Trag deine Last zum Fluss. Drei Impulse zur Gospelkirche

Sat, 17 Jul 2021 14:33:32 +0000 von Charlotte Scheller

von Pastor Joel Nagel, Lektor Thomas Plate, Pastorin Charlotte Scheller. Audio unter diesem Beitrag

In Warteposition - Impuls von Pastor Joel Nagel
Liebe Gemeinde,
im Schöpfungsbericht erschafft und ordnet Gott das Urchaos. Es erzeugt auch das Licht, das die Dunkelheit erhellt.
Heute leben wir in einer Gesellschaft mit vielen künstlichen Lichtern. Doch statt zu erhellen, verdunkeln diese Lichter unseren Alltag. Ich denke zum Beispiel an das Licht eines Handys, eines Computers oder eines Fernsehers. Diese elektronischen Geräte nehmen uns die Möglichkeit, unsere Realität zu sehen. Ich denke auch an die Lichter, die von Schusswaffen in den verschiedenen Teilen der Welt erzeugt werden, wo es Kriege oder Massaker gibt. Diese Artefakte nehmen uns die Möglichkeit, unser Leben zu entwickeln.
Unsere Realität und Gesellschaft zu überdenken, ist eine notwendige Aufgabe. Klimawandel, Flüchtlinge, Migranten, Menschen, die wegen ihrer Ideen verfolgt werden, die mangelnde Empathie gegenüber anderen sowie unsere Verbundenheit mit dem Virtuellen und unsere Loslösung vom Persönlichen erfordern – unsererseits – ein erneutes Lesen der biblischen Geschichten.
Ich glaube, so wie die Dunkelheit mit der Nacht kommt, scheint auch unsere Gesellschaft von der Dunkelheit des Flüchtigen und Vergänglichen bedeckt zu sein, von dem, was Chaos bringt und die Schöpfung und uns daran hindert, sich mit und in Freiheit zu entwickeln.
Aus Liebe ist Gott, der Schöpfer, in seinem Sohn Jesus Christus Mensch geworden, um mit seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung Heil und Erlösung für seine Geschöpfe zu wirken. In Jesus Christus und durch seinen Heiligen Geist hat er uns ermutigt, uns nicht von künstlichen Lichtern und Schaufenstern blenden zu lassen, sondern unseren Glauben und unsere Liebe zu anderen in die Tat umzusetzen. Gott erinnert uns daran, dass es seine Liebe ist, die sich ganz in Jesus Christus zeigt, die unsere abgenutzte Welt neu erschafft, ordnet und formt, damit jeder seinen Platz hat und in Freiheit leben kann.
Gott verlässt uns nie, Er geht an unserer Seite. Und doch haben wir gewöhnlich die Tendenz, den Vorschlag abzulehnen, den er uns macht, unsere Lebensweise zu ändern und sein Evangelium der Liebe und Auferstehung zu verkörpern.
Deshalb können wir, während wir auf das Licht warten, glauben, dass es nur Dunkelheit gibt, dass wir mitten in der Dunkelheit wandeln. Zum Teil ist es so und wird so bleiben, solange wir uns nicht daran erinnern, dass in Christus ständig Licht in die Welt kommt.
In Jesus Christus wird Gottes Verheißung Wirklichkeit und die Spirale von Gewalt, Tod, Zerstörung, Egoismus, Chaos und Dunkelheit endet für immer. Wir müssen es nur glauben und in diesem Glauben täglich leben. Dann wird die Verzweiflung zu einem aktiven Warten auf denjenigen, der Licht und volles Leben bringt, auf den, der erschafft und erlöst. 
 
II. In Bewegung - Impuls von Thomas Plate
Mitten in Afrika; sein Leben lang wollte er in einem Cadillac fahren. Nun bauen ihm die Tischler einen Sarg in Form eines strahlend weißen Cadillacs. So erfüllen sich Träume noch im Tod.
In den Gospels „Good News“ und „Swing Low“ spielt ein „chariot“ eine wichtige Rolle. Übersetzen kann man dies mit „Kutsche“, aber auch mit „Streitwagen“, so einem, mit dem der Prophet Elia vor den Augen seines Nachfolgers Elisa in den Himmel fuhr.
Und so geht es auch um das „In den Himmel kommen“ in diesen Liedern. Sehr starke Bilder in den Zeiten der Sklaverei, als diese Lieder entstanden. Ich werfe einen Blick über den Jordan. In dem Lied erinnert der Jordan an den Ohio River. An seinem Nordufer begann das Gebiet, in dem es keine Sklaverei gab. Ich werde gerettet, wenn nicht in diesem Leben, dann nach dem Tod. Ich werde in den Himmel, nach Hause gefahren in einer Kutsche. Was mag das für einen leibeigenen Arbeiter auf einer Plantage bedeutet haben, für jemanden, der ganz unten steht in der gesellschaftlichen Ordnung: Ich werde nicht zurückgelassen, ich habe ein festliches Gewand, eine lange weiße Robe, ich bin angenommen. Angekommen in Gottes Reich wie in einem Festsaal der Reichen, zu dem ich hier in diesem Leben keinen Zutritt habe. Ich werde zu Ihm in die Ewigkeit fahren, eine Gruppe Engel wartet auf mich, wie die Bediensteten meines Besitzers hier auf Erden Spalier stehen für die Gäste aus der vornehmen Gesellschaft! Die lange weiße Robe ist mein Taufkleid, sie ist das Zeichen: Ich bin ein unbeschriebenes Blatt, ein neuer Mensch. Ich gehöre zu Ihm und werde bei Ihm sein, mit goldenen Schuhen und einer glänzenden Krone. Ich bin ein Königskind!
Diese Bilder mögen uns heute nicht mehr so beeindruckend oder kraftvoll erscheinen, wir haben andere. Aber die Lieder laden mich ein, mir bewusst zu werden, dass Gott mich von Anfang an geliebt und begleitet hat. In der Taufe bin ich mit Ihm, seiner Gnade und Liebe verbunden und mein Weg findet, wie auch immer Gott mich führt, schlussendlich in der Ewigkeit sein Ziel, in Gottes liebenden Armen. Meine Hoffnung orientiert sich an all den Zusagen und dem Segen aus Seinem Wort, der Bibel: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ sagt Jesus von sich (Johannes 14,6) und spricht uns zu: „Ich bin bei Euch alle Tage, bis an der Welt Ende“ (Matthäus 28,20). 
Das macht mir Mut und Zuversicht und hoffentlich Euch allen auch.
„Swing low, sweet chariot, coming for to carry me home”. Süßer Himmelswagen, du kommst und bringst mich nach Hause. Einmal in der Ewigkeit. Und jetzt schon in jeder Stunde des Tages. Weil ich überall zu Hause bin, wenn Gott bei mir ist in Jesus. 
Also: Ganz egal ob himmelhoch jauchzend oder tief betrübt oder irgendwo zwischendrin: Gott ist und bleibt derselbe. Er sagt Ja zu mir. Ich will mich auf den Weg machen, auf dem Weg bleiben, in Bewegung bleiben, vorwärtskommen durch mein ganzes Leben im Glauben an Gott den Herrn, bis ich eines Tages in einer schönen Kutsche in den Himmel fahre. Oder gefahren werde. 
 
III. Aus dem Wasser gezogen – Impuls von Charlotte Scheller
Wir feiern wieder eine Taufe. Unser Täufling hat sich intensiv mit den Glaubenssachen beschäftigt. Eine alte Bibel hat ihn immer schon begleitet, die hat er von seiner Oma bekommen. Er hat schwere Zeiten erlebt. Ist auf seine Weise am Ende der Welt gewesen. Er ist durch Täler und Schluchten gegangen auf seinem Weg bis hier. Er hat Leute in Not und mit Schuld getroffen und Leute mit einem großen Herzen und offenen Händen. Bei manchen kam auch alles zusammen, Not und Schuld und ein großes Herz. 
 
„I‘m going to lay down my burden down by the riverside“, heißt es in dem einen Lied. Ich geh zum Fluss und lege da alles ab, was auf mir lastet. Stellen Sie sich vor, Sie tragen einen Riesenrucksack, Gepäck für drei Wochen, er reicht Ihnen vom unteren Rücken bis über den Kopf und unten baumeln noch schwere Stiefel dran. Die Riemen schneiden in Ihre Schultern, Sie gehen vorgebeugt, um nicht von der Last hintenüber gekippt zu werden. So sehen Sie nur anderthalb Meter weit, perfekter Abstand, aber selbst wenn Sie in den Bergen wären, hätten Sie keine Aussicht und am Meer würden Sie den Horizont nicht sehen. Sie schleppen den Rucksack bergab, zum Ufer eines Flusses. Jordan oder Ohio River oder wie der Fluss bei Ihnen heißen mag. Und da steht jemand, Mann oder Frau, sie hat beide Hände frei, sie sagt, komm her, tritt hinter Sie und nimmt Ihnen den Rucksack von den Schultern. Es dauert einen Moment, bis Ihr Körper begreift: Ich bin frei! Ihr Brustkorb füllt sich mit Luft. Dabei richtet sich der Rücken ein bisschen auf. Der Nacken zuletzt, dann der Kopf. Sie haben Aussicht plötzlich, Sie sehen die Frau, den Mann, der jetzt vor Ihnen steht, der Ihren Rucksack einfach abgestellt hat und nun eine Hand leicht auf Ihre Schulter legt. He, sagt dieser Mensch. Du bist frei! Was du mit dir herumgeschleppt hast, versenke ich im äußersten Meer. Deine Irrtümer. Deine Fehler. Deine Schuld und all das Unübersichtliche, in das du dich verstrickt hast - es liegt nicht mehr auf dir. Ab sofort ist es so weit weg von dir wie der Nordpol vom Südpol. Hier ist Wasser. Steig hinein. Tauch ganz unter. Was du vorher warst, versinkt. Ich reiche dir die Hand. Halt dich einfach nur fest! Ich zieh dich heraus. 
 
Die Bibel hat er von der Oma geschenkt bekommen. Welches Geschenk könnte kostbarer sein? In seiner Bibel ist unserem Täufling ein Abschnitt besonders wichtig.
„HERR, erhöre mein Gebet, / vernimm mein Flehen um deiner Treue willen, erhöre mich um deiner Gerechtigkeit willen, / und geh nicht ins Gericht mit deinem Knecht; denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht. / HERR, erhöre mich bald, mein Geist vergeht; verbirg dein Antlitz nicht vor mir, dass ich nicht gleich werde denen, die in die Grube fahren“. Worte aus Psalm 143 (1+2+7). An diesen Worten hat er sich festgehalten, wenn er ganz unten war. Ein Notruf. Ein Schrei zu Gott oder zu irgendwem. 
 
Hör mich doch! Nicht weil ich treu gewesen wäre, Gott, aber weil du treu bist. Nicht weil ich gerecht war, sondern weil du gerecht bist. Du richtest mich auf, du hast versprochen, das Geknickte aufzurichten. Du schickst mir einen Menschen, sammelst mich ein, erträgst es nicht, dass eines deiner Kinder verloren geht. Du lässt mich dein Angesicht sehen im Gesicht eines Menschen. Du lädst mich ein, mit Jesus zu gehen. Dem Mann, der den Sturm gestillt hat und das Meer ruhig gemacht. Du stillst den Sturm, der mich durchschüttelt, und machst mich neu. Das Wasser der Taufe sagt: Was ich vorher war, bleibt in der Tiefe. Weit weg von mir. Ich bin aus dem Wasser gezogen, die Grube ist keine Option. Ich kann leben, hier und jetzt, mit der Weite des Himmels im Blick, ich kann bis zum Horizont sehen. Keine Last ist zu schwer für ihn, den Gott mir schickt. Alles will er mir abnehmen. Keine Sehnsucht ist zu groß, kein Kummer zu banal. Alles will er sich anhören und mit mir teilen. Und sollte ich wieder ins Tiefe geraten, wird er mich suchen und wiederfinden und in die Arme schließen.
 
So ist Gott mit dem, den wir heute taufen, und mit jedem und jeder von uns. Amen.
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