Krasse Gottesbegegnung. Predigtgedanken zu 2. Petrus 1,16-19 (Charlotte Scheller und Anne Dill)

Sat, 30 Jan 2021 13:17:21 +0000 von Anne Dill

Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, sondern wir haben mit eigenen Augen die wahre Macht und Größe von Jesus Christus gesehen. 
Gott, der Vater, ließ seine Ehre und Herrlichkeit sichtbar werden – damals, als von der Ehrfurcht gebietenden Herrlichkeit Gottes her eine Stimme erklang, die zu ihm sprach: "Das ist mein Sohn, ihn habe ich lieb. An ihm habe ich Freude." 
Diese Stimme haben wir selbst gehört. Sie kam vom Himmel, als wir mit Jesus auf dem heiligen Berg waren. Umso fester haben wir das prophetische Wort. Und ihr seid gut beraten, wenn ihr euch daran haltet. Denn dieses Wort ist wie ein Licht, das an einem dunklen Ort brennt – so lange, bis der Tag anbricht und der Morgenstern in eurem Herzen aufgeht. 
 

Charlotte Scheller: Mich erinnert das an den Deutschunterricht: „Ein Rab‘ hatte einen Käse gestohlen, setzt sich auf einen Baum und wollt’ ihn zehren“. Dann kommt der Fuchs und schmeichelt ihm und am Ende ist der Rabe den Käse los. Siehste! – Ich höre einen erhobenen Zeigefinger. 
Anne Dill: Das klingt nach dem Anfang eines Märchens: „Es war einmal…“. 
CS: Ich höre, da rechtfertigt sich jemand mit starken Worten: Ich bin Petrus, ich war selber dabei, ich habe wie Jesus auf dem Berg die Stimme gehört und das Licht gesehen. Ich weiß, wie der Hase läuft. Oder wie der Fuchs an den Leckerbissen kommt. 
AD: Dieser Petrus sagt: Ich hab mir das nicht ausgedacht. Der Autor des 2. Petrusbriefs ist ja nicht selbst der Jünger Petrus. Aber er beschreibt ein ganz großes Erlebnis. Das klingt wie ein Hymnus. 
CS: Er sagt „Wir“ und stellt sich damit in die Tradition des Apostels Petrus. 
AD: Er stellt sich in die Tradition von dem Felsen, auf den die Kirche gebaut ist. Aber Petrus ist auch der, der aufs Größtmögliche gescheitert ist!
CS: Vom Scheitern lese ich hier gar nichts. Im Gegenteil! Denk doch mal an die Geschichte auf dem Berg, die eben vorgelesen wurde (Matthäus 17,1-9)!
AD: Selbst da, wo er Gott so nahe ist, versteht Petrus gar nichts. Er will oben bleiben. Im Licht. Er will gar nicht mehr runter und in den Alltag zurückkehren. 
CS: Mich stört, wie dieser Petrus hier sagt: „Umso fester haben wir das prophetische Wort“. Er findet also, er hat es.
AD: Das klingt überheblich.
CS: Ich bin misstrauisch, wenn jemand so fest behauptet, der hat den Glauben.
AD: Mich setzt das unter Druck. Manchmal habe ich nur wenig Glauben oder gar keinen. 
CS: Oder ich habe Zweifel. Bin mir nicht sicher. Dazu der erhobene Zeigefinger: „Ihr seid gut beraten, wenn ihr euch daran haltet.“ Dieser Text kommt von einem Berg. Von oben herab sagt er uns, was zu tun ist.
AD: Wenn man so eine krasse Gottesbegegnung wie Petrus hatte, dann bleibt davon etwas für immer. Wie bei Mose, der Gott geschaut hat. Er musste sein Gesicht verhüllen. Etwas von Gottes Glanz ist darauf zurückgeblieben. Für die anderen war es so stark, dass sie ihn nicht mehr anschauen konnten. Von so einer Erfahrung kommt man nicht mehr ganz runter. Etwas bleibt im Herzen.
Aber solche Momente sind kurz. Man kann sie nicht festhalten. Man kann sie nicht in Gänze beschreiben. Nur sich an sie erinnern.
Ich denke an meine Konfirmation. Ich war 13 Jahre alt. Vom Gottesdienst selbst weiß ich nicht mehr viel. Ich war so aufgeregt. Aber als ich vorne gekniet habe und der Pastor mir die Hände zum Segen aufgelegt hat, da hat die Sonne durchs Fenster geschienen. Der ganze Altarraum war lichtdurchflutet. 
CS: Ein Moment, in dem mein Herz ganz mit Gott verbunden ist, ist selten und kostbar. Es muss kein strahlendes Erlebnis sein. Es kann auch in einer dunklen Stunde sein. Ich spüre plötzlich: Gott hält mich. Dann kann ich die Angst für einen Moment loslassen, sie an Christus abgeben. Mein Herz ist fest.
AD: Unser Briefschreiber hat sich den Namen von Petrus geborgt. Er schreibt sein Vermächtnis. Er hängt sich an sein Erlebnis an und lässt Petrus sagen: Ich habe es erlebt. Mein Erlebnis reicht für uns alle.
CS: Dieser Petrus ist gar nicht so überheblich. Er sagt: Ja, es ist dunkel. Aber der Tag kommt ganz sicher. Wir sollen uns im Dunklen nicht einrichten. 
AD: Er sagt: Behaltet das Licht im Blick. Geht darauf zu!
CS: Aber wenn ich im Herzen statt des Morgensterns ein großes schwarzes Loch spüre? Manchmal finde ich allein nicht aus dem Dunkel heraus.
AD: Vielleicht spüre ich in meinem Herzen kein Licht, aber es kann sein, dass ich genau in dem Moment Licht für einen andern bin. 
CS: Es geht aber nicht nur um unser Inneres. Der hier im Namen des Apostels Petrus schreibt, er will nicht nur einzelnen Christen etwas sagen. Er wendet sich an die ganze Gemeinde. Christen im zweiten Jahrhundert. Die Begeisterung der ersten Zeuginnen der Auferstehung ist verflogen. Der Alltag ist eingekehrt. Jesus ist noch nicht wiedergekommen, die Welt scheint die alte zu sein. Dabei müsste er dringend kommen, es liegt so viel im Argen. Auch unter Christen gibt es Arme und Reiche, Privilegierte und Abgehängte. Einige halten sich an die Philosophie. Sie suchen den Lichtfunken in sich selbst. Meditieren. Fühlen sich eins mit dem Kosmos. Der rauen Wirklichkeit enthoben. Die Erlösung, sagen sie, liegt in dir selbst. Wenn du ganz bei dir bist, bist du auch bei Gott. Dann bist du frei. 
Unser Petrus sagt: Nein. Wir können uns nicht selbst erlösen. Wir können uns auch nicht herauslösen aus dieser Welt mit ihrem Licht und all ihren Dunkelheiten. Weil wir zu Jesus gehören, stehen wir mitten in der Welt. Wir leiden an ihr wie er. Wir folgen dem Licht, das durch Jesus in die Welt gekommen ist. Kein abstrakter Lichtfunke in unserem Herzen, sondern tätiger Glaube. Herzen und Hände offen für den Nächsten. 
Am anderen Ende der Welt oder hier neben mir. 
AD: Das habe ich in meinen drei Vikariatsgemeinden erlebt. Wenn ich auf die letzten zwei Jahre zurückschaue, fallen mir viele Momente ein. Sie sind mir so kostbar wie dem Briefschreiber das Erlebnis von Petrus auf dem Berg. Gespräche auf dem Kirchplatz. Oft haben sie sich im Vorbeigehen ergeben und doch wurde in ihnen Freude und Leid geteilt. Der Moment im Christophorushaus. Ich habe mich zum Kaffee mit an den Tisch gesetzt und mich wie in einer ganz normalen Familie gefühlt. Die Abendmahlsfeier bei der Kirchenvorstandsklausur, im Halbdunkeln, im Kloster. Die Kinder aus dem Kindergarten Roringen. Sie haben sich an den Händen gefasst und die Kirche umarmt. Meine neun Konfirmanden. Sie waren mit ganzem Herzen dabei. Einer meiner Grundschüler. Er hat sich voller Vertrauen vor die Klasse gestellt. Seinen Zettel genommen und vor sich auf den Boden gelegt. Dann hat er die Hände gefaltet und sein Gebet gebetet. Auch mit vielen anderen Menschen habe ich so kostbare Momente erlebt. Sie haben mir etwas von Gott gezeigt. 
Das sind keine Märchen, sondern Geschichten, die wirklich passiert sind. Gerade in dieser Welt, in der eben nicht alles gut ist. Ich trage sie in meinem Herzen wie Petrus das Erlebnis auf dem Berg.
 
CS: Das ist dann doch irgendwie fabelhaft. Geschichten, die die Wahrheit zeigen. Das Licht. Kein überirdisches Licht, sondern ganz geerdete Momente. Von denen zehren wir. Sie sind nahrhaft wie der Käse, den der Fuchs in der Fabel ergattert hat. Aber anders als der müssen wir dazu niemanden austricksen. Wir kriegen die hellen Momente geschenkt. Der Briefschreiber hat den hellen Moment auf dem Berg gar nicht selbst erlebt. Er hält sich einfach an dem fest, was er von Petrus gehört hat. Wenn unser Herz voller Zweifel ist oder ganz leer, können wir es auch so machen. 
AD: Amen.  
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