zu 1. Mose 41 von Charlotte Scheller Träumen Sie? Und falls Sie träumen: Können Sie sich hinterher an Ihren Traum erinnern? Und, falls Sie auch das mit Ja beantwortet haben: Können Sie etwas anfangen mit den Bildern Ihrer Träume, bedeuten sie Ihnen etwas?
Bekanntermaßen träumen wir alle. Jede Nacht. Wenn wir uns erinnern, dann vor allem an das, was wir direkt vor dem Aufwachen geträumt haben. Spätestens beim Versuch, die Träume zu deuten, scheiden sich die Geister. In den achtziger Jahren meinten Neurobiologen, Träume seien nichts als eine chaotische Reaktion bestimmter Gehirnregionen auf neuronale Reize. Heutige Forscher verbinden die neurobiologischen Erkenntnisse mit den Ansätzen der Traumdeutung von Freud und Jung vor 100 Jahren. Sie sehen, wie Körper und Seele zusammenwirken, wenn wir träumen. Wir verarbeiten die Eindrücke des Tages und ziehen unsere nächtlichen Schlüsse. Oft finden sich im Traum Wahrnehmungen wieder, die unterhalb unseres wachen Bewusstseins geblieben sind. Möglicherweise haben wir auch Bilder, Fähigkeiten und Erkenntnisse in uns, die im Lauf der Menschheitsgeschichte in unser Erbgut eingeflossen sind. Jedenfalls wagen sich unsere geheimen Ängste nachts heraus und die verborgenen Wünsche. In beidem stecken Kräfte für das wache Leben. Ob wir es mitbekommen oder nicht - wir arbeiten im Schlaf. Das Träumen ist lebenswichtig. Es reinigt die Gedanken und hilft uns, in der Wirklichkeit zu bestehen.
Pharao, der ägyptische König, träumt. Sieben Kühe, fett und schön, steigen aus dem Nil und weiden im saftigen Gras. Und dann steigen nochmal sieben Kühe aus dem Wasser, dünn und hässlicher als hässlich, solche hat man im ganzen Königreich noch nicht gesehen. Die stellen sich neben die schönen fetten Kühe und fressen sie auf. Ein zweiter Traum. Sieben Kornähren, prall und dick, wachsen auf einem Halm. Daneben gehen sieben andere auf. Dürr und vom Ostwind versengt. Die mageren Ähren verschlingen die vollen. Der König wacht auf. Es waren Träume, sagt er sich. Kühe fressen keine Kühe, aber die Bilder waren so real, dass er sie nicht abschütteln kann. Sein Sinn ist beunruhigt. Die Träume haben etwas angestoßen in ihm.
Der Pharao holt Wahrsager und Traumdeuter, Wissenschaftler aus dem ganzen Land, er muss wissen, was die Träume bedeuten, ein Hinweis auf die Zukunft, es geht um sein Leben und um das des Landes. Ägypten, die Kornkammer, vom Nil gespeist, dem Fluss des Lebens. Keiner der Gelehrten kann die Träume deuten. Die Unruhe am Hof steigt. Der oberste Mundschenk, einer der Bediensteten, nimmt allen Mut zusammen. Was er zu sagen hat, ist ihm doppelt peinlich.
Ich muss heute an meine Sünden denken, sagt er. Ein Fehler im Dienst, schon eine Weile her, er wurde suspendiert und ins Gefängnis geworfen. Da hat er geträumt, genau wie sein Mitgefangener, der oberste Bäcker. Die Träume waren beunruhigend und unverständlich. Aber da war Josef, ebenfalls inhaftiert, ein Hebräer, der hat ihnen die Träume gedeutet. Dem Bäcker hat Josef den Tod vorhergesagt und ihm, dem Mundschenk, Begnadigung und Leben. Was er sagte, ist eingetroffen. Dankbar hat er dem Josef sein wollen und, das ist die zweite Peinlichkeit, er hat den Hebräer vergessen. Die ganzen zwei Jahre, der Alltag hat ihn wieder und wer denkt schon gern an so dunkle Tage zurück. Erst heute erinnert er sich.
Der Pharao lässt Josef rufen. Der wird aus dem Gefängnis entlassen, lässt sich rasieren, zieht sich um und kommt zu ihm. Ich habe gehört, sagt der Herrscher, du kannst Träume deuten. Ich kann es nicht, sagt Josef. Mir steht es nicht zu. Aber Gott wird dem Pharao Gutes verkünden!
Menschen können nicht erkennen, was die Zukunft bringt. Auch die allergelehrtesten nicht. Unsere Zeit steht in Gottes Hand! Und Gott hat Gutes im Sinn. Nachdem das Grundlegende geklärt ist, erzählt der Herrscher Josef seine Träume. Beide, sagt Josef, haben dieselbe Botschaft. Sieben fette Jahre stehen bevor mit reichen Ernten. Darauf folgen sieben Jahre der Dürre. Eine teure Zeit. Sie wird den Reichtum der ersten Jahre vergessen lassen und alles, was davon geblieben ist, auffressen. Bei Gott, sagt Josef, steht die Sache fest. Was kommt, steht klar vor Augen. Es ist unabwendbar. Deshalb gilt es jetzt, klug zu handeln. Jetzt deutet Josef nicht mehr, er macht Pläne. Der Herrscher folgt dem Rat des jungen Hebräers. Er sorgt vor für sein Volk, lässt die Kornspeicher vergrößern und ordnet höhere Abgaben an. Der fünfte Teil der Ernte muss eingelagert werden. Oder sogar der ganze Ertrag. Josef wird zum Sonderbeauftragten ernannt. Er erhält das Siegel des Königs, eine Halskette, einen Prunkwagen für seine Inspektionsreisen. Nach dem Pharao ist er nun der mächtigste Mann im Land. Die Ägypter haben Kornsilos, die Nachbarvölker noch nicht. Die dürren Jahre kommen und Ägypten verkauft Korn in alle Länder.
Bis heute wechseln sich am Nil ertragreiche Jahre mit dürren Jahren ab. In den Bergen Äthiopiens entsteht der fruchtbare Schlamm und wandert den Fluss hinab, 4500 Kilometer bis Ägypten, wo Josef mit dem Pharao sprach. Wenn es aber am Oberlauf zu trocken ist, wenn Dürre herrscht in Ostafrika, so wie jetzt, viertausend Jahre später, dann bleibt der fruchtbare Schlamm aus. Das bedeutet Hunger. Kein Korn. Kein Brot. Kein Fleisch. Die teuren Jahre fressen alles Ersparte auf. Ägypten ist davon heute nicht mehr so stark betroffen, der Assuan-Staudamm sorgt für Bewässerung. Aber in Äthiopien, in Kenia und Somaliland sind die Böden jetzt wieder zu trocken, um etwas anzubauen. Für die kleinbäuerlichen Familien bedeutet das: Keine Ernte und nicht genug zu essen. Auch die Viehhirtinnen leiden unter der Trockenheit. Bilder erreichen uns von ausgemergelten Tieren auf der Suche nach Wasser. Von Kindern, die vor Durst und Erschöpfung reglos daliegen. Bilder wie böse Träume. Sie lassen uns nicht los.
In diesen Tagen lassen uns die Nachrichten angstvoll in die Zukunft schauen. Die Bilder vom Krieg in der Ukraine und die Sorgen in der Pandemie überdecken die anderen. Deshalb ruft die Welthungerhilfe jetzt zum Spenden auf für Ostafrika, wo die Dürre Menschen und Tieren die Lebensgrundlage raubt. Deshalb hängt sich eine achtundachtzigjährige Christin aus Göttingen ans Telefon und ruft Politiker, Journalistinnen und Kirchengemeinden an. In Göttingen und Berlin. Ihr ganzes Seniorinnen-Taschengeld gibt sie dafür aus. Früher, erzählte sie mir, waren die Wiesen „wie bunt gestickte Teppiche, keiner hat sie abgemäht und die Tiere haben es gern gefressen“. Heute sind die meisten Böden versiegelt und können kein Wasser mehr aufnehmen. In diesem Jahr haben wir nicht vorgesorgt. Wir haben schon am 28. Juli alle Ressourcen verbraucht, die bis Dezember hätten reichen müssen. Wir leben auf Pump, auf Kosten unserer Kinder und Enkelkinder. Die große Teuerung hat schon begonnen.
Gott hat Gutes im Sinn für seine Kinder. Gott hilft uns, die Bilder zu verstehen. Gott schenkt uns klare Sicht und will, dass wir klug handeln. In Oberhausen haben zwei Unternehmen seit dem Herbst 1800 Bäume gepflanzt. Auch dabei heißt es klug sein. Die richtigen Bäume aussuchen. Sie ausdauernd pflegen und trotzdem Wasser sparen. Sich ehrlich machen und auch den Firmenalltag umrüsten, damit er klimafreundlich wird. Unsere Kindergarten-Kinder bringen uns bei, Plastik zu vermeiden beim Einkaufen. Immer mehr Menschen steigen aufs Rad. Verzichten auf Ferien-Flüge. Kirchengemeinden bauen Solaranlagen.
Also alles in unserer Hand? Dann seh ich schwarz für die Zukunft. Für meine eigene und die unseres Planeten. Wie gut, dass Josef dieser Überheblichkeit wehrt. Gleich zu Beginn seiner Unterredung mit dem Pharao. Er sagt: Die Zukunft anzusagen, steht nicht bei mir. Es steht bei Gott, und Gott hat Gutes mit uns vor! Ein anderer Traum kommt mir in den Sinn. Im letzten Buch der Bibel. Da ist von der Stadt Gottes die Rede. Von einem Leben ohne Leiden und Schmerz. Von der Quelle des lebendigen Wassers, zu der alle Zugang haben. Von ihr zu trinken, ist nicht teuer, es ist umsonst.
Ob wir uns an unsere Träume erinnern oder nicht, spielt also womöglich gar keine so große Rolle. Als Christen teilen wir den Traum von Gottes Reich. Von seiner Stadt des Friedens. Wir sind eingeladen, ihn mitzuträumen. Und Kopf und Herz und Hände dafür einzusetzen, dass er Wirklichkeit wird.
Können wir das denn? Das Bild von den hässlichen Kühen, die alles Fruchtbare fressen, ist stark. Was kann ich tun, damit die mageren Kühe nicht meine Hoffnung auffressen und die versengten Kornähren nicht meine Lebensfreude verschlingen? Ich muss an Paulus denken. Wie er sich oft schwach und machtlos gefühlt hat. Wie ihn böse Gedanken und Bilder gequält haben. Wie er sich dann festgehalten hat an dem, was Gott ihm sagt: Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit (2Kor12,9). Also werde ich schauen, was ich mit meiner kleinen Kraft dazu beitragen kann, dass die Speicher nicht leer werden. Jede braucht Brot und Wärme und Lebensmut. Wenn ich mithelfe, dass ein Mensch neben mir Nahrung hat für seinen Körper und seine Seele, ist es genug für diesen Tag. Amen.
Die große Verwandlung. Predigt zu Jesaja 35 von Susanne Paul, Landespastorin für die Arbeit mit Frauen
Jesaja zeichnet ein Hoffnungsbild mit Worten in schweren Zeiten.
Er kennt ihren Schmerz und ihre Sorgen und erinnert sie an die Momente, in denen sie Gott spüren können. So können sie neue Hoffnung schöpfen und sich gegenseitig stärken. Ich lese aus dem 35. Kapitel im Buch Jesaja:
Wüste und dürres Gebiet sollen sich freuen!
Das öde Land möge jauchzen
und blühen mit Narzissen!
Blühen möge es, blühen und jauchzen
mit Jauchzen und Jubeln!
Die Pracht des Libanon wird ihm verliehen,
die Zier des Karmel und des Scharon.
Sie sehen die Pracht GOTTES,
die Zier unserer Gottheit.
Macht die schlaffen Hände stark
und festigt die stolpernden Knie!
Sagt denen, deren Herz rast: »Seid stark! Fürchtet euch nicht!«
Schau hin: Eure Gottheit kommt zur Rache.
Das sind Wohltaten der Gottheit:
Sie kommt und wird euch retten. Dann werden die Augen der Blinden geöffnet
und die Ohren der Tauben aufgetan. Dann werden die Lahmen wie Hirsche springen
und die Zungen der Stummen jubeln.
Ja, in der Wüste brechen die Wasser auf
und die Bäche im dürren Gebiet. Dann
wird der Wüstensand zum Schilftümpel
und das durstige Land zur Wasserquelle.
Der Jagdgrund der Schakale
wird zum Weideplatz und das Wüstengras
zu Schilfrohr und Papyrus.
Eine Straße und einen Weg
wird es dort geben.
›Heiliger Weg‹ wird er genannt werden.
Keine Unreinen gehen auf ihm.
Er gehört denen, die ihn gehen,
auch Dummköpfe gehen dort
nicht in die Irre. Dort wird kein Löwe sein,
und kein reißendes Tier wird da gehen,
ja, in der Wüste brechen die Wasser auf
und die Bäche im dürren Gebiet.
Sie befinden sich dort nicht,
aber die Ausgelösten werden ihn gehen.
Die von GOTT Freigekauften
werden zurückkehren
und nach Zion kommen mit Jubel. Fortwährende Freude ist über ihren Köpfen. Frohlocken und Freude holt sie ein,
und es fliehen Kummer und Seufzen.
Ton Steine Scherben: Der Traum ist aus
Liebe Gemeinde!
Der Traum ist aus!
Der Traum vom dauernden Frieden in Europa zum Beispiel! Wie froh betonen die Redner*innen am 8.5. immer, dass nun schon 77 Jahre Frieden ist in Europa.
Der Traum ist aus – eigentlich schon seit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien – der wird ja schnell einmal vergessen. Aber jetzt seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine gerät spürbar ins Wanken, was wie selbstverständlich zu unserem Leben gehörte: in großer Ferne zu den kriegerischen Auseinandersetzungen der Welt zu leben. Da, ganz weit weg, da gab es das, aber hier …… Dieser Traum ist aus. Und mit ihm der Traum vom unbegrenzt wachsenden Wohlstand – nicht für alle, auch das ist in diesem Traum immer schon ausgeklammert, aber doch für sehr viele. Gedanken darüber sind nötig, wie das wird im Winter mit dem Gas und dem Öl, ob es wohl kalt wird? Fragen, wie das wird, wenn die Preise immer mehr anziehen.
Und was das alles wohl für die Klimadiskussion bedeutet, die so drängend ist, und die viele – und ich gehöre dazu – so gerne wegträumen: irgendwie wird es eine Lösung geben und alles kann bleiben wie bisher.
Der Traum ist aus.
Aber wie geht es jetzt weiter? Das frage ich mich. Ist es jetzt so, dass Aufrüstung nötig ist zu unserem Schutz; Männer in Uniformen, die kämpfen müssen, auch wenn sie nicht wollen, und Frauen, die mit Kindern und den Älteren der Familie fliehen – sollen das Bilder der Zukunft sein? Und geht es jetzt in der Politik wieder um Machtdemonstrationen von größer, lauter, stärker? Wenn ich daran denke, schüttelte es mich und gleichzeitig bin ich ratlos und unsicher. Ich will nicht naiv und realitätsfremd vom Frieden reden, aber auch nicht alten längst überwunden geglaubten Herrschaftsweisen das Wort reden.
Und – dass der Traum aus ist – ich will es nicht glauben.
„Wüste und dürres Gebiet sollen sich freuen! Das öde Land möge jauchzen und blühen mit Narzissen! Blühen möge es, blühen und jauchzen und Jauchzen und Jubeln. Die Pracht des Libanon wird ihm verliehen, die Zier des Karmel und des Scharon. Sie sehen die Pracht GOTTES, die Zier unserer Gottheit. Macht die schlaffen Hände stark und festigt die stolpernden Knie! Sagt denen, deren Herz rast „Seid stark! Fürchtet euch nicht!“
Hier will einer auch nicht aufhören, den Traum des Friedens und der Gerechtigkeit zu träumen.
Die Menschen, die diese Worte hören, haben einiges hinter sich. Der Tempel, der Ort, wo Gott mit ihnen lebte, ansprechbar und präsent war, war zerstört bis auf die Grundmauern. Die Oberschicht Jerusalems wurde ins Exil nach Babylonien verschleppt, die ärmere Stadtbevölkerung lebte unter der Besatzung. Und als das Exil nach Jahrzehnten beendet wurde, weil die Babylonier durch die Perser besiegt waren, kehrten viele zurück in ihr Land, voller Hoffnung, dass nun wieder alles gut würde. Der Tempel wurde wieder aufgebaut – Gott hatte wieder einen Ort mitten unter ihnen. Aber genauso wie der Tempel nicht mehr so prächtig war wie der alte, war auch ihr Leben nicht mehr dasselbe wie vor der babylonischen Eroberung. Die Perser verlangten hohe Steuern, die Schere zwischen Arm und Reich wuchs, die Spaltung zwischen denen, die ärmer auf dem Land lebten und denen, die in der Stadt waren, wurde zusehends größer.
Auch hier: Aus der Traum! Nichts von dem in der Ferne geträumtem „Alles wird so wie vorher“. Die kriegerischen Auseinander-setzungen, der Verlust der Erfahrung, sicher zu wohnen, Armut und Existenzangst - sie zeichneten sich ein in die Leben der Menschen und ließ ihre Kraft zu träumen klein werden.
Jesaja hält dagegen. Gebt nicht auf, so lese ich zwischen den Zeilen seiner Worte. Und er lenkt den Blick auf die Hoffnungsbilder, die sie kennen: sie leben in der Wüste, die im Frühling für kurze Zeit zu einer Farbenpracht wird, die den Atem nimmt. Monatelang ist der Boden karg und trocken – nicht möglich, dass da Leben drinsteckt. Und auf einmal bricht es mit Macht durch die harte Erde und wird grün und rot und bunt und leuchtet – nur für kurze Zeit. Aber wer das einmal gesehen hat, schaut anders in die Wüste, kann träumen von der wunderbaren Schöpfung Gottes, der auch die dürren Zeiten nichts anhaben kann. „Denkt an diese Kraft, die ihr kennt, die ihr seht, die mit euch ist!“
Und ich spüre die Kraft dieser Bilder, denke an die Blumenzwiebeln, die ein Jahr wie tot in der Erde liegen und auf einmal so prachtvoll sind, liebe das Gelb der Osterglocken im Frühling und das Grün der Blätter an Bäumen, die im Winter wie tot sind. „Gib nicht auf, diese Kraft kennst du und sie ist bei dir!“
Und Jesaja sieht, wie das Leben ist in dieser immer noch besetzten Stadt, in der viele einfach nur überleben wollen und andere einfach nur das halten wollen, was sie haben, in der manche müde sind vom Lebenskampf und andere nicht mehr wissen, was denn nun ihr Weg, ihr Ziel ist. „Macht die schlaffen Hände stark und festigt die stolpernden Knie“.
Jesaja weiß, dass sich die Erfahrungen der Menschen in ihren Körpern einzeichnen: Kämpfen und Verlieren, Bleiben und Aushalten, Weggehen und Wiederkommen, arm sein und die Angst davor, es zu werden: all das nimmt den Knien den halt und den Händen die Kraft. Aber gegenseitig, so schreibt Jesaja, gegenseitig könnt ihr euch Halt geben und aufrichten – weil Gott, eure Kraft, da ist so wie sie schon immer da war: in all den Wüstenzeiten, die ihr und eure Mütter und Väter, Generationen vor euch erlebt haben.
Jesaja erinnert die Menschen an das, auf das sie zurückschauen können, lässt Hoffnungs-bilder aus der Vergangenheit zur Zukunft werden.
Und ich überlege, was meine Hoffnungsbilder sind, die für mich Zukunft werden können.
Und ich sehe mich als junge Studentin auf der großen Demonstration in Bonn gegen die Aufrüstung und für den Frieden mit 100.000 anderen, denke an das lila Kirchentagstuch: Umkehr zum Frieden.
Sehe die, die sich seit 2015 für die syrischen Flüchtlinge und heute für die ukrainischen Frauen und Kinder engagieren.
Sehe die jungen Leute, die freitags demonstrieren und ihr Recht auf Zukunft einfordern.
Sehe uns heute Morgen hier in der Kirche Gottesdient feiern – obwohl wir vielen anderen wie aus der Zeit gefallen erscheinen.
Rio Reiser singt: „Der Traum ist aus – aber ich werde alles geben, dass er Wirklichkeit wird.“
In genau dieser Spannung lebe und glaube ich. Es ist Krieg und Menschen sterben. Aber ich will nicht aufgeben, an die Möglichkeit des Friedens zu glauben. Es geht nicht gerecht zu bei uns, aber ich will nicht aufhören, daran zu glauben, dass es anders sein kann. Ich weiß oft genau genau, was gut zu tun wäre, und schaffe es nicht – aber ich will nicht aufhören, daran zu glauben, dass ich mich ändern kann.
Wüsten blühen – nur für kurze Zeit, aber sie blühen. Ich glaube, Gott träumt auch, dass sie einmal für immer blühen – wenn wir diesen Traum teilen.
Rio Reiser: Der Traum ist aus.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, schenke uns die Kraft zum Träumen und die Bilder der Hoffnung, die zum Leben einladen. Amen.
Sonntag, 10. Juli 2022, 10 Uhr Gottesdienst zugunsten der Ukraine-Hilfe
Eine musikalische Reise quer durch Europa: Beginnend in der Barockzeit hören wir in der ersten Suite für Violoncello in G Dur eine Reihe von französischen Tänzen, wie sie um 1700 an den Höfen Europas in Mode waren, eingeleitet von einem Prélude, einem besonderen Merkmal der sechs Suiten für Violoncello von Bach. Ganz im Norden Europas entstanden im Jahr 1887 Thema und Variationen op. 8 in der spät-romantischen Tonsprache des finnischen Komponisten Jean Sibelius. Die musikalische Reise endet im südlichen Spanien mit einer 1921 komponierten Suite für Violoncello, in der Gaspar Cassadó die folkloristischen Klänge spanischer Gesänge und Gitarrenklänge mit den heißen Rhythmen spanischer Tänze verbindet.
zu Lukas 16,19-31 von Charlotte Scheller Eine Gruselgeschichte. Manchmal grusele ich mich gern ein bisschen. Abends im Garten. Die Gläser sind gefüllt. Ein Windlicht brennt. Es ist Brot da und Käse. Die Lieder sind verklungen und eine sagt: Kennt ihr die Geschichte von ...?
Es war einmal ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Ein Armer aber mit Namen Lazarus lag vor seiner Tür. Der Erzähler spart nicht mit grausamen Details. Der Mann vor der Tür hat Hunger. Er kann sich nicht mehr aufrecht halten. Irgendwer hat ihn vor die Tür gelegt. Draußen. Aber in Reichweite des Wohlstands. Was er so dringend braucht, ist zum Greifen nah. Aber es fällt nichts ab für ihn. Lieber werfen sie weg, was übrig bleibt, als zu ihm zu gehen und ihm zu geben, wonach er sich sehnt. Und als ob das nicht quälend genug wäre, sind auch noch Hunde da. Der Ärmste hat überall Geschwüre. Die Hunde lecken daran und vergrößern das Elend. Hunger, Schmerzen und Scham. Der Mann mit Namen Lazarus macht das Schlimmste durch. Kein Mensch hilft. Erst der Tod bringt ihm Erlösung. Von Engeln getragen. In Abrahams Schoß gelegt. Oder an seine Brust. Er darf den Ehrenplatz einnehmen, sitzt neben dem Glaubensvater am Tisch beim großen Fest. Das Schreckliche liegt hinter ihm, all die Qualen und das Unrecht. Er ist im Himmel.
Das ist nur gerecht. Und tröstlich. Wenn das Schicksal dir böse mitspielt, wenn du zerschlagen bist, kraftlos, voller Schmerzen, wenn du draußen bleibst mit deiner Sehnsucht, am Leben teilzuhaben, wenn du irgendwann nicht mehr kannst und dein Leben zu Ende geht, dann kommen Engel zu dir. Sie heben dich auf und bringen dich direkt Gottes Nähe. Da wirst du gepflegt und getröstet. Genährt und vor allem Bösen abgeschirmt. In die Mitte genommen und als Ehrengast gefeiert.
Der Reiche stirbt auch. Purpur und Leinen und das herrliche, freudige Leben haben ihn nicht davor bewahrt. Wie wir alle nicht vor dem Sterben bewahrt werden. Er wird begraben, wie wir auch begraben werden, wenn es Zeit ist. Das Begräbnis mag feierlich gewesen sein. Aber nun sehen wir ihn wieder. In der Hölle. Da leidet er Hitze und Durst. Böse Gedanken und schreckliche Einsamkeit. Das ist auch nur gerecht. Gefeiert hat er schließlich reichlich. Nur hat er mit dem Armen auch Gott ausgesperrt aus seinem Leben. Gegen Purpur und Leinen und gutes Essen ist nichts einzuwenden aus Sicht des Erzählers Lukas. Aber es ist sehr viel einzuwenden gegen den Tunnelblick des Reichen. Indem er den Bedürftigen vor seiner Haustür übersieht, lebt er total an Gottes Reich vorbei. Der Reiche hat seinen Platz beim Fest des ewigen Lebens verspielt. Nun appelliert er an die Menschlichkeit. An den Vater im Himmel. An Abraham. Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und kühle meine Zunge; denn ich leide Pein in dieser Flamme. Es braucht nicht viel, bloß ein paar Tropfen Wasser, Abraham soll Lazarus schicken, immer noch sieht er ihn als Untergebenen. Auch Lazarus vor seiner Tür hätte nicht viel gebraucht, bloß ein paar Brocken, die von seinem Tisch runterfielen, als er noch feiern konnte. Jetzt ist die Kluft unüberwindlich. Es gibt kein Zurück, keine zweite Chance, keine Brücke zwischen Himmel und Hölle. Der Reiche ist ohne Namen, jede von uns könnte es sein. Der Arme heißt Lazarus, hebräisch Eleazar. Das bedeutet: Gott hat geholfen. Oder: Gott hilft. Wohl eher das zweite. Denn erst jetzt hilft Gott, im Leben war er total hilflos, der arme Gotthilft. Dem Reichen hilft nach dem Leben niemand. Kein Kontakt, wie es auch im Leben keine Brücke gab zwischen den Welten.
Aber die Brüder des Reichen leben noch. Blut ist dicker als Wasser. Der Reiche sorgt sich um sie, da ist doch etwas Herz in ihm, wenigstens für seine Leute. Er möchte sie vor dem gleichen Schicksal bewahren, Lazarus soll hingehen und sie warnen, aber er kriegt wieder eine Abfuhr. Vergiss es. Selbst einer, der von den Toten zurückkehrt, würde nicht gehört. Warnungen sind unnötig. Sie werden erfahrungsgemäß auch gar nicht gehört. Die Brüder haben alles, was sie wissen müssen, um ein menschliches Leben zu führen. Mose und die Propheten. Mose hat das Gesetz gebracht, die Richtschnur Gottes für das Leben. Da ist Barmherzigkeit hineingeschrieben. Respekt vor dem Leben anderer. Atempausen in der Plackerei der Untergebenen. Schuldenerlass für Überforderte. Nächstenliebe und Demut vor Gott. Die Propheten haben Ungerechtes angeprangert. Scheinheilige Gottesdienste. Lieblose Opfer. Verantwortungslose Herrscher, die sich an ihren Schutzbefohlenen bereichern. Gott hat seine Kinder ermahnt. Bedrängt. Umworben. Ihnen gedroht, Fluten geschickt vom Himmel und Brot. Zuletzt seinen eigenen Sohn. Gott hat alles gegeben, aber sie haben nicht gehört. Gott ist treu geblieben, aber sie sind untreu geworden und haben das Recht gebrochen. Der Gute Hirte ist seinen verlorenen Schafen bis in die entlegensten Winkel nachgegangen. Für die, die sich nicht haben nach Hause holen lassen, ist es nun zu spät.
Warum erzählt Jesus das dann, und warum berichtet Lukas uns davon? Die Geschichte ist ein Alptraum. Ein Schrecken. Der kann heilsam sein. Irgendwann ist es zu spät. Deshalb nutze die Zeit. Sieh dich um. Übersieh die Nachbarin nicht. Frag nach dem Menschen neben dir. Finde heraus, was er braucht, Essen oder Medizin oder Freundlichkeit, einen Menschen zum Schweigen oder zusammen Lachen, eine Retterin in der Not.
Aber da sind so viele Arme. Direkt vor der Tür und überall auf der Welt. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Manchmal spüre ich Widerwillen, habe Berührungsangst. Ich werfe dem zerlumpten Mundharmonikamann vor dem Bahnhof schnell ein Geldstück hin, bloß nicht näher herantreten. Oft habe ich auch Angst, etwas falsch zu machen, und tu lieber nichts. Oder ich packe überall mit an, weil überall Not ist, und komme bald ans Ende meiner Kräfte. Was willst du von mir, Jesus?
Bei dem Reichen liegt nur einer vor der Tür. Den allerdings hätte er nicht übersehen dürfen. Hat er wohl auch nicht. Noch im Jenseits kennt er seinen Namen. Lazarus. „Wer ein Menschenleben rettet“, lehren die Ausleger der Tora, „dem wird es angerechnet, als würde er die ganze Welt retten“. Gott überfordert uns nicht. Wir sollen tun, was wir können. Und dazu im Namen Jesu um Kraft bitten. Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. Ich brauche also keine Heldentaten zu vollbringen. Was ich mit Gottes Hilfe schaffe, genügt.
In unserer Kirche, bei den Tischreden am Reformationstag 2021, war der Leiter der Göttinger Bahnhofsmission zu Gast. Einige erinnern sich. Noch besser als ein Geldstück, sagte er, ist es, wenn Sie sich einen Moment Zeit nehmen. Bringen Sie dem Musiker vor der Tür einen Becher Kaffee. Reden Sie mit ihm, und wenn es nur zwei Minuten sind. Behandeln Sie ihn als Menschen. Dann können Sie weitergehen.
Und was ist nun mit dem Zuspät? Mit der Horrorgeschichte, der Höllenvision? Sie ist ein Alptraum. Eine verrückte Vorstellung, als gäbe es Gottes Barmherzigkeit nicht. Ich denke an Jesus am Kreuz. Und an den Verbrecher neben ihm. Auch von ihm erzählt Lukas. Denk an mich, sagt er zu Jesus, wenn du in dein Himmelreich kommst. Jesus antwortet ihm: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein! Eine tröstliche Aussicht. Dennoch ist die Geschichte den Lebenden erzählt. Uns Nachfolgenden, für hier und für jetzt. Jeden Tag werde ich um Verzeihung bitten müssen, weil ich andere übersehen habe, missachtet, ungerecht behandelt. Jeden Abend kann ich Gott um Vergebung bitten für meine Blindheit den Nächsten gegenüber. Jeden Morgen will ich mich wieder in den Dienst Jesu stellen. Vielleicht kann ich einem Menschen meine Tatkraft anbieten. Oder für einen andern beten. Einen Brief schreiben. Mit jemandem weinen oder lachen. Einem Kranken vorlesen oder etwas für ihn singen. Etwas beiseite rutschen auf der Bank, damit die Nachbarin sich mit an den Tisch setzen kann. Oder einfach ein Stück mit ihr gehen und uns beide etwas vom Himmelreich ahnen lassen. Gott, öffne meine Sinne und mein Herz, zeig mir, wo du mich heute brauchst, und stärke mich. Amen.
Gott schickt seinen Heiligen Geist. Kräftig wie Feuer, erfrischend wie Wind. Die Jünger, die sich nach dem Tod Jesu in ihren Häusern vergraben haben, kriegen plötzlich neue Kraft. Sie gehen raus auf die Straßen Jerusalems und reden von Christus. Jeder und jede versteht sie in der eigenen Sprache. Viele lassen sich taufen. Erzählen es weiter. Jeder auf seine, jede auf ihre Weise. Hier unsere fünf Zugänge zum Pfingst-Evangelium in diesem Jahr:
Joel A. Nagel, Pastor - Iglesia Evangélica del Río de la Plata, Argentinien
Jedes Mal, wenn wir das Pfingstfest feiern, sprechen wir vom Heiligen Geist.
Der Geist verwandelt, mobilisiert die Menschen, nicht statisch zu bleiben, sondern die Frohe Botschaft des auferstandenen Christus allen zu verkünden, unabhängig von ethnischer, kultureller oder geschlechtlicher Herkunft. Ebenso wie der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer schrieb: „...geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede.“ (Römer 8,6b)
Mit dem oben Genannten höre ich auf, über unsere aktuelle Situation so weit weg von Frieden und Leben nachzudenken. Kriege, Zerstörung, Hungersnöte, Krankheiten, getrennte Familien, Zwangsmigrationen, fehlende Empathie, Entmenschlichung und Tod sind Realitäten, die sich von einem Leben mit und im Geist zu entfernen scheinen.
Auf diese Weise wird es an diesem Tag aktuell, uns zu fragen, was der Friede und das Leben bedeuten, die Jesus uns schenkt und an die er uns durch den Geist Gottes erinnert. Und wie ist es möglich, dass wir in dieser Welt, die so bestraft und verletzt ist, immer noch über Frieden sprechen?
Es kommt vor, dass das Reden von dem Frieden, den Christus uns durch den Geist schenkt, keine Worte sind, mit denen wir eine idyllische Welt theoretisieren und denken. Frieden geht viel weiter, und wie ein spanisches Lied sagt, ist Frieden nicht nur die Abwesenheit von Kriegen, Hass, Groll und Gewalt.
Im Hebräischen ist die Wurzel des Wortes „Frieden“ (Shalom) die gleiche wie die von Shalem, was zurückzahlen, vervollständigen, kompensieren bedeutet. Aus diesem Grund spricht man, wenn man von Frieden spricht, auch von Gleichheit und Gerechtigkeit. Frieden ist Gemeinschaft mit denen, die anders denken. Frieden verkörpert sich in den Leidenden, die neues Leben und Gerechtigkeit brauchen. Frieden baut sich langsam, aber sicher auf. Friede ist gemeinsam leiden mit unserem Nächsten und sich auch mit ihm freuen. Frieden bedeutet zu wissen, wie man der Hilfe anderer und der Liebe Gottes bedarf.
Der Heilige Geist, den Gott uns geschenkt hat, ermutigt uns, diesen Frieden, der in der Frohen Botschaft des Auferstandenen gegenwärtig ist, in der ganzen Welt, in allen Menschen zu verwirklichen. Ein Frieden nicht nur der Worte, sondern der Taten gegenüber unseren Brüdern und Schwestern.
Deshalb können und müssen wir heute mehr denn je von Frieden sprechen, weil wir damit alle Situationen sichtbar machen, in denen es gerade keinen Frieden gibt, und wir erkennen auch, dass wir den göttlichen Geist brauchen, um unsere Arme nicht zu senken und weiter daran zu arbeiten, eine andere Gesellschaft aufzubauen, in der Gleichheit und Gerechtigkeit ein Teil davon sind.
Wir sind mit dieser Aufgabe nicht allein. Gott führt und begleitet uns durch seinen Heiligen Geist. Unabhängig davon, woher wir kommen oder welche Sprache wir sprechen, lädt Christus jeden von uns ein, gemeinsam den Frieden zu suchen und aufzubauen, den wir so sehr brauchen. Frohe Pfingsten und Shalom für jeden von uns. Amen.
Jae Joong Ahn, Pastor, Koreanische evangelische Gemeinde Göttingen
Heute möchte ich meine ganz persönliche Erfahrung in Bezug auf den Frieden, den Jesus gibt und den ich in Jesus gefunden habe, mitteilen.
Nach Martin Heidegger ist der Mensch grundsätzlich ein Wesen, das sich ständig sorgt. In der Welt sein heißt: sich um sich und seine Existenz sorgen, besorgt sein um sich und für sich selbst sorgen. Solange der Mensch lebt, gehört er der Sorge. Die Sorge war immer omnipräsent in meinem Leben. Es war, als würde Heidegger mich direkt ansprechen.
Der Tod meines Vaters, als ich sieben Jahre alt war. Jahre der Armut gingen seitdem einher. Meine Mutter starb unglücklicherweise aufgrund von Magenkrebs. Darüber hinaus verhinderten die immer wiederkehrenden finanziellen Schwierigkeiten, friedliche Zeiten zu haben. Die meisten von uns haben Zeiten viel größerer Sorge und Angst erlebt als ich.
Das Leben in Deutschland war auch nach den besonders großen finanziellen Schwierigkeiten voller Angst und Unruhe. neun Jahre nach meiner Ankunft in Deutschland bekam meine Familie einen Abschiebungsbefehl. Nach anderthalb Jahren in Duldung dachte ich daran, Deutschland 2015 zu verlassen. Damals konnte ich die Stimme des Herrn noch einmal hören. Es war die Stimme des Himmels, die Jesus hörte, als er getauft wurde. „Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe“, war es die warme Stimme des Vaters. Als ich meine Überzeugung wiedererlangte, dass ich das geliebte Kind des Herrn war, konnte ich einen Frieden wieder finden, den ich sonst nirgendwo auf der Welt finden konnte. „Gott erweist uns seine Liebe darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren“ (Römer 5,8).
Das ist der Frieden, den ich durch Jesus Christus gefunden habe. Nichts bringt uns mehr Frieden, als dass der Herr uns liebt. Dann, wie der Autor von Psalm 27 bekannte, „fürchte ich mich nicht, auch wenn ein Heer gegen mich ist, und ich werde sicher sein, wenn der Krieg ausbricht“ (Psalm 27,3).
Margaretha Pangau-Adam, Leiterin der Indonesischen Perki-Gemeinde Göttingen
Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht“, Johannes 14,27.
Gibt es noch solchen Frieden in dieser Situation, in der immer etwas Schreckliches passiert? Wir leben noch in dieser Welt und Dinge, die wir nicht erwarten, passieren ständig. Eine Freundin von mir war einmal fast hoffnungslos, als sie plötzlich ihren Job verlor, und sie wollte einfach aufgeben und nichts mehr tun. Dann sagte sie eines Tages zu Gott, hier bin ich, Du bist mein Herr und hast alles, was ich brauche, ich vertraue Dir. Plötzlich spürte sie den Frieden Gottes und erlebte ihn erneut. Sie ist sich bewusst, dass Gott das Beste für sie vorbereitet, und sie macht sich keine Sorgen mehr um ihre Zukunft.
Manchmal lässt Gott zu, dass uns schlimme Sachen passieren, damit wir Ihm näher kommen, damit wir Gott in unserem Leben an die erste Stelle setzen und seinem Wort gehorchen. Leider, wenn so etwas passiert, versuchen wir oft, anstatt Gott zu suchen, die Dinge selbst zu begreifen, und fragen uns immer, warum das passiert…. warum… und warum. Dadurch verschwenden wir viel Zeit und den größten Teil unserer geistigen Energie und erreichen nichts. Dadurch wird sogar unser Leben ängstlich und unruhig. Der Friede Gottes übersteigt unseren Verstand und kann unsere Gedanken beherrschen, und wir finden diesen Frieden nur in Jesus Christus. Ein paar Tage nach der Schießerei in Uvalde Texas singt dort ein Chor das Lied: Wir brauchen Christus…wir brauchen Christus.
Dieser Friede ist ein Geschenk Gottes für diejenigen, die an Jesus glauben. Wenn wir dieses herrliche Geschenk empfangen, werden unsere Herzen nicht erschrecken und sich nicht fürchten egal was passiert ist, weil Gott in uns ist. Amen.
Georg Grobe, Pastor in Göttingen
Jesus sagt: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht“.
Dieser Satz von Jesus hat es in sich. Was meint er damit? Ich verstehe das für mich persönlich so:
Seit es Menschen auf der Erde gibt, kämpfen sie auch in Auseinandersetzungen und Kriegen gegeneinander. Mich bedrückt zurzeit das Leid der Menschen in der Ukraine in besonderer Weise. Dort wären Menschen ja schon froh, wenn es einen Waffenstillstand gäbe und nicht mehr geschossen würde. Aber Friede im Sinne der Bibel ist mehr als dass die Waffen schweigen. Er bedeutet, dass Völker und Menschen mit Respekt zusammenleben und sich gegenseitig ein Leben in Sicherheit gönnen. Wie schön könnte unser Leben sein, wenn wir das hinbekämen. Diesen Frieden will Jesus auch für uns. Darum sagt er: Den Frieden lasse ich euch…
Aber darüber hinaus gibt es bei Jesus noch mehr, nämlich den Frieden, den Jesus „seinen Frieden“ nennt. Worin besteht der? Jesus ist in unsere Welt gekommen, um uns mit Gott in Ordnung zu bringen. In der Bibel heißt es einmal: Nachdem wir Gott abgelehnt haben oder gegen ihn rebelliert haben, können wir jetzt Frieden mit Gott haben. Das bedeutet für mich, dass ich ein inneres Zuhause bei Gott habe und weiß, das kann mir niemand mehr nehmen. Selbst wenn mein Leben mit einem Unglück zu Ende geht oder die Welt in einem Atomkrieg untergeht, gibt es ein Leben bei Gott, das kein Mensch zerstören kann. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs haben viele Christen berichtet, dass ihnen dieser tiefe innere Frieden geholfen hat, bei all den schrecklichen Erfahrungen nicht zu verzweifeln, sondern weiter-zuleben. Diesen Frieden, der wie ein Strom in unser Leben fließt, bietet Jesus uns allen an.
Charlotte Scheller, Pastorin in Christophorus
Mit dem Herzen ist es so eine Sache. Ein Muskel in meiner Brust. Er versorgt meinen Körper und mein Hirn mit Sauerstoff und Nahrung. Meist schlägt es verlässlich. Manchmal ist es eigensinnig. Es setzt aus, wenn ich mich erschrecke, stolpert unbeholfen weiter. Es klopft mir bis zum Hals vor Angst. Oder wenn ich verliebt bin. Manchmal trage ich mein Herz auf der Zunge. Dann wieder verschließe ich meine Gedanken fest im Herzen. Ich bewahre Bilder darin auf und Worte.
Die Jünger Jesu haben bewahrt, was er ihnen zum Abschied gesagt hat. Obwohl ihr Herz nichts wissen wollte davon, dass er sterben musste. Später erinnern sie sich. Er hat gesagt: Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht (Joh14,27).
Leichter gesagt als getan. Mein Herz ist ängstlich. Wenn jemand eine kritische Frage stellt, vermutet es einen Angriff. Wenn jemand mich geschwisterlich ermahnt, hört es: Du bist mir ganz und gar nicht recht. Ich bin verstört von den Bildern der Gewalt. Kinder werden aus zerbombten Häusern getragen. Erwachsene können nicht glauben, was ihre Augen gesehen haben. Mein Herz sehnt sich. Der starke Gott, der Herr der Heerscharen soll den Mächtigen in den Arm fallen. Die Kriegsflugzeuge stoppen. Die Angreifer entwaffnen, damit die Überfallenen sich wieder wehrlos zeigen können.
Ich sehne mich nach Frieden auch in meiner eigenen kleinen Welt. Nach Vergebung da, wo Streit ist. Nach Licht, wo wir miteinander im Dunkeln tappen. Und nun sagt Jesus: Der Friede ist schon da. Ich habe ihn euch dagelassen. Jesus hat sich total wehrlos gemacht und seinen Angreifern so den Wind aus den Segeln genommen. Das hat ihn das Leben gekostet. Aber mit seinem Tod war nicht das letzte Wort gesprochen. Gott hat ihn auferweckt. Und uns seinen Frieden ins Herz gelegt.
Ich stelle mir den Frieden Jesu vor wie ein Zelt. Mein Herz findet Schutz darin. Ich bin sicher. Eingehüllt in sein Wort: Ja, du bist mir recht. Ich liebe dich und gebe mein Leben für dich. Aber immer wieder kriegt das Friedens-Zelt Risse. Kälte dringt ein. Ich denke, ich muss mich verteidigen. Das Zelt reparieren, neu aufbauen. Aber ich bin gar nicht die Erbauerin. Gott baut das Zelt. Es ist nicht an einen Ort gebunden. Gott stellt überall sein Zelt für mich auf. Ich kann jederzeit hineinschlüpfen.
Ein paar junge Leute. Sie bringen einen Kleinlaster mit Hilfsgütern in die Ukraine. Tag und Nacht sitzen sie am Steuer, von einer Kontrolle zur andern. Unterwegs wünschen Leute ihnen Glück. Soldatinnen, Zivilisten. Einige teilen ihr Essen. Beten mit ihnen. Beten für sie. Der Friede sei mit euch!
Auch in meinem Alltag ist er mit mir. Im Schutzraum des Friedens Christi kann ich mein ängstliches Herz wieder öffnen. Einen Spaltbreit oder ganz weit. Mich wehrlos zeigen. Zuhören. Die anderen als Gottes geliebte Kinder sehen. Schwestern und Brüder Jesu.