für Sie gesungen von Anne Dill, Thomas Plate, Almut Wickert und Charlotte Scheller
EG 117 Der schöne Ostertag
117:1 Der schöne Ostertag! Ihr Menschen, kommt ins Helle! Christ, der begraben lag, brach heut aus seiner Zelle. Wär vorm Gefängnis noch der schwere Stein vorhanden, so glaubten wir umsonst. Doch nun ist er erstanden, erstanden, erstanden, erstanden.
117:2 Was euch auch niederwirft, Schuld, Krankheit, Flut und Beben – er, den ihr lieben dürft, trug euer Kreuz ins Leben. Läg er noch immer, wo die Frauen ihn nicht fanden, so kämpften wir umsonst. Doch nun ist er erstanden, erstanden, erstanden, erstanden.
117:3 Muss ich von hier nach dort – er hat den Weg erlitten. Der Fluss reißt mich nicht fort, seit Jesus ihn durchschritten. Wär er geblieben, wo des Todes Wellen branden, so hofften wir umsonst. Doch nun ist er erstanden, erstanden, erstanden, erstanden.
Text: Jürgen Henkys 1983, frei nach dem englischen "This Joyful Eastertide"; Melodie bei Dirk Raphaelszoon Camphuysen 1624
Was Kleopas und sein Freund erleben, als sie denken, sie haben ihren besten Freund verloren. Eine Ostergeschichte nach Lukas 24,13-33. Für kleine und große Kinder in den Sand gemalt und frei erzählt von Anne Dill und Charlotte Scheller
Zum Anzeigen von Videos bitte auf den Button klicken. Durch das Aktivieren von Videos werden Daten an Youtube bzw. Vimeo übermittelt und du nimmst deren jeweilige Datenschutzerklärung an. Die Links dazu findest du in unserer Datenschutzerklärung.
Manchmal denke ich: Alles Wichtige passiert, wenn ich gerade draußen bin. Wir schauen Fußball, und das spielentscheidende Tor fällt ausgerechnet, während ich mir aus der Küche was zu trinken hole. Ich hör die andern jubeln, aber gesehen hab ich’s nicht. Oder der Abi-Streich. Natürlich war er an dem Tag, als du krank warst. Es ist nicht dasselbe, ob andere dir davon erzählen, wie witzig es war, oder ob du selbst dabei gewesen bist.
Deshalb mag ich Thomas. Der war nämlich auch nicht dabei in einem entscheidenden Moment. Ich meine den Thomas, der zu den ersten Freunden von Jesus gehörte. Sie wissen schon. Die hinter verschlossenen Türen saßen, nachdem Jesus tot und begraben war. Und warum? Weil sie traurig waren. Weil sie Angst hatten, dass man sie auch holen kommt. Weil sie nicht wussten, was sie jetzt machen sollten. Weil sie nicht glauben konnten, was andere redeten. Jesus soll auferstanden sein. Kein vernünftiger Mensch glaubt so was. Aber Jesus kommt durch die verschlossene Tür zu ihnen. Er sagt: Friede sei mit euch! Er zeigt ihnen seine Wunden, die Löcher in den Händen an den Stellen, wo sie am Kreuz festgenagelt waren. Die Schnittverletzung an der Seite, wo das Blut rausgelaufen ist wie Wasser. Jetzt sind sie sicher, es ist Jesus. Er hat sie angehaucht, eine Art Wiederbelebungs-Maßnahme, sie waren ja auch irgendwie tot innerlich, seit er gestorben ist. Er sagt: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Schuld vergebt, dem ist sie wirklich vergeben. Wem ihr sie aber nicht vergebt, dem ist sie nicht vergeben.
Stellen Sie sich vor! Die kriegen den Heiligen Geist eingehaucht. Von Jesus höchstpersönlich. Und Thomas ist draußen, genau in diesem heiligen Moment. Kein Wunder, dass er sich blöd vorkommt, als er davon hört. Die jubeln alle, aber er hat das Tor nicht gesehen. Die haben jetzt alle wieder richtig gute Laune, aber Thomas hat den Witz nicht mitgekriegt. Vielleicht liegt es daran, dass er nicht religiös ist wie die anderen. Er braucht Fakten. Handfeste Beweise. Vernünftige Antworten.
Tagelang bleibt Thomas außenvor. Möglich, dass er daran gedacht hat, aus dem Verein auszutreten. Vielleicht dachte er, wie kann ich Christ sein, wenn ich nicht glauben kann, dass Jesus lebt? Aber Thomas macht das Richtige. Er bleibt in der Gemeinschaft, er kommt weiter zu den Treffen. Er weiß, die anderen sind auch nicht die großen Helden. Alle haben schließlich Angst gehabt, als Jesus verhaftet wurde. Keiner ist bei ihm geblieben.
Bloß Jesus ist bei ihnen geblieben. Er hat ihnen nicht die Freundschaft gekündigt. Er hat sogar im Gegenteil gesagt: Ihr sollt meine Sache weiterführen. Von jetzt an werdet ihr den Frieden bringen und die Schuld vergeben im Namen Gottes!
Thomas kann es nicht glauben. Erst will ich selbst an seinen Händen die Löcher von den Nägeln sehen, sagt er. Ich will meine Hand in die Wunde an seiner Seite legen. Sonst glaube ich nicht! Immerhin sagt er nicht: Lasst mich in Ruhe mit eurem Jubel. Er sagt: Ich will auch etwas sehen und fühlen. Vielleicht ist das seine Art zu glauben. Die Sehnsucht, dass da noch etwas ist und noch einer kommt.
Für Thomas macht Jesus sich die Mühe, die Szene zu wiederholen. Und das ist keine Zeitlupe. Es geschieht live. Jesus kommt nochmal wieder und jetzt ist Thomas dabei. Friede sei mit euch, sagt Jesus wieder. Er lässt Thomas seine Wunden fühlen. Und jetzt geht etwas auf in Thomas. Eine Tür. Ein Körnchen Glaube. Es hat nur etwas Pflege gebraucht. Ein bisschen Geduld. Das braucht man, wenn etwas wachsen soll. Auch in der Seele. Thomas weiß auf einmal, es ist Jesus. Er sagt: Mein Herr und mein Gott!
Übrigens heißt der Thomas, von dem das erzählt wird, mit Nachnamen Didymos. Das bedeutet Zwilling. Ich verstehe das so, dass er ein Zwilling von mir sein könnte. Oder von jemand anderem, der das liest oder hört. Kein biologischer Zwilling. Ein Zwilling in Gedanken. Manch einer von uns ist bei der Kirche geblieben, obwohl er zweifelt. Manch eine wünscht sich Beweise dafür, dass Jesus noch unter uns ist. Sie möchte seine Wunden anfassen und mit ihren Augen sehen: Er ist es wirklich.
Gott hat jede Menge Geduld. Mit Thomas und mit allen seinen Kindern. Jederzeit können wir ankommen und sagen: Mein Herr und mein Gott! Oder einfach nur: Sei bei mir. Er will uns um sich haben. Glaubensstarke, Zweiflerinnen, Zuspätkommer, Sehnsüchtige. Ob wir’s glauben oder nicht. Amen.
Ostersonntag um sechs in Christophorus mit einer Taufe und vielen Liedern.
Herzlichen Dank an alle Mitwirkenden, besonders Rüdiger Brunkhorst (Musik/Technik), Colja Ossadnik (Kamera) und Paul Kaczor (Schnitt)!
Zum Anzeigen von Videos bitte auf den Button klicken. Durch das Aktivieren von Videos werden Daten an Youtube bzw. Vimeo übermittelt und du nimmst deren jeweilige Datenschutzerklärung an. Die Links dazu findest du in unserer Datenschutzerklärung.
Dreimal Auferstehung I. Mirjam. Sie streckt die Hände über ihren Kopf. In der Linken hält sie die kleine Handpauke, mit der Rechten schlägt sie darauf. Die Ärmel ihres Gewandes sind heruntergerutscht und zeigen nackte Haut. Die Füße stampfen im Takt, die Hüften wiegen sich, Hüpfer und Ausfallschritte wechseln sich ab. Mirjam tanzt. Jetzt verbeugt sie sich vor den anderen Frauen, fordert sie auf. Die Frauen folgen, manche zögernd, andere mutig und erlöst. Mirjam schlägt die Pauke. Der Zug der Tanzenden wird länger. Sie tanzen Gottes Lob. Danken ihrem Retter mit Leib und Seele. Mirjam beginnt zu singen. Groß und mächtig ist der Herr. Ross und Reiter warf er ins Meer!
Sie feiern Gott. Mirjam ist Prophetin, mit ihren Brüdern Mose und Aaron führt sie das Gottesvolk durch die Wüste. Mose redet mit Gott. Aaron redet mit den Leuten. Mirjam singt und tanzt. Gottes Geist erfüllt sie. Der Tanz ist Nehmen und Weitergeben, Dank an Gott und Aufforderung, ihm auch zu danken. In das Lob einzustimmen und mit Leib und Seele zu begreifen: Dass ich bin, ist Gottes Geschenk. Dass ich lebe inmitten der Welt, ist ein Wunder. Nichts ist selbstverständlich. Alles verdanke ich Gott. Dem Schöpfer und Erlöser.
Groß und mächtig ist der Herr, Ross und Reiter warf er ins Meer. Vielleicht die ältesten Worte unserer Bibel. Das Grundbekenntnis des Gottesvolkes. Gott ist stärker als ich selbst. Stärker als Ross und Reiter, als das größte Heer der bestausgerüsteten Elitetruppen. Mächtiger als alles, was mein Leben bedroht, mein Herz jagen lässt oder meine Gedanken. Alles, was mir zusetzt von außen oder in mir drinnen, alles muss untergehen, wenn der Herr im Himmel es will. Aber ich werde leben. So weit Mirjams Lied, gesungen mit Leib und Seele.
Wie sind Mirjam und ihre Leute da hingekommen an diesen Ort, in die Not, aus der Gott sie rettet? Sie wollten ausziehen aus Ägypten. Sie waren fremd da, ein kleines Grüppchen Hebräer, früher einmal gut gelitten, jetzt wie Fremde behandelt. Für die schwersten Arbeiten herangezogen bei wenig Lohn und ohne jedes Ansehen. Es hat ewig gedauert, Gott hat den Ägyptern viele Plagen geschickt, bevor der Herrscher sich erweichen ließ und die hebräischen Arbeiter ziehen ließ. Kaum losgezogen, jagt Pharao ihnen hinterher. Mit seiner ganzen Armee. Um sie zu vernichten. Im Buch Exodus, Kapitel 14, lesen wir:
Und der HERR verstockte das Herz des Pharao, des Königs von Ägypten, dass er den Israeliten nachjagte. Aber die Israeliten waren mit erhobener Hand ausgezogen.
Und die Ägypter jagten ihnen nach, alle Rosse und Wagen des Pharao und seine Reiter und das ganze Heer des Pharao, und holten sie ein, als sie am Meer bei Pi-Hahirot vor Baal-Zefon lagerten. Und als der Pharao nahe herankam, hoben die Israeliten ihre Augen auf, und siehe, die Ägypter zogen hinter ihnen her. Und sie fürchteten sich sehr und schrien zu dem HERRN und sprachen zu Mose: Waren nicht Gräber in Ägypten, dass du uns wegführen musstest, damit wir in der Wüste sterben? Warum hast du uns das angetan, dass du uns aus Ägypten geführt hast? Haben wir's dir nicht schon in Ägypten gesagt: Lass uns in Ruhe, wir wollen den Ägyptern dienen? Es wäre besser für uns, den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben.
Da sprach Mose zum Volk: Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der HERR heute an euch tun wird. Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals wiedersehen. Der HERR wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein.
Da erhob sich der Engel Gottes, der vor dem Heer Israels herzog, und stellte sich hinter sie. Und die Wolkensäule vor ihnen erhob sich und trat hinter sie und kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels. Und dort war die Wolke finster und hier erleuchtete sie die Nacht, und so kamen die Heere die ganze Nacht einander nicht näher. Als nun Mose seine Hand über das Meer reckte, ließ es der HERR zurückweichen durch einen starken Ostwind die ganze Nacht und machte das Meer trocken, und die Wasser teilten sich. Und die Israeliten gingen hinein mitten ins Meer auf dem Trockenen, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken. Und die Ägypter folgten und zogen hinein ihnen nach, alle Rosse des Pharao, seine Wagen und Reiter, mitten ins Meer.
Und das Wasser kam wieder und bedeckte Wagen und Reiter, das ganze Heer des Pharao, das ihnen nachgefolgt war ins Meer, sodass nicht einer von ihnen übrig blieb. Aber die Israeliten gingen trocken mitten durchs Meer, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken. So errettete der HERR an jenem Tage Israel aus der Ägypter Hand. (Exodus 14,8-14.19-23.28-30a)
Pharaos Herz: Verhärtet. Von Gott verstockt. Er hatte seine Chance. Jetzt wird der Herr der himmlischen Heerscharen an ihm seine Macht erweisen. Alles, was geschieht, ist Gottes Werk. Er geht mit seinem Volk. Der Ich-bin-da, so hat er sich Mose vorgestellt im brennenden Dornbusch. Er zieht ihnen voraus. Er ist hinter ihnen, wenn Feinde ihnen nachsetzen und sie vernichten wollen. Aber jetzt fürchten sie unterzugehen. Sie haben es ja gleich gewusst, dass es nichts wird mit der Freiheit. Hätte Mose sie doch in Ruhe gelassen. Tot sein konnten sie schließlich ebenso gut in Ägypten.
Diese Zweifel kriegen sie am Schilfmeer. Wo das ist, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Zu lange sind sie schon unterwegs. Zu schnell sind die Ägypter bei ihnen mit Wagen, Rössern und Reitern. Unwahrscheinlich, dass die Hebräer den direkten Weg genommen haben aus Ägypten. Aber so ist das mit Gott. Er geht auch auf ungeraden Wegen mit uns. Wir haben, wie die Israeliten, ein kurzes Gedächtnis. Eben noch hat Gott uns ins Leben gerufen. Hat uns beschenkt, erfüllt, ins Freie geführt. Wir haben es vergessen. Wir verlaufen uns, verlieren die Kontrolle, fürchten unterzugehen. Aber Gott geht uns hinterher. Sucht uns auf in unserer Angst. Ist genau da, wo das Wasser am tiefsten ist, wo es uns bis oben steht. Fürchtet euch nicht, sagt Mose am Schilfmeer zu seinen Leuten. Seht zu, was für ein Heil Gott heute an euch tun wird! Es führt kein Weg an den Fluten vorbei, wir müssen hindurch. Aber Gott geht mit. Sein Engel steht hinter uns und lässt die Feinde nicht an uns heran. Mose hält die Hand hoch, er zeigt zum Himmel. Hier ist die Macht! Der Ostwind weht die Wellen auseinander und die Israeliten können hindurchgehen. Rechts und links steht das Wasser. Die Wassermauern bleiben stehen. Aber das Gottesvolk lässt sie hinter sich. Nur der Schrecken wird ihnen bleiben. So wie ihr die Ägypter heute seht, sagt Mose, werdet ihr sie niemals wiedersehen. Gott streitet für euch. Er macht der todbringenden Macht ein Ende. Und ihr werdet stille sein.
II. Hermann. Sein Name bedeutet „Krieger“. Aber er mag nicht mehr kämpfen. Braucht selbst einen, der für ihn kämpft. Die letzten Monate sitzen ihm in den Knochen. Mitten im Leben wurde seine Frau ihm weggerissen. Ein langsames Sterben, sie haben an ihrer Seite gekämpft. Schritt für Schritt hat die Hoffnung sie verlassen. Der Tod sitzt mit am Tisch, hat er einem Freund geschrieben und der hat das ausgehalten. Hermann hat die Bilder noch im Kopf und im Herzen, den Schrecken, die Erschöpfung. Sein Alltag ist jetzt anders. Das Haus ist leer. Er muss lernen, für sich selbst zu sorgen. Die Kinder rufen an, jedes trauert auf eigene Art. Sie weinen und lachen. Er versucht, ihnen Vater und Mutter zu sein, und ist oft selbst trostlos.
Ausgerechnet an dem Ort, wo sie gestorben ist, trifft er den Engel. Sie ist kaum jünger als er, hat selbst dem Tod in die Augen gesehen. Er muss ihr nichts erzählen und doch reden sie lange. Sie sind einander Felsen in der Brandung, wenn die Flut wiederkommt. Die Trauer kommt in Wellen. Sie bleibt. Aber sie wandelt sich. Da ist auch ein Licht, ein glimmendes Flämmchen, schutzbedürftig, unsicher. Ist es Liebe? Sein Herz ist noch zittrig. Darf ich mir das erlauben, fragt es. Ja. Nein. Ja. Es öffnet sich zaghaft. Sie sagt: Hab keine Angst. Sie halten einander bei den Händen. Tasten sich vor, behutsam, auf dem Weg ins Leben. Ein neuer Morgen.
III. Maria. Fürchtet euch nicht, hat der Engel gesagt. Maria hat es gehört. Mit den anderen Frauen ist sie gekommen, frühmorgens, am Tag nach dem Feiertag. Sie hat das Liebste verloren, das sie hatte. Ihren besten Freund. Jesus, ihren Herrn. Sie sind gekommen, um seinen toten Körper zu salben, wenigstens die Hülle noch festhalten, ihn noch einmal sehen, ihn loslassen. Wie soll das gehen, ihn loslassen? Wie ein Stein lastet die Frage auf ihrem Herzen. Wie der Stein vor dem Eingang des Grabes. Wie die Steine, die auf unserem Herzen liegen. Die kleinen und großen Sorgen. Die Abschiede. Menschen, die wir verloren haben oder vor deren Verlust wir uns fürchten. Träume, die zerronnen sind. Aufgaben, die wir nicht bewältigt haben. Undenkbar, dass jemand den Stein wegrollt, so dass wir eintreten könnten. Betrachten, was vergangen ist, und loslassen.
Fürchtet euch nicht! Der Stein ist weg, die Tür offen. Die Frauen wagen sich ins Dunkle. Als sich ihre Augen gewöhnt haben, sehen sie den Jüngling mit dem weißen Gewand. Ein Engel, Gottes Bote, der sagt: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Seht, da, wo er gelegen hat, ist es jetzt leer. Sie sollen losgehen, sagt der Engel. Es den anderen sagen. Den Jüngern. Er geht vor euch her. Er hat euch doch gesagt, er wird leben und ihr werdet ihn sehen. Sagt es auch Petrus. Dem Felsen. Dem Eifrigen, der immer alles richtig machen wollte für Jesus. Und ihn dann verleugnet hat. Als er gefangen war, gefesselt, verhört, verhöhnt. Der Sohn des Allmächtigen ganz unten. Ich kenne ihn nicht! Petrus hat ein kurzes Gedächtnis. Aber Gott schickt ihm seine Botinnen hinterher. Er ist auferstanden, er geht uns voraus, er hat es gesagt, der Tod ist besiegt!
Maria kommt von Mirjam. Derselbe Name auf Latein. Er bedeutet „Meeresstern“, „die Geliebte“, „die Widerspenstige“. So viele Bedeutungen. So viele Arten zu leben. Maria am leeren Grab, sie tanzt nicht. Ihr Herz krampft sich zusammen, sie ist stumm vor Zittern und Entsetzen und dann flieht sie, rennt mit den anderen weg. Sie sagen niemandem etwas. Weil sie sich fürchten. Weil sie erst nachdenken müssen über all das, was sie mit Jesus erlebt haben. Weil sich sein Leben und Sterben auf einmal anders liest, von hier aus betrachtet. Erst später bricht sich die Botschaft Bahn, er lebt! Sie sagen es weiter und es entsteht eine ungeheure Kraft. Groß und mächtig ist der Herr. Er geht mit uns durch das Meer. Daran können wir denken, wenn der Tod uns zu schaffen macht. Wenn wir mit unserer Weisheit am Ende sind. Wenn uns das Wasser bis zum Hals steht. Wenn wir uns – Gedächtnis hin, Glaube her – fürchten. Wenn unser Herz Ja sagen möchte, aber sich nicht traut. Oder dem Allmächtigen nicht traut. Jesus lebt. Er ist uns vorausgegangen. Wir werden leben. Heute und am Ende der Zeit. Amen.
zu Jesaja 52,13-53,12 (gehalten in der Klosterkirche Nikolausberg) Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt (Jesaja 53,4-5).
Auf Abstand
Abendbrot. Seit sie den Kindern von ihrer Krankheit erzählt haben, sitzt der Junge auf einem anderen Platz. Es ist nicht ansteckend, hat die Mutter erklärt. Es wird schwer, es wird ihr manchmal schlecht gehen, sie wird schwach sein lange Zeit, aber zusammen schaffen sie das. Die Geschwister haben nachgefragt. Er nicht. Er ist auf Abstand gegangen, als ob der Stuhl, der jetzt frei bleibt zwischen ihnen, ihn schützen könnte vor der Gefahr, in der sie schwebt. Die ihrer aller Leben bedroht. Einmal, nach der Schule, hat er sich vorgewagt. Sie haben Witze gemacht über die Mütze, die die Mutter neuerdings trägt, eine Glatze hat sie jetzt, sie selber hat auch gelacht. Er hat sehen wollen, hat ihr blitzschnell die Mütze von Kopf gezogen. Sie ist erstarrt. Es war totenstill. Dann hat sie ihn angeschrien, mit Tränen im Gesicht vor Zorn und Scham. Er ist aus dem Zimmer gegangen. Stumm. Die Augen auf den Boden geheftet, die Zähne zusammengebissen. Er hat nicht geweint. Jetzt sitzt er wieder am Tisch mit ihr. Warum kann sie nicht gesund sein und hübsch wie die Mütter seiner Freunde?
Für nichts geachtet
Siehe, mein Knecht. Das vierte Gottesknechtslied. Der Knecht ist Gottes Bote. Er ist selbst die Botschaft. Aber er ist nicht prächtig, wie man es von einem Gottesboten erwarten könnte. Er kann ein Lied singen vom Leid. Er ist so hässlich, so vom Unglück gezeichnet, dass andere den Blick abwenden von ihm. Er ist wie ein dürrer Zweig, eine krumme Wurzel auf trockenem Boden, ohne Saft und Kraft. Er leidet unter Krankheit und Schmerzen. Lieber schaut man woanders hin oder wechselt die Straßenseite, als ihn anzusehen. Denn er ist vom Schicksal geschlagen, von Gott gestraft, wer weiß wofür. Der Allerverachtetste und Unwerteste, wir haben ihn für nichts geachtet.
Das kennt sie auch. Seit sie nicht mehr zur Arbeit kommt. Seit sie die Mütze trägt und manchmal tagelang nicht raus kann. Menschen machen einen Bogen um sie. Freundinnen rufen nicht an. Die Nachbarin huscht vorbei, ohne zu grüßen. Bis sie, die Kranke, ihr laut hinterherruft. Hallo? Lange nicht gesehen. Wie geht es dir? Die Nachbarin bleibt stehen. Starrt auf die Mütze. Dann in ihr Gesicht. Ohne Augenbrauen, ohne Wimpern. Aber mit einem Lächeln: Ich hab dich vermisst. Die Nachbarin murmelt etwas, dann sagt sie: Gut, dass du mich angesprochen hast. Ich wusste nicht, was ich sagen soll. Ob du reden willst und jemanden sehen. Jetzt bin ich froh!
Gewandelt
Krankheit, die man sehen kann. Offene Wunden und Verletzungen. Sie verunsichern. Die anderen. Den Kranken selbst. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg. Wir haben ihn für nichts geachtet. Wer spricht? Die Israeliten, Männer und Frauen, die nach Gott fragen in einer unübersichtlichen Zeit. „Wir“. Sie haben gelitten, das Volk ist gespalten, ein Teil ist im Exil gewesen, verschleppt in Feindesland, ein anderer in die Diaspora geflüchtet, als die Babylonier die Herrschaft übernommen haben im Land, einige haben im Land ausgeharrt. Alle haben es schwer. Die Heimkehrer sind verändert und fühlen sich fremd, kein Stein ist auf dem andern geblieben, kein vertrautes Zuhause, kein Tempel zum Beten, kein Ort, an dem du wirklich mit Gottes Gegenwart rechnen kannst. Nur ein Mensch, der offenbar Grauenhaftes erlebt hat. Er ist entstellt, sieht fast nicht mehr menschlich aus, er ist von allen verlassen. Dass sie ihn meiden, ist verständlich. Es entspricht ihrem Glauben. So haben sie es gelernt. Krankheit und Schmerzen kommen von Gott. Wer so vom Herrn geschlagen ist, kann ihm auf keinen Fall nahe stehen. Man nimmt sich in Acht, schützt sich und andere, man sieht ihn nicht an.
Wenn ich anders gelebt hätte, fragt sich die Mutter, wäre ich dann gesund geblieben? Hätte ich meinen Kindern den Schrecken erspart, meinem Mann die Angst?
Siehe, mein Knecht, sagt Gott. Ihmwird’s gelingen. An ihm wird sichtbar, was Gott für seine Leute plant. Gott will, dass sie hinsehen, dass „wir“ ihn ansehen.Wir sehen hin, gezwungenermaßen, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Darum haben wir ihn für nichts geachtet. Aber. Beim Ansehen des leidenden Knechts wandelt sich etwas. In denen, die ihn ansehen. Er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. Jetzt erkennen sie: Sein Leiden ist nicht selbst verschuldet. Es ist unsere Krankheit, die er trägt. Unsere Schmerzen. Er nimmt unsere Gottverlassenheit auf sich, damit wir Gott wieder finden!
Schärfer gesehen
Was habe ich falsch gemacht, dass ich krank bin, dass das Schicksal mir einen Menschen geraubt hat, meine Arbeit genommen, meinen Lebensplan zerstört? So zu denken, liegt nahe. Auch für uns. Meinten wir doch, wie haben es selbst in der Hand. Mag sein, dass wir hadern mit dem Schicksal, mit Gott. Aber im Leiden, in der Nähe des Todes wird uns auch unser eigenes Versagen bewusst. Selbst wenn wir dem Tod nur in Gedanken nahe sind. Wir sehen schärfer, was uns trennt von den Menschen um uns herum. Von uns selber. Von Gott. Wir sehen, wo wir schuldig geworden sind. Aber: Gott schickt seine Botschaft. In Menschengestalt. Er schickt seinen Knecht, damit seine Leute sehen, damit wir begreifen: Er nimmt die Schuld von uns weg und versenkt sie im äußersten Meer, damit wir geheilt werden!
Sie ist im Krankenhaus. Eine Freundin kommt zu Besuch. Sitzt an ihrem Bett. Sie schweigen lange. Als die Freundin geht, lässt sie eine Karte da. Auf die eine Seite hat sie geschrieben: Ich verstehe den da oben nicht. Aber ich bete, dass er dir beisteht. Auf der anderen ist ein Bild. Eine Ikone. Christus, das Gesicht zerfurcht, die Augenbrauen bilden eine Linie, gekreuzt von der senkrechten Stirnfalte. Er hat die Arme ausgebreitet. Lange steht die Karte auf ihrem Nachttisch. Wenn es ihr schlecht geht, wenn sie keinen sehen will und von keinem gesehen werden, denkt sie: Du weißt, wie das ist. Du hast selbst Schmerzen gelitten. Bist allein gewesen, von Gott verlassen. Du trägst das mit mir.
Stellvertretend
Siehe. Gott schickt einen Menschen, mit dem keiner gerechnet hat. Wer der Gottesknecht war, wissen wir nicht. Einer, der ein Beispiel gibt. Der so ist, wie Gottes Kinder alle sein könnten. Der Gottesknecht gibt sein Leben, damit sie sehen können, welches Ziel Gott mit ihnen hat. Sie haben sich verirrt wie Schafe ohne Hirten. Jeder ist seinen eigenen Weg gegangen, jede hat ihre Ziele verfolgt. Dabei haben sie Gott aus den Augen verloren. Oder die Beziehung komplett abgebrochen. Sie lassen sich das nicht anmerken. Sie halten sich gerade. Nur er geht gebeugt. Er trägt die Kosten der Trennung. Als ob Gott nicht mehr an seiner Seite wäre. Als ob es keinen Gott gäbe. Er schleppt die ganze Last. Die Scham. Die Schande. Die unendliche Einsamkeit. Er tut den Mund nicht auf. Protestiert nicht, lehnt sich nicht auf. Er gibt sein Leben hin. Ein Lamm, das geschlachtet wird. Mit Gott zu brechen, bedeutet den Tod. Er stirbt tausend Tode, stellvertretend für uns, die wir uns aus Gottes Reichweite entfernen. Er wird an unserer Stelle weggerissen aus dem Land der Lebendigen und mit den Gottlosen begraben. Wer denkt noch an ihn?
Nachfolgend
Einige aus Gottes Volk begreifen: Er ist unsere Rettung. Er gibt sich hin für uns. Gott hat ihn geschickt, damit er sein Leben für uns ausschüttet. Und damit wir die Irrwege verlassen und ihm nachfolgen. Die das Geschenk des Gottesknechts annehmen, werden selbst zu Botinnen und Boten. Sie bekennen sich zu dem Gott, der die Schuld vergibt. Der den Leidenden sieht. Der dem Schwachen aufhilft. Die Unfruchtbare segnet. Den Ausgegrenzten in die Mitte holt. Die Sünden der Älteren, wo möglich, wieder gut macht und das Land für die Jungen aufblühen lässt. Sie folgen ihm nach und handeln wie er. So kriegt der Knecht Nachkommen, auch wenn er sterben musste. So sehen alle im Land das Licht und die Fülle. Und Gottes Plan gelingt.
Verbunden
Gottes Bund mit seinem Volk Israel bleibt bestehen. Auch wenn der vollkommene Friede noch aussteht. Weil immer wieder neue Wunden aufbrechen. Weil einige Herrscher der Welt ihren Mund weit aufreißen und den Blick abwenden von den Leidenden. Weil Gerechtigkeit immer noch an vielen Orten auf der Strecke bleibt.
Christenmenschen haben in Christus den Gottesknecht gesehen. Den grünen Zweig, der vor Gott aufwächst. Heute sehen wir ihn am Kreuz. Er teilt unser Leiden, unsere Machtlosigkeit, unsere Gottverlassenheit. Er gibt sein Leben für uns hin. Nicht, um einen rachsüchtigen Gott zufrieden zu stellen. Sondern um uns die Bürde unserer Versäumnisse und Fehler von den Schultern zu nehmen. Damit wir miteinander von vorn anfangen können. Er hält mit uns aus, wenn wir noch kein Licht sehen. Sammelt uns wieder, wenn wir bloß unsere eigenen Wege verfolgt haben und in die Irre gerannt sind.
Zum ersten Mal ist sie wieder in der Kirche. Es ist Monate her. Viele hier hat sie lange nicht gesehen. Abendmahl. Anders diesmal, als sie es kennt. Jeder hat Brot und Traubensaft neben sich. Ein Stück vom Brot des Lebens. Ein Schluck vom Kelch des Heils. Sie wird gesehen. Von ihm und von allen. Sie ist bedürftig. Sie will Brot und Wein schmecken. Lebens-Zeichen Jesu, für sie gegeben und für viele zur Vergebung der Sünden. Andere nehmen teil. Eine Gemeinschaft, so verschieden sie sind. Mit ihnen lässt sie sich aufrichten. Neu ausrichten zum Leben.