Bei dem schweren Erdbeben im Grenzgebiet zwischen Syrien und der Türkei sind mindestens 49.000 Menschen ums Leben gekommen, zahlreiche weitere sind verletzt. Nachbeben schüren Ängste und fordern weitere Opfer. Die Partner der Diakonie Katastrophenhilfe sind vor Ort und leisten Nothilfe. Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende! Mehr zum Hintergrund lesen
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Liebe Gemeinde, im Januar 2023 werde ich in der Christophoruskirche ein Gemeindepraktikum absolvieren und dabei Sie und Euch und das Gemeindeleben kennenlernen. Ich bin sehr gespannt, was mich erwartet!
Naturverbunden, sportbegeistert und immer auf der Suche nach dem Sinn – diese drei Schlagworte beschreiben mich, Annika Weise, ziemlich gut. Gebürtig aus der Nähe von Lübeck, studiere ich zurzeit im 8. Semester Evangelische Theologie in Göttingen. Neben der Uni bin ich in meinem Studenten-wohnheim als Haussprecherin aktiv, engagiere mich auf dem Internationalen Schulbauernhof in Hardegsen und spiele leidenschaftlich gerne Cello und Tennis.
Für dieses Wintersemester 2022/2023 habe ich mich von der Uni beurlauben lassen, um die pastorale Vielfalt kennenzulernen. So habe ich bereits ein Praktikum in der Klinikseelsorge der UMG absolviert und es folgen noch ein Praktikum in der Deutschen Auslands-Gemeinde in Dublin und die Ausbildung zur Klinikseelsorgerin.
Ich freue mich auf die Zeit mit Ihnen und Euch und bin sehr gespannt auf die Begegnungen, die ich in der Christophoruskirche machen darf! Herzliche Grüße! Annika Weise
zu 1. Mose 41 von Charlotte Scheller Träumen Sie? Und falls Sie träumen: Können Sie sich hinterher an Ihren Traum erinnern? Und, falls Sie auch das mit Ja beantwortet haben: Können Sie etwas anfangen mit den Bildern Ihrer Träume, bedeuten sie Ihnen etwas?
Bekanntermaßen träumen wir alle. Jede Nacht. Wenn wir uns erinnern, dann vor allem an das, was wir direkt vor dem Aufwachen geträumt haben. Spätestens beim Versuch, die Träume zu deuten, scheiden sich die Geister. In den achtziger Jahren meinten Neurobiologen, Träume seien nichts als eine chaotische Reaktion bestimmter Gehirnregionen auf neuronale Reize. Heutige Forscher verbinden die neurobiologischen Erkenntnisse mit den Ansätzen der Traumdeutung von Freud und Jung vor 100 Jahren. Sie sehen, wie Körper und Seele zusammenwirken, wenn wir träumen. Wir verarbeiten die Eindrücke des Tages und ziehen unsere nächtlichen Schlüsse. Oft finden sich im Traum Wahrnehmungen wieder, die unterhalb unseres wachen Bewusstseins geblieben sind. Möglicherweise haben wir auch Bilder, Fähigkeiten und Erkenntnisse in uns, die im Lauf der Menschheitsgeschichte in unser Erbgut eingeflossen sind. Jedenfalls wagen sich unsere geheimen Ängste nachts heraus und die verborgenen Wünsche. In beidem stecken Kräfte für das wache Leben. Ob wir es mitbekommen oder nicht - wir arbeiten im Schlaf. Das Träumen ist lebenswichtig. Es reinigt die Gedanken und hilft uns, in der Wirklichkeit zu bestehen.
Pharao, der ägyptische König, träumt. Sieben Kühe, fett und schön, steigen aus dem Nil und weiden im saftigen Gras. Und dann steigen nochmal sieben Kühe aus dem Wasser, dünn und hässlicher als hässlich, solche hat man im ganzen Königreich noch nicht gesehen. Die stellen sich neben die schönen fetten Kühe und fressen sie auf. Ein zweiter Traum. Sieben Kornähren, prall und dick, wachsen auf einem Halm. Daneben gehen sieben andere auf. Dürr und vom Ostwind versengt. Die mageren Ähren verschlingen die vollen. Der König wacht auf. Es waren Träume, sagt er sich. Kühe fressen keine Kühe, aber die Bilder waren so real, dass er sie nicht abschütteln kann. Sein Sinn ist beunruhigt. Die Träume haben etwas angestoßen in ihm.
Der Pharao holt Wahrsager und Traumdeuter, Wissenschaftler aus dem ganzen Land, er muss wissen, was die Träume bedeuten, ein Hinweis auf die Zukunft, es geht um sein Leben und um das des Landes. Ägypten, die Kornkammer, vom Nil gespeist, dem Fluss des Lebens. Keiner der Gelehrten kann die Träume deuten. Die Unruhe am Hof steigt. Der oberste Mundschenk, einer der Bediensteten, nimmt allen Mut zusammen. Was er zu sagen hat, ist ihm doppelt peinlich.
Ich muss heute an meine Sünden denken, sagt er. Ein Fehler im Dienst, schon eine Weile her, er wurde suspendiert und ins Gefängnis geworfen. Da hat er geträumt, genau wie sein Mitgefangener, der oberste Bäcker. Die Träume waren beunruhigend und unverständlich. Aber da war Josef, ebenfalls inhaftiert, ein Hebräer, der hat ihnen die Träume gedeutet. Dem Bäcker hat Josef den Tod vorhergesagt und ihm, dem Mundschenk, Begnadigung und Leben. Was er sagte, ist eingetroffen. Dankbar hat er dem Josef sein wollen und, das ist die zweite Peinlichkeit, er hat den Hebräer vergessen. Die ganzen zwei Jahre, der Alltag hat ihn wieder und wer denkt schon gern an so dunkle Tage zurück. Erst heute erinnert er sich.
Der Pharao lässt Josef rufen. Der wird aus dem Gefängnis entlassen, lässt sich rasieren, zieht sich um und kommt zu ihm. Ich habe gehört, sagt der Herrscher, du kannst Träume deuten. Ich kann es nicht, sagt Josef. Mir steht es nicht zu. Aber Gott wird dem Pharao Gutes verkünden!
Menschen können nicht erkennen, was die Zukunft bringt. Auch die allergelehrtesten nicht. Unsere Zeit steht in Gottes Hand! Und Gott hat Gutes im Sinn. Nachdem das Grundlegende geklärt ist, erzählt der Herrscher Josef seine Träume. Beide, sagt Josef, haben dieselbe Botschaft. Sieben fette Jahre stehen bevor mit reichen Ernten. Darauf folgen sieben Jahre der Dürre. Eine teure Zeit. Sie wird den Reichtum der ersten Jahre vergessen lassen und alles, was davon geblieben ist, auffressen. Bei Gott, sagt Josef, steht die Sache fest. Was kommt, steht klar vor Augen. Es ist unabwendbar. Deshalb gilt es jetzt, klug zu handeln. Jetzt deutet Josef nicht mehr, er macht Pläne. Der Herrscher folgt dem Rat des jungen Hebräers. Er sorgt vor für sein Volk, lässt die Kornspeicher vergrößern und ordnet höhere Abgaben an. Der fünfte Teil der Ernte muss eingelagert werden. Oder sogar der ganze Ertrag. Josef wird zum Sonderbeauftragten ernannt. Er erhält das Siegel des Königs, eine Halskette, einen Prunkwagen für seine Inspektionsreisen. Nach dem Pharao ist er nun der mächtigste Mann im Land. Die Ägypter haben Kornsilos, die Nachbarvölker noch nicht. Die dürren Jahre kommen und Ägypten verkauft Korn in alle Länder.
Bis heute wechseln sich am Nil ertragreiche Jahre mit dürren Jahren ab. In den Bergen Äthiopiens entsteht der fruchtbare Schlamm und wandert den Fluss hinab, 4500 Kilometer bis Ägypten, wo Josef mit dem Pharao sprach. Wenn es aber am Oberlauf zu trocken ist, wenn Dürre herrscht in Ostafrika, so wie jetzt, viertausend Jahre später, dann bleibt der fruchtbare Schlamm aus. Das bedeutet Hunger. Kein Korn. Kein Brot. Kein Fleisch. Die teuren Jahre fressen alles Ersparte auf. Ägypten ist davon heute nicht mehr so stark betroffen, der Assuan-Staudamm sorgt für Bewässerung. Aber in Äthiopien, in Kenia und Somaliland sind die Böden jetzt wieder zu trocken, um etwas anzubauen. Für die kleinbäuerlichen Familien bedeutet das: Keine Ernte und nicht genug zu essen. Auch die Viehhirtinnen leiden unter der Trockenheit. Bilder erreichen uns von ausgemergelten Tieren auf der Suche nach Wasser. Von Kindern, die vor Durst und Erschöpfung reglos daliegen. Bilder wie böse Träume. Sie lassen uns nicht los.
In diesen Tagen lassen uns die Nachrichten angstvoll in die Zukunft schauen. Die Bilder vom Krieg in der Ukraine und die Sorgen in der Pandemie überdecken die anderen. Deshalb ruft die Welthungerhilfe jetzt zum Spenden auf für Ostafrika, wo die Dürre Menschen und Tieren die Lebensgrundlage raubt. Deshalb hängt sich eine achtundachtzigjährige Christin aus Göttingen ans Telefon und ruft Politiker, Journalistinnen und Kirchengemeinden an. In Göttingen und Berlin. Ihr ganzes Seniorinnen-Taschengeld gibt sie dafür aus. Früher, erzählte sie mir, waren die Wiesen „wie bunt gestickte Teppiche, keiner hat sie abgemäht und die Tiere haben es gern gefressen“. Heute sind die meisten Böden versiegelt und können kein Wasser mehr aufnehmen. In diesem Jahr haben wir nicht vorgesorgt. Wir haben schon am 28. Juli alle Ressourcen verbraucht, die bis Dezember hätten reichen müssen. Wir leben auf Pump, auf Kosten unserer Kinder und Enkelkinder. Die große Teuerung hat schon begonnen.
Gott hat Gutes im Sinn für seine Kinder. Gott hilft uns, die Bilder zu verstehen. Gott schenkt uns klare Sicht und will, dass wir klug handeln. In Oberhausen haben zwei Unternehmen seit dem Herbst 1800 Bäume gepflanzt. Auch dabei heißt es klug sein. Die richtigen Bäume aussuchen. Sie ausdauernd pflegen und trotzdem Wasser sparen. Sich ehrlich machen und auch den Firmenalltag umrüsten, damit er klimafreundlich wird. Unsere Kindergarten-Kinder bringen uns bei, Plastik zu vermeiden beim Einkaufen. Immer mehr Menschen steigen aufs Rad. Verzichten auf Ferien-Flüge. Kirchengemeinden bauen Solaranlagen.
Also alles in unserer Hand? Dann seh ich schwarz für die Zukunft. Für meine eigene und die unseres Planeten. Wie gut, dass Josef dieser Überheblichkeit wehrt. Gleich zu Beginn seiner Unterredung mit dem Pharao. Er sagt: Die Zukunft anzusagen, steht nicht bei mir. Es steht bei Gott, und Gott hat Gutes mit uns vor! Ein anderer Traum kommt mir in den Sinn. Im letzten Buch der Bibel. Da ist von der Stadt Gottes die Rede. Von einem Leben ohne Leiden und Schmerz. Von der Quelle des lebendigen Wassers, zu der alle Zugang haben. Von ihr zu trinken, ist nicht teuer, es ist umsonst.
Ob wir uns an unsere Träume erinnern oder nicht, spielt also womöglich gar keine so große Rolle. Als Christen teilen wir den Traum von Gottes Reich. Von seiner Stadt des Friedens. Wir sind eingeladen, ihn mitzuträumen. Und Kopf und Herz und Hände dafür einzusetzen, dass er Wirklichkeit wird.
Können wir das denn? Das Bild von den hässlichen Kühen, die alles Fruchtbare fressen, ist stark. Was kann ich tun, damit die mageren Kühe nicht meine Hoffnung auffressen und die versengten Kornähren nicht meine Lebensfreude verschlingen? Ich muss an Paulus denken. Wie er sich oft schwach und machtlos gefühlt hat. Wie ihn böse Gedanken und Bilder gequält haben. Wie er sich dann festgehalten hat an dem, was Gott ihm sagt: Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit (2Kor12,9). Also werde ich schauen, was ich mit meiner kleinen Kraft dazu beitragen kann, dass die Speicher nicht leer werden. Jede braucht Brot und Wärme und Lebensmut. Wenn ich mithelfe, dass ein Mensch neben mir Nahrung hat für seinen Körper und seine Seele, ist es genug für diesen Tag. Amen.
Die große Verwandlung. Predigt zu Jesaja 35 von Susanne Paul, Landespastorin für die Arbeit mit Frauen
Jesaja zeichnet ein Hoffnungsbild mit Worten in schweren Zeiten.
Er kennt ihren Schmerz und ihre Sorgen und erinnert sie an die Momente, in denen sie Gott spüren können. So können sie neue Hoffnung schöpfen und sich gegenseitig stärken. Ich lese aus dem 35. Kapitel im Buch Jesaja:
Wüste und dürres Gebiet sollen sich freuen!
Das öde Land möge jauchzen
und blühen mit Narzissen!
Blühen möge es, blühen und jauchzen
mit Jauchzen und Jubeln!
Die Pracht des Libanon wird ihm verliehen,
die Zier des Karmel und des Scharon.
Sie sehen die Pracht GOTTES,
die Zier unserer Gottheit.
Macht die schlaffen Hände stark
und festigt die stolpernden Knie!
Sagt denen, deren Herz rast: »Seid stark! Fürchtet euch nicht!«
Schau hin: Eure Gottheit kommt zur Rache.
Das sind Wohltaten der Gottheit:
Sie kommt und wird euch retten. Dann werden die Augen der Blinden geöffnet
und die Ohren der Tauben aufgetan. Dann werden die Lahmen wie Hirsche springen
und die Zungen der Stummen jubeln.
Ja, in der Wüste brechen die Wasser auf
und die Bäche im dürren Gebiet. Dann
wird der Wüstensand zum Schilftümpel
und das durstige Land zur Wasserquelle.
Der Jagdgrund der Schakale
wird zum Weideplatz und das Wüstengras
zu Schilfrohr und Papyrus.
Eine Straße und einen Weg
wird es dort geben.
›Heiliger Weg‹ wird er genannt werden.
Keine Unreinen gehen auf ihm.
Er gehört denen, die ihn gehen,
auch Dummköpfe gehen dort
nicht in die Irre. Dort wird kein Löwe sein,
und kein reißendes Tier wird da gehen,
ja, in der Wüste brechen die Wasser auf
und die Bäche im dürren Gebiet.
Sie befinden sich dort nicht,
aber die Ausgelösten werden ihn gehen.
Die von GOTT Freigekauften
werden zurückkehren
und nach Zion kommen mit Jubel. Fortwährende Freude ist über ihren Köpfen. Frohlocken und Freude holt sie ein,
und es fliehen Kummer und Seufzen.
Ton Steine Scherben: Der Traum ist aus
Liebe Gemeinde!
Der Traum ist aus!
Der Traum vom dauernden Frieden in Europa zum Beispiel! Wie froh betonen die Redner*innen am 8.5. immer, dass nun schon 77 Jahre Frieden ist in Europa.
Der Traum ist aus – eigentlich schon seit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien – der wird ja schnell einmal vergessen. Aber jetzt seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine gerät spürbar ins Wanken, was wie selbstverständlich zu unserem Leben gehörte: in großer Ferne zu den kriegerischen Auseinandersetzungen der Welt zu leben. Da, ganz weit weg, da gab es das, aber hier …… Dieser Traum ist aus. Und mit ihm der Traum vom unbegrenzt wachsenden Wohlstand – nicht für alle, auch das ist in diesem Traum immer schon ausgeklammert, aber doch für sehr viele. Gedanken darüber sind nötig, wie das wird im Winter mit dem Gas und dem Öl, ob es wohl kalt wird? Fragen, wie das wird, wenn die Preise immer mehr anziehen.
Und was das alles wohl für die Klimadiskussion bedeutet, die so drängend ist, und die viele – und ich gehöre dazu – so gerne wegträumen: irgendwie wird es eine Lösung geben und alles kann bleiben wie bisher.
Der Traum ist aus.
Aber wie geht es jetzt weiter? Das frage ich mich. Ist es jetzt so, dass Aufrüstung nötig ist zu unserem Schutz; Männer in Uniformen, die kämpfen müssen, auch wenn sie nicht wollen, und Frauen, die mit Kindern und den Älteren der Familie fliehen – sollen das Bilder der Zukunft sein? Und geht es jetzt in der Politik wieder um Machtdemonstrationen von größer, lauter, stärker? Wenn ich daran denke, schüttelte es mich und gleichzeitig bin ich ratlos und unsicher. Ich will nicht naiv und realitätsfremd vom Frieden reden, aber auch nicht alten längst überwunden geglaubten Herrschaftsweisen das Wort reden.
Und – dass der Traum aus ist – ich will es nicht glauben.
„Wüste und dürres Gebiet sollen sich freuen! Das öde Land möge jauchzen und blühen mit Narzissen! Blühen möge es, blühen und jauchzen und Jauchzen und Jubeln. Die Pracht des Libanon wird ihm verliehen, die Zier des Karmel und des Scharon. Sie sehen die Pracht GOTTES, die Zier unserer Gottheit. Macht die schlaffen Hände stark und festigt die stolpernden Knie! Sagt denen, deren Herz rast „Seid stark! Fürchtet euch nicht!“
Hier will einer auch nicht aufhören, den Traum des Friedens und der Gerechtigkeit zu träumen.
Die Menschen, die diese Worte hören, haben einiges hinter sich. Der Tempel, der Ort, wo Gott mit ihnen lebte, ansprechbar und präsent war, war zerstört bis auf die Grundmauern. Die Oberschicht Jerusalems wurde ins Exil nach Babylonien verschleppt, die ärmere Stadtbevölkerung lebte unter der Besatzung. Und als das Exil nach Jahrzehnten beendet wurde, weil die Babylonier durch die Perser besiegt waren, kehrten viele zurück in ihr Land, voller Hoffnung, dass nun wieder alles gut würde. Der Tempel wurde wieder aufgebaut – Gott hatte wieder einen Ort mitten unter ihnen. Aber genauso wie der Tempel nicht mehr so prächtig war wie der alte, war auch ihr Leben nicht mehr dasselbe wie vor der babylonischen Eroberung. Die Perser verlangten hohe Steuern, die Schere zwischen Arm und Reich wuchs, die Spaltung zwischen denen, die ärmer auf dem Land lebten und denen, die in der Stadt waren, wurde zusehends größer.
Auch hier: Aus der Traum! Nichts von dem in der Ferne geträumtem „Alles wird so wie vorher“. Die kriegerischen Auseinander-setzungen, der Verlust der Erfahrung, sicher zu wohnen, Armut und Existenzangst - sie zeichneten sich ein in die Leben der Menschen und ließ ihre Kraft zu träumen klein werden.
Jesaja hält dagegen. Gebt nicht auf, so lese ich zwischen den Zeilen seiner Worte. Und er lenkt den Blick auf die Hoffnungsbilder, die sie kennen: sie leben in der Wüste, die im Frühling für kurze Zeit zu einer Farbenpracht wird, die den Atem nimmt. Monatelang ist der Boden karg und trocken – nicht möglich, dass da Leben drinsteckt. Und auf einmal bricht es mit Macht durch die harte Erde und wird grün und rot und bunt und leuchtet – nur für kurze Zeit. Aber wer das einmal gesehen hat, schaut anders in die Wüste, kann träumen von der wunderbaren Schöpfung Gottes, der auch die dürren Zeiten nichts anhaben kann. „Denkt an diese Kraft, die ihr kennt, die ihr seht, die mit euch ist!“
Und ich spüre die Kraft dieser Bilder, denke an die Blumenzwiebeln, die ein Jahr wie tot in der Erde liegen und auf einmal so prachtvoll sind, liebe das Gelb der Osterglocken im Frühling und das Grün der Blätter an Bäumen, die im Winter wie tot sind. „Gib nicht auf, diese Kraft kennst du und sie ist bei dir!“
Und Jesaja sieht, wie das Leben ist in dieser immer noch besetzten Stadt, in der viele einfach nur überleben wollen und andere einfach nur das halten wollen, was sie haben, in der manche müde sind vom Lebenskampf und andere nicht mehr wissen, was denn nun ihr Weg, ihr Ziel ist. „Macht die schlaffen Hände stark und festigt die stolpernden Knie“.
Jesaja weiß, dass sich die Erfahrungen der Menschen in ihren Körpern einzeichnen: Kämpfen und Verlieren, Bleiben und Aushalten, Weggehen und Wiederkommen, arm sein und die Angst davor, es zu werden: all das nimmt den Knien den halt und den Händen die Kraft. Aber gegenseitig, so schreibt Jesaja, gegenseitig könnt ihr euch Halt geben und aufrichten – weil Gott, eure Kraft, da ist so wie sie schon immer da war: in all den Wüstenzeiten, die ihr und eure Mütter und Väter, Generationen vor euch erlebt haben.
Jesaja erinnert die Menschen an das, auf das sie zurückschauen können, lässt Hoffnungs-bilder aus der Vergangenheit zur Zukunft werden.
Und ich überlege, was meine Hoffnungsbilder sind, die für mich Zukunft werden können.
Und ich sehe mich als junge Studentin auf der großen Demonstration in Bonn gegen die Aufrüstung und für den Frieden mit 100.000 anderen, denke an das lila Kirchentagstuch: Umkehr zum Frieden.
Sehe die, die sich seit 2015 für die syrischen Flüchtlinge und heute für die ukrainischen Frauen und Kinder engagieren.
Sehe die jungen Leute, die freitags demonstrieren und ihr Recht auf Zukunft einfordern.
Sehe uns heute Morgen hier in der Kirche Gottesdient feiern – obwohl wir vielen anderen wie aus der Zeit gefallen erscheinen.
Rio Reiser singt: „Der Traum ist aus – aber ich werde alles geben, dass er Wirklichkeit wird.“
In genau dieser Spannung lebe und glaube ich. Es ist Krieg und Menschen sterben. Aber ich will nicht aufgeben, an die Möglichkeit des Friedens zu glauben. Es geht nicht gerecht zu bei uns, aber ich will nicht aufhören, daran zu glauben, dass es anders sein kann. Ich weiß oft genau genau, was gut zu tun wäre, und schaffe es nicht – aber ich will nicht aufhören, daran zu glauben, dass ich mich ändern kann.
Wüsten blühen – nur für kurze Zeit, aber sie blühen. Ich glaube, Gott träumt auch, dass sie einmal für immer blühen – wenn wir diesen Traum teilen.
Rio Reiser: Der Traum ist aus.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, schenke uns die Kraft zum Träumen und die Bilder der Hoffnung, die zum Leben einladen. Amen.
Quelle: Susanne Paul (1); Charlotte Scheller
Pastorin Susanne Paul | Überleben in der Stadt | kurze Blüte