Selbstbewusst! Das Lied der Magd. Predigt von Johanna Bierwirth

Sat, 18 Dec 2021 14:55:24 +0000 von Charlotte Scheller

zu Lukas 1,26-55 von Johanna Bierwirth
 
Elisabeth und Maria- eine ältere und eine sehr junge Frau begegnen sich. Beide sind schwanger, beide tragen besondere Kinder in sich. Und die beiden Frauen, aus priesterlichem Hause, wissen, dass die Zeit gekommen ist. Gott löst sein Verspechen ein und schickt den Retter, auf den das Volk so lange gewartet hat. Maria reagiert ziemlich menschlich auf diese göttliche Nachricht. Da steht plötzlich ein Engel vor ihr, und wohlgemerkt trifft man selbst in der Bibel nicht alle Tage Engel, und er verkündet, dass sie Mutter eines Königs werden wird. Nicht nur irgendeines Königs, nein, ihr Sohn soll „Sohn Gottes“ genannt werden. Und Marias Reaktion? Ich stelle mir vor, dass Maria erstmal ganz schön erschrocken ist und in dem Moment nicht ganz begreifen kann, was der Engel da sagt. Anstatt in himmlische Lobgesänge zu verfallen oder in Panik zu stürzen, stellt sie erstmal eine kritische Rückfrage. Denn für sie ist unklar, wie diese Schwangerschaft zustande kommen soll. Ohne männliches Zutun. Und nach des Engels Erklärung, da gibt sie ihre Zustimmung: Gut, es soll so geschehen. Maria entscheidet sich für diese Schwangerschaft! Das muss man sich einmal vorstellen, Maria gibt ihre Zustimmung zu Gottes Plan für die Welt! Sie nimmt ihr Schicksal nicht einfach hin, sie bejaht es. Sie kann sich zwar noch nicht ganz vorstellen, wie das gehen soll, aber trotzdem: Maria sagt ja. Ich finde das mutig. Ich stelle mir vor, wie der Engel in der Geschichte schmunzelt. Niemand hat Maria nach ihrer Meinung zu dieser ganzen Sache gefragt, aber das stört sie nicht, sie macht den Mund auf und sagt ja! Vielleicht ist Maria gerade deswegen die Richtige für diese Sache. Weil sie selbstbewusst ist und auf Gott vertraut und glaubt, was der Engel da sagt. 

Sie vertraut auf Elisabeth, eine Freundin und Verwandte. Der Engel hat Maria ja verraten, dass auch Elisabeth ein Kind bekommt. Maria berät sich nicht lange mit Joseph über die ganze Sache, sondern sie besucht Elisabeth. In der Erzählung heißt es, dass sie so schnell sie konnte zu ihr eilte. Elisabeth wundert sich wahrscheinlich erstmal über den spontanen Besuch, denn sie wohnt ein paar Tagesreisen von Maria entfernt. Dann aber muss Maria gar nichts erklären. Elisabeth versteht, was Maria passiert ist, es fällt ihr wie Schuppen von den Augen. Lukas erzählt: Der Heilige Geist erfüllt Elisabeth und sie bekommt so einen kurzen Einblick in Gottes Plan, sodass sie weiß, was sonst noch niemand verstanden hat: Das Kind, der Retter, der Sohn des Höchsten, ist in Marias Bauch. Niemand ahnt bis jetzt, keiner würde es schon an Marias Bauch erkennen. Aber Elisabeth weiß es. 

Elisabeth sagt: Was Gott dir versprochen hat, das geht in Erfüllung! Gottes Wort ist zuverlässig und wahr! Jetzt kann Maria sich nicht mehr zusammenreißen, der ganze Jubel bricht aus ihr heraus. Da fallen sich die beiden Frauen in die Arme, sie jubeln, sie sind begeistert, sie tanzen und schreien vor Glück. Ich stelle mir vor, dass Maria sich auf einen Felsen stellt, sie macht sich groß und ihre Stimme klingt so laut, dass sich die Schafe in Elisabeths Garten erschrecken. Die Frau, die da oben steht, und deren Herz den Herrn lobt, ist nicht die Maria, wie sie oft dargestellt wird. Sonst wird sie oft still, klein und andächtig dargestellt. Diese Maria ist ganz anders. Sie ist laut, groß, politisch. Und Elisabeth, die viel älter ist als Maria, muss schmunzeln über diese junge Frau, die so selbstbewusst da oben steht und davon spricht, wie ihr Gott die Mächtigen stürzt. 

Marias Worte entstammen nicht ihrem Kopf, sie hat nicht jahrelang Schriften gewälzt und nachgedacht und studiert, um auf diese Gedanken über Gott und seinen Plan mit den Menschen zu kommen. Es kommt einfach aus ihr heraus, aus ihrem Innersten. Sie sagt: Alles in mir jubelt vor Freude. Ich lobe meinen Gott aus tiefstem Herzen. Sie hat Gott als ihren Retter erkannt. 

Dieser Gott wird aber auf zweifache Weise von ihr dargestellt. Wie unterschiedlich Gott erfahren werden kann! Voller Barmherzigkeit wendet sich Gott den Schwachen und Hungernden zu. Er lässt sie nicht im Stich, er sieht ihr Leid, er erbarmt sich und rettet sie. Dieser barmherzige Gott begegnet uns in der Bibel immer wieder, beispielsweise als er das Leid Israels in Ägypten sieht und sie daraus befreit. Wer sich ganz und gar zu Gott hinwendet, der kann alles von ihm erwarten. Für Gott ist alles möglich.

Andere erfahren Gottes Härte. Gott ist klar und hart gegenüber denen, die überheblich sind. Wie drastisch Maria hier wird! Gott stürzt und fegt hinweg und schickt fort. In diesem Moment ist Elisabeth fast froh, dass die beiden Frauen alleine sind. Der Kaiser in Rom oder König Herodes fänden diese Worte sicherlich dreist genug, um Maria zu verhaften. Wie aufrührerisch! Jedes Kind weiß, dass die römischen Besatzer schon kleinste Aufstände blutig niederschlagen!

Aber was meint Maria damit? Es geht ihr nicht darum, Könige zu stürzen oder Reiche zu enteignen. Reichtum und Macht sind an sich kein Problem. Das Problem beginnt da, wo aus Macht Machtgier wird, wo aus Reichtum Habgier wächst und wo aus Demut Hochmut wird. Genau gegen diesen Missstand wendet sich Gott mit aller Härte. Er befreit uns von den Machthungrigen und Habgierigen, denn seine Liebe ist ihrer Gier überlegen. Das ist Gottes Plan. Das Kind, das er schickt, der Retter, wird mit seinem Leben zeigen, wie Gott das Unterste nach oben krempelt. Und als Christinnen und Christen stehen wir in der Nachfolge dieses Kindes. Deswegen können auch wir mit unserem Leben zeigen, dass wir Ungerechtigkeit nicht hinnehmen müssen. Wir können etwas ändern, auch im Kleinen und Alltäglichen. 

Elisabeth und ich, wir stehen da und staunen über die Worte Marias, in denen so viel Kraft und Gottvertrauen stecken. Maria, die unbedeutende Magd? So nennt sie sich selbst. Sie sagt damit, sie fühlt sich klein vor Gott, der so Großes tut. Aber in dem Wort „Magd“ steckt noch etwas anderes: Der Knecht, das männliche Pendant zur Magd, steht zu seinem Herrn in einem besonderen Verhältnis. Der Knecht dient, der Herr beschützt. Der Knecht führt die Pläne des Herrn aus, er ist vom Herrn beauftragt. Im Alten Testament, vor allem im Jesaja-Buch, wird der Knecht Gottes zum Mittler zwischen Gott und Volk, ja er steht sogar stellvertretend für das Volk vor Gott ein. „Knecht Gottes“ ist ein Ehrenname. Dann ist aber auch die „Magd Gottes“ ein Ehrenname. Maria dient Gott und führt aus, was er geplant hat und womit er sie beauftragt: Sie bringt das Kind zur Welt, das alles ändern soll. Dieses Kind kommt von Maria, aus Israel. So berühren sich in Maria Himmel und Erde, Menschliches und Göttliches. Sie ist die Mutter des Retters, der barmherzig ist. Sie ist Gottes Magd.
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