Mittwochsgedanken von Charlotte Scheller
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Ich brauche keine Kirche, sagen mir manchmal Leute. Wenn ich draußen bin, im Wald oder am Meer oder nachts unterm Sternenhimmel, fühle ich mich Gott am nächsten. Ich finde, sie haben nicht unrecht. Natürlich kann man überall beten. Gott ist ja nicht nur in der Kirche oder im Himmel oder irgendwo, sondern eben auch überall. Aber manchmal brauche ich doch einen Ort, an dem ich mich konzentrieren kann. An dem schon andere gebetet haben. Als ich einmal im Krankenhaus war, bin ich in die Krankenhauskapelle gegangen. Ich wusste nicht, was ich beten soll, deshalb habe ich nur gesagt: Ich bin hier, Gott, du weißt ja, wie es mir geht. Hinterher habe ich mich besser gefühlt, nicht mehr so allein.
Unsere Glaubensvorfahren haben riesige Kirchen erbaut. Generationen von Baumeistern und Handwerkern haben daran mitgewirkt. Lehrjunge, Geselle oder Meister, alle hatten an diesem Kirchbau Anteil. Unbedeutend oder einflussreich, sie gehörten zu diesem Gott, dessen Haus höher war als jedes andere Gebäude der Stadt.
Ähnlich hat wohl König David gedacht vor etwa 3000 Jahren. Seine Vorfahren waren Nomaden gewesen und hatten in Zelten gewohnt. Gott war da, wo sie waren. Mit ihnen unterwegs. In der Wüste. Im Gelobten Land. In der Bundeslade wohnte Gottes Herrlichkeit. In einem heiligen Zelt. Nur der Priester durfte hinein. Dann waren sie sesshaft geworden. König David war reich und hatte sich einen Palast gebaut. Und als er sich zurücklehnen wollte und das neue Zuhause genießen, fiel ihm ein: Gott wohnt immer noch im Zelt.
Allmächtiger, sagte er zu Gott, das kann nicht angehen: Ich, der König von Israel, wohne in einem Palast aus Zedernholz mit silbernen Türgriffen. Und du, der Herr über Himmel und Erde, musst immer noch zelten! Ich will dir ein Haus bauen mit goldenen Türgriffen und noch höher als mein Palast, damit klar ist: Du bist der Herr.
Nein, sagt Gott. Danke. Wer bist du denn, dass du mir ein Haus bauen willst und bestimmen, dass ich da einziehe? Ich habe dich geschaffen und alles, was lebt. Wenn, dann baue ich dir ein Haus, nicht umgekehrt! Ohne mich kannst du gar nichts bauen. Nichts wächst ohne meinen Segen! Soll ich mir Vorschriften machen lassen, wo ich wohne? Vielleicht später einmal, wenn ihr unbedingt ein Haus braucht zum Beten. Bis dahin könnt ihr mich in meinem Zelt antreffen. Und überall. Ein Zelt passt mir gut, es zeigt, dass ich immer unterwegs bin. Nicht nur in der Kirche. Oder im Tempel. Ich bin bei meinen Leuten. Ich gehe mit euch überall hin. Und ich lasse mich absolut nicht festlegen, wo ich zu wohnen habe!
Auch das Dach der Christophoruskirche erinnert an ein Zelt. Unser Kirchturm ist nicht hoch. Die Kirche ist nicht für die Ewigkeit gebaut. Vor gut zwanzig Jahren musste sie eine Zeitlang geschlossen werden. Das Dach war einsturzgefährdet. Es wurde repariert, die Kirche wieder geöffnet. Sie bleibt ein Ort, an dem wir Gott begegnen können. Einen Moment Platz nehmen. Das Kreuz betrachten und das Licht, das durch die Fenster fällt, zu jeder Stunde in anderen Farben. Zur Ruhe kommen in dem Raum, in dem schon so viel gebetet wurde, getrauert, gefeiert, gedankt. Allein sein oder andere treffen, die beten wollen oder nachdenken, ihre Sorgen bei Gott abladen, sich in Seine Gegenwart stellen, gesegnet werden.
Wenn Sie etwas haben, das Sie Gott anvertrauen wollen, einen Menschen oder einen Gedanken, treten Sie ruhig ein. An einem Vormittag. An einem Donnerstagnachmittag. Wenn die Tür verschlossen ist, melden Sie sich, wir öffnen gern. Zünden Sie eine Kerze an. Oder sagen Sie einfach, laut oder leise: Ich bin hier, Gott. Du weißt, wie es mir geht. Amen.