zu Johannes 21,15-19
aus der Predigtwerkstatt von Charlotte Scheller und Anne Dill, wiedergegeben von Sandra Beverungen und Charlotte Scheller
SB: Wir sind gerade in einer Zwischenzeit: Wir haben Ostern gefeiert, das nächste große Fest ist Himmelfahrt. Jesus ist auferstanden, aber er ist noch nicht zurückgekehrt zu seinem Vater im Himmel. In dieser Zwischenzeit ist Jesus seinen Jüngern mehrmals begegnet. Von einer dieser Begegnungen berichtet unser Predigttext aus Johannes 21.
15 Da die Jünger und Jesus nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr, als mich diese lieb haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer! 16Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! 17Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! (Johannes 21,15-17)
CS: Die Szene berührt mich. Zwei Menschen, die einander nahe stehen, führen ein Gespräch. Offenbar ist es nicht für meine Ohren bestimmt. Und doch werde ich zur Zuhörerin. Wie in einem Café, wenn eine Stille entsteht, zufällig oder auch nicht, und du hörst die Stimmen des Paars am Nebentisch. Liebst du mich, mehr als alle anderen? - Du weißt, dass ich dich liebhabe! Aber. Das ist kein Liebespaar, dem wir hier zuhören. Es sind Jesus und Petrus. Sie sprechen nicht auf Augenhöhe. Jesus ist in der stärkeren Position. Er ist der Meister. Er war der Verratene. Er ist der Auferstandene. Er kann etwas fordern. Petrus, oder soll ich ihn Simon nennen wie vor der Zeit, als er Jünger war, also Simon hat viel wieder gut zu machen. Falls das überhaupt geht. Ich bin peinlich berührt. Warum macht Jesus das?
SB: Vielleicht ist es ein Test. Jesus will seine Macht nicht missbrauchen, sondern er testet Petrus.
CS: Testen – das macht man doch nicht unter Liebenden!
SB: Doch, das macht man. Jesus will wissen, dass es Petrus ernst ist. Sie haben ja eben beim Essen schon geredet. Vielleicht hat Petrus sich schon wieder groß getan oder wichtig gemacht. Vielleicht ist er auch hin- und hergerissen: Er hat Jesus verleugnet, aber er ist auch wieder der Anführer der Jünger. Er hat sie eingesammelt. So wie früher. „Ich geh fischen. Kommt ihr mit?“ Und die anderen sind mitgekommen und ihm gefolgt. Aber die Beziehung zwischen ihm und Jesus ist noch nicht geklärt. Er ist unsicher.
CS: Dabei ist doch alles wie früher. Die Freunde mit Jesus am See, es duftet nach Brot und gebratenem Fisch, alle unterhalten sich. Ist das jetzt ein Zweier-Gespräch oder hören alle zu?
SB: Nein, es ist etwas Privates zwischen Jesus und Petrus; es geht um Deine Haltung.
CS: Wen meinst du mit „Deine“?
SB: Petrus ist gemeint. Aber auch wir. Sonst würden die uns gar nicht mithören lassen.
CS: Hör mal. Jesus sagt: Simon, Sohn des Johannes. Er sagt „Simon“, nicht „Petrus“. Für mich klingt das wie „Simon, du Erdling“.
SB: Jesus sieht ihn, wie er ist. Trotzdem reden sie einander vorbei.
CS: Es ist typisch Johannes, das so zu berichten.
SB: Hör doch mal zu! Jesus fragt: Liebst du mich? Und Petrus sagt: Ja, ich hab dich lieb. Im Griechischen ist das noch deutlicher. Jesus fragt: Agapeis, das heißt liebst du mich, mehr als dein Leben? Und Petrus antwortet: Phileo – ich hab dich lieb wie einen Freund.
CS: Das ist eigentlich angemessen, sie sind doch Freunde. Aber Gott fragt nach einer anderen Liebe. Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst. Das höchste Gebot, Lukas 10,27.
SB: Das kann Petrus aber gerade nicht sagen. Er ist ehrlich. Jesus geht auf Petrus zu. Beim dritten Mal fragt er: Phileis me? Hast du mich lieb wie einen Freund? Er verlangt nicht mehr, als Petrus leisten kann. Aber Petrus merkt es nicht mal. Er wird bloß traurig, weil Jesus zum dritten Mal fragt.
CS: Petrus wird einerseits traurig, weil Jesus Abstriche machen muss. Die große Liebe mutet er ihm nicht zu, bloß Liebhaben. Aber er ist auch traurig, weil er Jesus dreimal verraten hat.
SB: Trotzdem kriegt er den Auftrag: „Weide meine Lämmer!“
CS: Das macht ein Hirte. Ein Leiter. Als Johannes das aufschreibt, gibt es schon seit Jahrzehnten Gemeinden mit Schafen und Hirten. Leider sind es nicht immer gute Hirten. Genauso wenig wie im Staat. Da missbrauchen die Hirten ihre Macht und liefern die Schafe ans Messer. In der Kirche soll es anders sein. Aber auch die Kirchen-Hirten haben ihre Grenzen. Da ist Petrus nicht der Einzige.
SB: Selbst bei einer Pastorin ist das so. Niemand kann all seinen Lämmern gerecht werden. Trotzdem denke ich jetzt an die ganz normalen Alltags-Christinnen. Konfis, Tauf-Eltern, Jubelpaare, Nachbarinnen. Wie sollen sie die Lämmer weiden?
CS: Wir sind zusammen Gehilfinnen des Hirten. Johannes will mir Mut machen, Jesus zu lieben, ganz menschlich. Jesus kommt damit klar, dass ich ihn dauernd verrate. Ich kriege trotzdem den Auftrag, meinem Mitmenschen wie einem Freund zu begegnen. Das genügt. Es muss nicht die ganz große Liebe sein. Wir müssen nur miteinander klarkommen in der Gemeinde. Die große Liebe kommt von Jesus. Er tankt aus der Liebe zwischen ihm und dem Vater.
SB: Aber bevor Jesus Petrus beauftragt, fragt er ihn: Wie stehst du zu mir?
CS: Also muss ich erst klären, wie ich zu ihm stehe, und erst dann kann ich Schafe weiden?
SB: Ich glaube nicht, dass das nur in dieser Reihenfolge geht. Man kann auch hin- und herspringen.
CS: Das erlebt Petrus ja auch: Treue, Verrat, neuer Auftrag.
SB: Lies mal weiter, die Geschichte ist noch nicht zu Ende!
CS: 18Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hinwolltest; wenn du aber alt bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst. 19Das sagte er aber, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde. Und als er das gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach! (Johannes 21,18-19)
SB: Diese Geschichte mit dem Gürten. Warum sagt Jesus das jetzt? Wie passt das zusammen?
CS: Früher dachte Petrus, er kann sich selbst gürten und rüsten. Damit ist er gescheitert. Er wollte mit dem Schwert für Jesus kämpfen, aber Jesus wollte nur, dass er ihm treu bleibt. Petrus hat ihn verraten. Jetzt gürtet Jesus ihn und rüstet ihn auf seine Weise aus.
SB: Am Ende stirbt Petrus den Märtyrer-Tod. Aber das ist noch in der Zukunft. Noch ist Petrus in einem Zwischenstadium. Jetzt kann er nur Menschliches geben. Aber er ist auf dem Weg, die Schafe zu weiden und Jesus mit aller Kraft zu lieben. Gott wird ihn ausrüsten. Später wird er älter sein, dann wird er gegürtet werden.
CS: Ich finde das entlastend, ich muss mich nicht selbst gürten und rüsten.
SB: Dazu braucht man aber großes Vertrauen. Er wird geführt, wo er nicht hinwill.
CS: Er wird, das ist ihm fest zugesagt, nicht etwas, das er irgendwie selbst schaffen muss.
SB: Aber bin ich Petrus?
CS: Nicht direkt Petrus. Aber du könntest dich fragen: Für was braucht Jesus mich? Wem kann ich beim Wachsen helfen? Wer braucht meinen Schutz? Für wen kann ich kämpfen oder beten, für wen soll ich vor Gott eintreten?
SB: Zum Beispiel für Kleine, die noch keine Ahnung haben, wie es läuft. CS: Du meinst Anfänger im Glauben?
SB: Ja. Aber auch tatsächlich kleine Menschen, Kinder, Hilflose. Ich möchte ihnen helfen, an Jesus festzuhalten.
CS: Jesus und Petrus halten aneinander fest, obwohl Petrus Jesus verraten hat. Die Fehler müssen nicht glattgebügelt werden. Die Beziehung ist tief und stark.
SB: Ich komme nochmal auf das Händeausstrecken und Gegürtetwerden zurück. Wenn mir jemand einen Gürtel umlegen soll, muss ich die Hände hochmachen.
CS: Wenn ich so die Hände hochnehme, bin ich wehrlos. Das ist auch eine Gebetshaltung: Hier bin ich, Gott. Ausgeliefert, hilflos. Mach was!
SB: Jesus hat das am Kreuz auch gesagt: Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist.
CS: Spätestens, wenn ich sterbe, werde ich mich auch gürten und führen lassen müssen, wo ich nicht hinwill. Aber ich gerate auch mitten im Leben in Situationen, wo ich nicht hinwollte. Ans Bett einer sterbenden Freundin zum Beispiel. Da kann ich nur die Arme hochnehmen und die Hände ausstrecken: Ich hab keine Ahnung, Gott. Führ du mich.
SB: Und wenn ich es nicht hinkriege meine Hände auszustrecken, weil ich Angst habe oder kein Vertrauen – was ist dann?
CS: Für Jesus ist das keine Frage. Er sagt es fest zu: Du wirst deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen. Es kann sein, dass es hart kommt. Aber dafür wirst du gerüstet und da hindurch wirst du geführt.
SB: Die Hände ausstrecken, das machen auch schon Kinder. Wir Erwachsenen haben es uns abgewöhnt. Große (Gebets-)Gesten sind uns peinlich.
Dass ich zugebe, ich brauche Hilfe, ist ein großer, wichtiger Schritt. Ich kann die Hilfe auch in Gedanken erbitten, ohne große Geste. Und schauen, wo ich selbst Helferin sein kann.
Ich möchte mir diese Woche Zeit nehmen und überlegen: Wozu braucht Jesus mich?
CS: Das möchte ich auch tun. Dann werde ich eine Kerze anzünden. Für mich eine Geste finden, eine Gebetshaltung. Die Hände auszustrecken, ist schon mal ein guter Anfang.
SB: Amen.