Baustelle. Predigt zu 1. Kor 3,9-17 von Charlotte Scheller

Sat, 29 Aug 2020 13:19:27 +0000 von Anne Dill

[Als Audio zum Hören weiter unten auf dieser Seite.]


Predigt zu 1Kor3,9-17, 12. n.Tr., 30.8.2020, Christophorus
Seit ein paar Wochen wächst etwas vor dem Fenster meines Büros: Ein neues Haus. Die Diakonie Christophorus baut. Geräumige Zimmer für Bewohnerinnen und Bewohner. Drum herum, wo vorher die Festwiese war, entsteht eine Grünfläche. Eine Pflanzung und ein Sportplatz für Spiel und Erholung im Freien. „Grüne  Mitte“ wird sie heißen. Menschen aus der Gemeinde und aus dem Christophorushaus werden sie nutzen und sich hier begegnen. Mitten im Leben. Das wird ein Fest!
 
Der Polier zeigt mir die Baustelle. Eine Platte aus Beton trägt das Gebäude. Das Fundament, auch Gründung genannt. Sie schützt die Mauern vor Frost und Hitze. Verteilt die Lasten der Aufbauten und leitet sie an den Boden ab. Verhindert, dass die Wände Risse kriegen, wenn der Boden von Regen unterspült wird oder zu trocken. Zwei Etagen sind schon darauf gebaut. Fenster- und Türöffnungen sind erkennbar. Wer wird da wohnen, wem werde ich zuwinken? Die ersten Häuser der Diakonie stehen schon 56 Jahre. Genau wie unsere Kirche. Mehrere Generationen sind hier schon ein- und ausgegangen. In der Gemeinde wurde gebetet, gelernt, gestritten und gefeiert, Menschen und Dinge auf den Weg gebracht. Schutzlose haben Asyl gefunden. Im Christophorus-Haus haben Leute mit besonderen Bedürfnissen ihr Zuhause gefunden. Gemeinde und Diakonie rücken näher zusammen. Zwei Seiten einer Medaille. Die Grund-Elemente der christlichen Gemeinschaft: Gottesdienst und Dienst am Nächsten. 
 
Eine Baustelle hat auch der Apostel Paulus vor Augen, als er den Christen in Korinth schreibt. Paulus hat die Gemeinde gegründet und ist ihr besonders verbunden. Korinth ist Provinzhauptstadt, zwei Häfen, Menschen aus aller Welt treffen hier aufeinander, Kulturen und Religionen. Es gibt Armut, Gewalt und Sklaverei. Es gibt Spannungen auch in der Gemeinde. Da streiten Paulus-Anhänger mit denen eines geistlichen Führers namens Apollos darum, wie Christsein geht in dieser Zeit. Wer ist nun Apollos, schreibt Paulus weiter oben, wer ist Paulus, und antwortet selbst: Diener, durch die ihr gläubig geworden seid. Ich habe gepflanzt, schreibt er, und er hat begossen. Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. Ein Diener pflanzt, der andere begießt die Pflänzchen und Gott macht, dass es gedeiht im Garten. Mit dem Bauwerk scheint es anders zu sein. Ich nach Gottes Gnade habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister, sagt Paulus nicht gerade bescheiden. Ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. Und jetzt stellt er klar, welches Fundament er gelegt hat. Worauf sich die Gemeinde in Korinth gründet. Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Christus
 
Welche Baustelle hat Paulus vor Augen? Vielleicht den Tempel in Jerusalem, eine Dauerbaustelle damals. Oder eine Baugrube in Korinth. Die Gemeinde ist noch im Entstehen, aber offenbar ist man dabei, sich zu zerstreiten. Es gibt Gruppen, jede hat ihren eigenen Entwurf und eigene Leitbilder und die gehen nicht zusammen. Deshalb erinnert Paulus an die gemeinsame Grundlage. Es gibt kein anderes Fundament, sagt Paulus. Der einzige Grund für unsere Gemeinschaft ist Christus.
 
Auf diesem Fundament lässt sich vieles aufbauen. In allen Jahrhunderten haben Architekten das Bekenntnis zu Christus sichtbar gemacht. Die große St. Jacobi-Kirche zeigt, wem die Ehre gebührt. Christus zur Rechten des allmächtigen Gottes. Ihr Ableger aus dem 20. Jahrhundert, unsere Kirche, unauffällig im Stadtteil, sagt dasselbe in einer anderen Sprache. Christus, ganz nah bei den Menschen.
 
Der Grund ist gelegt. Nun kommt es darauf an, was ihr darauf baut. Und womit. Die Diakonie Christophorus baut mit Stahlbeton und Yton-Steinen. Paulus hat andere Baustoffe vor Augen. Gold, Silber und aufwendig behauene Steinquader, bei Luther heißen sie „Edelsteine“. Diese teuren Materialien wurden im Tempel in Jerusalem verwendet. Die ärmlichen Behausungen anderswo werden mit Holzschindeln gedeckt, mit Schilf oder Stroh. Im Fall eines Brandes sind sie schnell zerstört. Und dass es brennt, fürchten die Menschen. Sie fürchten aber auch Gottes Gericht am Ende der Zeit. Ein Feuer, in dem alle vergehen müssen, die nicht auf Gott gebaut haben. 
 
Wir sind Gottes Mitarbeiter, sagt Paulus. In einer lutherischen Gemeinde in Boston
leben überwiegend alleinerziehende schwarze Frauen. Die Pastorin erzählt uns strahlend vom Weihnachtsmorgen. Zur Jesus Birthday Party in der Kirche sind alle Kinder eingeladen und jedes bekommt Süßigkeiten und ein neues Kleidungsstückgeschenkt. Später zeigt sie uns die Löcher im Dach ihrer Pfarrwohnung. In der Düsseldorfer Neanderkirche wird das Evangelium mit Saxofon, Drums und Jazzgesang verkündet. In Melle-Buer liegen auf dem Kirchengrund Altenwohnungen, damit Leute, die nicht viel Geld haben, im Alter gut leben können, inmitten der Gemeinde. 
 
Wir sind Mitarbeiterinnen Gottes. Wir bauen die Gemeinde mit und sind verantwortlich für ihre Pflege. Jede an einem anderen Platz. Jeder gleich wichtig. In dem Haus, das da entstanden ist und immer wieder umgebaut wird, ist viel Platz. Es gibt die unterschiedlichsten Räume und immer wieder neue Entwürfe. 
 
Nicht alle Gebäude sind für die Ewigkeit. Manche werden abgerissen oder werden einem neuen Zweck gewidmet. Nicht nur einer Kirche kann es so gehen, auch einem einzelnen Menschen. Kann sein, ich stelle eines Tages fest: Die Wände meines Lebenshauses haben Risse bekommen. Die Beziehung ist ein Strohfeuer. Die Arbeit weggebrochen. Das ehrenamtliche Engagement nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Meine Körperkräfte haben mich verlassen oder mein Lebensmut und ich habe keinen neuen Plan. Kann sein, ich habe alles selbst in den Sand gesetzt. Ich nehme Schaden. Vielleicht füge ich auch anderen Schaden zu. Alles wankt. Ich habe mich von Gott um Lichtjahre entfernt. Aber Gott findet immer neue Wege zu mir. Christus auf seinem Weg ans Kreuz. Ein Mensch, der sich mir ohne Vorbehalt zuwendet. Es ist nicht beliebig, sagt Paulus, was ich baue und womit. Aber mein Heil hängt nicht davon ab. Mein Heil hängt an Christus. Er ist mein Retter. Der Grund meines Lebens. Den kann keiner einreißen. Der bleibt für immer und ewig. 
 
Wisst ihr nicht, sagt Paulus, dass ihr Gottes Tempel seid, dass Gottes Geist in euch wohnt? Das ist eine ziemliche Zumutung. Und ein starkes Zutrauen. Wir selbst sind also Gebäude. Wände und Fenster und Türen, auf der Liebe Christi gebaut. Aus uns soll Gottes Lob herausklingen. Bei uns können andere reinschauen, vielleicht sogar ein Zuhause finden. An der Christophoruskirche inmitten der Diakonie kann man sehen: Es gibt immer was zu bauen. Aber das Fundament steht fest. 
Bestätigen

Bist du sicher?