für ihn, den Gott mir schickt. Alles will er mir abnehmen. Keine Sehnsucht ist zu groß, kein Kummer zu banal. Alles will er sich anhören und mit mir teilen. Und sollte ich wieder ins Tiefe geraten, wird er mich suchen und wiederfinden und in die Arme schließen.
So ist Gott mit dem, den wir heute taufen, und mit jedem und jeder von uns. Amen.
16 Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. 17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. 18 Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. 19 Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes 20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
1. Sommer. Eine Wanderung in den Bergen. Ich gehe allein, in meinem Tempo. Trinke mein Wasser, verspeise meinen Proviant. Freue mich auf die Aussicht auf dem Gipfel.
Das Gewitter kommt plötzlich. Schwarze Wolken über mir. Da kommt mir einer entgegen. Wettergegerbtes Gesicht, Rucksack, Wanderstock, zwei Hunde. Der Mann sagt was auf Italienisch, zeigt zum Himmel und ich verstehe, ich muss mich beeilen, zurückzukommen zur Hütte. Der Gipfel muss warten. Der Mann pfeift den Hunden, ein Kommando und sie rennen davon in die felsigen Berge. Schnell sind sie außer Sichtweite. Dann kommen sie zurück und treiben ein Grüppchen Schafe vor sich her. Sie umkreisen sie dauernd, damit alle mitkommen, bis sie beim Schäfer sind. Der schickt sie wieder los. Drei-, viermal. Jedes Mal kommen sie mit ein oder zwei Schafen zurück. Bis ihr Herr zufrieden ist und mit der kompletten Herde Richtung Hütte zieht.
2. Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Die Jünger wurden nicht zurückgeschickt. Im Gegenteil. Jesus hat sie auf den Berg „beschieden“. Sie sind zu elft, einer fehlt von den Zwölfen. Angeschlagen als Truppe und als Einzelne. Jeder hat auf seine Art zu tun mit dem, was gewesen ist. Die drei Jahre mit Jesus. Seine Festnahme und sein Tod. Das leere Grab und die Botschaft des Engels: Er ist auferstanden und euch vorausgegangen nach Galiläa. Da werdet ihr ihn sehen. Wo der Ort des Wiedersehens ist, wird nicht gesagt. Ein Berggipfel in Galiläa. Da werden sie ihn sehen. Wie Mose Gott gesehen hat auf einem Berg. Wie Petrus mit zwei anderen Jesus verklärt gesehen hat auf dem Berg mit Mose und Elija. Auf dem Berg kann man Gott begegnen, wo man schwer hinkommt, wo Körper und Geist herausgefordert sind.
3. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. Sie wollten Jesus sehen. Jetzt fallen sie vor ihm nieder. Wie die Weisen an der Krippe vor dem neugeborenen Kind. Wie die Frauen am Morgen, als sie vom leeren Grab kamen mit Schrecken und ängstlicher Freude im Herzen, und ihn sahen. Jetzt, hier oben, fallen die Jünger vor Jesus nieder. Eine Huldigung. Du bist unser Herr! Eine Klärung: Du bist oben, wir sind unten. Eine Art, auf Abstand zu gehen. In die Augen schauen können sie ihm so nicht. Einige zweifeln. Einige der engsten Gefährten haben Zweifel. Das ist nicht neu. Erinnern wir uns an die Bootsfahrt auf dem See. Als der Sturm kam. Die Jünger wussten, Jesus ist hier. Er schläft hinten im Boot. Trotzdem hatten sie Todesangst. Herr, hilf, wir kommen um! Jesus nennt sie kleingläubig. Dann gebietet er dem Sturm und den Wellen, still zu sein. Sie zweifeln nicht daran, dass er da ist. Sie sehen ihn ja. Sie haben bloß Vorbehalte, ihr Leben ihm anzuvertrauen. Damals im Boot und jetzt auf dem Berg. Das kenne ich auch. Das Zögern, mich in seine Hände zu geben, von ihm die Rettung zu erwarten und das Heil, zuzugeben, dass ich mich nicht selbst retten kann. Dass auch die engsten Mitarbeiter Jesu so zweifeln, tröstet mich.
4. Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Jesus überwindet den Abstand. Er kommt ihnen nah. Nicht durch das, was sie von ihm sehen, sondern durch das, was er sagt. Meine Kraft, sagt Jesus zu seinen Leuten, umfasst Himmel und Erde. Sie ist von Gott. Sie reicht in jeden Winkel. Sie ist in euch. Darum gehet hin und lehret alle Völker. Also steht jetzt auf. Geht unter die Leute. Und zwar nicht bloß unter euresgleichen. Gottes Kraft soll weltweit wirken. Sein Heil soll zu allen Menschen gebracht werden. In jedem Winkel dieser Erde sollen sie etwas hören von Gottes Sohn, der sein Leben gegeben hat, um zu retten und zurückzubringen, was verloren war.
Lehret alle Völker. Das klingt nach Mission. Nach gewaltsamer Eroberung, nach Überstülpen einer Religion. Und so war es ja auch. So genannte „Mission“, das waren Kreuzzüge gegen Muslime, Völkermord an den Inkas, Kulturzerstörung indigener Völker. Dabei heißt Lehren eigentlich unterrichten, zu Schülern machen, zu Mitschülerinnen. Und das war und ist es auch. In einem Tal im Piemont habe ich ein kleines Schulhaus gesehen, von protestantischen Christen gebaut, die sich vor Verfolgung ins Gebirge geflüchtet hatten. Schon im 18. Jahrhundert gab es in dem Tal niemand mehr, der nicht lesen konnte. Die Waldenser unterrichteten jedes Kind mit Hilfe der Bibel.
In dem südindischen Dorf Mayiladuthurai haben Christinnen ein Internat aufgebaut für Mädchen, deren Eltern im Dezember 2004 im Tsunami umgekommen sind. Der Staat konnte sie nicht unterstützen. In der Schule fanden sie ein Zuhause, genug zu essen, medizinische Hilfe, eine Tagesstruktur, Feste und Gottesdienste. Manche von ihnen werden selbst Lehrerinnen. Die Schule besteht weiter. In Partnerschaft mit unserem Göttinger Kirchenkreis.
Jesus tritt herzu, kommt den Jüngern nahe, schickt sie los in die Welt. Seine Leute breiten Gottes Wort aus und helfen, dass Menschen einander verstehen über Grenzen hinweg. Damals und heute.
5. Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Die Taufe ist ein Geschenk. Stärkung für die Lebensreise. Lebendiges Wasser. Der Gute Hirte sammelt seine Schafe. Er will alle bei sich haben. Und die in seinem Namen unterwegs sind, laden andere ein, zu diesem wunderbaren dreieinigen Gott zu gehören. Dem Vater im Himmel. Dem Sohn und Hirten, der sein Leben für die Schafe gibt. Dem Heiligen Geist, der Christenmenschen über die Grenzen von Raum und Zeit verbindet. Die Taufe gibt es umsonst. Man braucht nichts dafür zu tun. Unser Täufling Oke ist ein schönes Beispiel dafür. Er erwartet zu Recht alles von seinen Eltern. Nahrung. Pflege. Liebe. All das dürfen wir von Gott erwarten. Ohne jede Gegenleistung. Taufet sie!
Erst dann kommt das Lehren. Wer getauft ist, will wissen, was es bedeutet, als Christ zu leben. Was hat Jesus geboten? Was in der ersten Bergpredigt gesagt wurde. Gewaltfrei reden und handeln. Armen gute Nachricht bringen. Nach Gerechtigkeit hungern und dürsten. Beten. Und was in den anderen Kapiteln von Matthäus steht: Dem Bruder, der Schwester vergeben. Die Ordnung der Welt auf den Kopf stellen. Die Kleinen groß machen. Mit Außenseitern essen. Nackte kleiden. Gefangene besuchen.
6. Wie können sie das schaffen? Wie können wir das schaffen? Ohne Jesus können die Jünger gar nichts tun. Ohne ihn können wir auch nichts tun! Aber: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Jesus geht nicht weg, er bleibt gegenwärtig in uns. Er schickt uns auf Weltreise. Ein unvollkommenes Team, wie die Elf. Aber sein Team! Wir werden Grenzen überwinden und uns selbst übertreffen. Wir müssen es weitersagen, bis alle es wissen. Der Machthaber, der Schöpfer der Welt bleibt bei uns für immer und ewig. Auch an den schlechten Tagen ist er da. Sogar in das Reich des Todes ist er hinuntergestiegen, damit klar ist, auch dorthin reicht seine Macht. Er will alle bei sich haben, auch die, die ihm verloren gegangen sind oder sich irgendwo verkrochen haben vor Sturm oder Unwetter oder weil sie schlechte Erfahrungen mit einem Hirten gemacht haben. Ich bin bei euch alle Tage!
Jesus ist da, wo wir in seinem Namen zusammenkommen. Und auch da, wo einer allein ist am Ende der Welt. Wo ein Unwetter über einem hängt. Wo einer Gott nicht sehen kann, wo der Weg steil ist und mühsam und ohne Ziel. Die vierte Welle. Eine Krankheit. Eine Riesenaufgabe. Oder gerade keine Aufgabe. Was auch immer für uns das Ende der Welt bedeutet - Jesus ist da. Sein Weg geht weiter mit uns. Wir könnten tausend Geschichten erzählen. Bis zum Ende der Welt. Amen.
von Charlotte Scheller. Audio unter diesem Beitrag
Aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es. Epheser 2,8
Zu ihren frühsten Erinnerungen gehört, wie die Großmutter mit ihr betet. Omas große Hände mit den schrumpligen, vom Kirschen-Entsteinen blaurot gefärbten Fingern, gefaltet über ihren kleinen Händchen. „Ich bin klein“, sprach sie ihr nach, „mein Herz mach rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein“. Die Kinderbibel hat sie später gern gelesen. Die Lieder gerne mitgesungen als Konfirmandin. Danach war Schluss mit Glauben. In der Schule sprachen sie vom Urknall. Und wenn sie den Sternenhimmel ansah mit seinen abertausend Galaxien - wo bitte war Gott?
Ich bin klein. Das alte Kindergebet der Großmutter hatte sie längst verworfen. In ihrem Herzen wohnte niemand. Schon gar nicht Jesus. Sie hat es sich und anderen nicht leicht gemacht als Vierzehn-, Fünfzehnjährige. Hat nicht recht in ihre Klasse gepasst. Hatte kaum Freundinnen und ständig Ärger mit den Eltern. Bloß erwachsen werden. Dein eigenes Leben leben. Endlich groß sein.
Ich bin klein. Das Gespräch mit Gott, das mit dem Großmuttergebet angefangen hat, ist trotzdem nie ganz abgerissen. Manchmal hat sie ein Stoßgebet zum Himmel geschickt. Bitte, bitte lieber Gott, lass es gut gehen. Eigentlich ziemlich unfair, fand sie selbst. Ich melde mich nur, wenn ich in Not bin. Aber es kam von ganz allein. Manchmal dachte sie: Kann sein, dass mich niemand leiden kann. Aber Gott weiß, dass ich ganz okay bin eigentlich. So wohnte er auf seine Art in ihrem Herzen, die ganze bescheuerte Zeit.
Dann stieß sie zu einer Jugendgruppe. Du bist willkommen, sagten die. Jeden Donnerstagabend wurde ein Bibelabschnitt gelesen. Sie stritt heftig mit ihnen, fast nie wurden sie einig über Gottes Wort. Zum Schluss wurde gesungen und gebetet. Sie spürte: Ich darf sein, wie ich bin. Auch sperrig. Es war kein Freundeskreis, sondern ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Sie ging hin, weil sie reden wollte, wegen der Lieder und Gebete, aus Gewohnheit. Irgendwann fand sie eigene Worte für ihren Glauben. Die Fragen wurden andere. Manchmal weiß sie nicht, wie sie beten soll. Sie weiß bloß, dass Gott an ihr festhält, die ganze Zeit.