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I. Fischen, Fischer, Menschenfischer (Thomas Plate)
I. Fischen, Fischer, Menschenfischer (Thomas Plate)
Ist das nicht ein schönes Bild: Sanfte Dünung des Meeres, darin ein kleiner Fischkutter mit weißem Rumpf und rot-blauen Aufbauten, dahinter eine untergehende Sonne. Ist das nicht romantisch? Und würde man den Fischer fragen, ob er sich vorstellen könnte, woanders zu leben: „Nein, ich kann nicht ohne das Meer, ohne diese Freiheit und Weite, ohne das Fischen, an Land würde ich eingehen, sterben wie der Fisch ohne Wasser“.
Werfe ich einen Blick hinter dieses romantische Bild, dann sieht es anders aus: Nachts wird gefischt, das Wetter ist oft richtig schlecht, Schietwedder, wie der Norddeutsche sagt. Die Arbeit ist körperlich herausfordernd und gefährlich, schnell verliert man beim Einholen des Netzes einen Finger oder gleich den ganzen Arm und es gibt keine Garantie, dass das Netz auch voll ist oder wenigstens so viel gefangen, dass es zum Leben reicht. Am Morgen im Hafen aber warten schon die Leute auf den gefangenen Fisch; so frisch bekommt man ihn nirgendwo, das wissen sie zu schätzen. Und die Familie: Gott sei Dank, du bist heil zurück.
Passt dieses Bild zu uns als Christinnen und Christen in dieser Zeit? Zumal als Landratten oder Trockenschwimmer, die Ansage von Jesus an Petrus: „Von nun an sollst Du Menschen fischen“? Ich finde schon. Gerade jetzt in Zeiten der Pandemie mit einer drohenden vierten Welle und der Unsicherheit, wie wirksam die Impfungen wirklich sind, fühle ich mich wie nachts auf dem Meer. Alles schwankt und wirklich sehen und sich orientieren ist schwierig. Und die Nacht scheint sich auch über uns und unseren Mitmenschen auszubreiten, mangelnde soziale Kontakte, Einschränkun-gen in fast allen Lebensbereichen fördern Depressionen und Wut gleichermaßen.
Die Herausforderung und Anstrengung, in diesen Zeiten Christsein zu leben, ist uns wohl allen bewusst. Ich sollte dem Verzweifelten, Vereinsamten eigentlich die Hand zum Segen auf die Schulter legen, ihm die Hand reichen, ihn umarmen, ihm mit mehr als meinen Worten sagen: Ich bin mit Dir, du bist mir und Gott wertvoll, aber genau das darf ich jetzt gerade nicht.
Oft werden wir selbst in unserem Christsein verletzt: Was glaubst du denn, das sind doch alles nur Hirngespinste. Warum soll ich einer solchen erstarrten Institution anhängen und sie finanzieren, wenn ich für mich persönlich nichts daraus ziehen kann. Und ebenso herausfordernd ist es, der Meinung entgegen zu treten, in der Coronakrise habe sich die Kirche „weggeduckt“. Es ist herausfordernd, gerade jetzt einem anderen zu helfen, da zu sein in seiner Not, die schenkende Liebe Christi zu zeigen in einer Welt, wo es heißt: Jedem das Seine, mir das meiste!
Aber der Morgen im Hafen baut mich auf, in der Gemeinde finde ich Leute, die mich um meinetwillen schätzen, mich aufbauen und unterstützen, mir Mut machen, auch für meine Ausbildung zum Lektor hier in Christophorus. Hier finde ich etwas wirklich Gutes, Außergewöhnliches in Gottesdienst und anderen Aktivitäten. Die Gemeinde ist meine zweite Familie, da die eigene weit verstreut und jetzt nicht leicht erreichbar ist. Hier, gewisserweise im Hafen, höre und fühle ich: „Schön, dass Du da bist!“ Das möchte ich in Jesu Namen weitergeben und andere spüren lassen. Schön, dass ihr da seid!
II. Fangen, nicht fischen (Charlotte Scheller)
Sie sind schon ausgestiegen, Simon und die anderen. Jetzt ist Aufräumen angesagt. Die Boote am Liegeplatz festmachen. Die Netze sauber machen und zum Trocknen aufhängen. Die leeren Körbe verstauen. Heute haben sie nichts, was sie zum Markt tragen können. Nichts, was sie zum Essen beisteuern können. Und dann kommt dieser Typ. Er steigt einfach bei Simon ins Boot. He, will der sagen, Feierabend, wir sind kein Fährbetrieb. Aber etwas hält ihn zurück, macht, dass Simon tut, was er sagt. Er rudert ihn raus aufs Wasser. Der Mann steht im schwankenden Boot und redet. Simon dreht sich um, der Strand ist voller Leute. Das Gedränge ist dichter als auf dem Markt, irgendwas gibt es hier, das sie haben wollen, für das sie früh aufgestanden sind und jetzt hier Schlange stehen. Fisch ist es nicht.
Aber es geht gar nicht um die Leute am Ufer. Es geht um die im Boot. Simon und seine Leute. Sie tun, was Jesus ihnen sagt. Auch wenn es ihnen schwerfällt nach der langen Nacht. Werft die Netze nochmal aus, hier, wo es tief ist. Dann läuft alles aus dem Ruder. Ein unglaublicher Fang, die Netze sind kurz vorm Reißen, das Boot droht zu kentern. Mit Müh und Not, mit zwei Booten, bringen sie den Fang an Land.
Jetzt geht Simon Petrus auf Abstand. Ein heiliger Schrecken hat ihn gepackt. Er geht in die Knie. Wenn Gott so etwas Großes tut, kannst du dich nur klein und fehlerhaft und fremd fühlen. Hab keine Angst, sagt Jesus. Wie der Prophet Jesaja zu seinem gebeutelten Volk. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Ich brauche dich. Von jetzt an wirst du Menschen fangen.
Das ist keine Aufforderung, sondern eine Prognose. Gott hat sich genau dich ausgesucht, Simon, er wird dich einsetzen, du wirst für ihn arbeiten. Ach Herr, geh weg von mir, sagt Simon. Zuviel der Ehre, ich bin nur ein Mensch, voller Schuld. Simon bekennt keine konkrete Sünde, nicht etwas, das er heute oder früher falsch gemacht hat. Er drückt die Entfernung aus zwischen ihm und Jesus, dessen Wort so viel bewirken kann. Volle Netze, voller Erfolg, wo du selbst gar nichts zustande gebracht hast. Simon geht in die Knie. Aber er sagt auch: Herr! Das heißt: Ich will dir folgen. Du wirst die Richtung vorgeben. Ich nehme die neue Aufgabe an. Menschen fangen.
Fangen, nicht fischen. Fischen bedeutet töten. Jesus aber beauftragt seine Leute, andere aufzufangen, aus der Flut herauszuziehen und zu Gott zu bringen. Jesus lässt keinen zappeln, er nimmt niemanden gefangen. Er schickt seine Menschenfischer, Andere einzuladen, Leute hereinzuholen in Gottes Erbarmen und Liebe. So rettet Jesus. Er hat anderes als Fisch, er hat Lebensmittel für die Seele. Hab keine Angst. Du wirst Menschen fangen, sagt Jesus zu Simon Petrus, obwohl er weiß, der wird Angst kriegen immer wieder, er wird Jesus sogar verraten vor seinem Tod. Jesus wird ihm das vergeben. Er wird ihn ein zweites Mal berufen und dann wird Simon treu sein. Und wenn es ihm nur gelingt, einen einzigen Menschen aus der Menge am Ufer herauszufischen, hat Simon seine Aufgabe voll und ganz erfüllt.
Hier, nimm, sagt die Enkelin und hält dem Großvater das kleine Bündel hin. Dein Urenkelkind. – Nein, sagt er. Ich kann ihn nicht halten. Er ist so zart, ich habe Angst, ihn zu zerbrechen. Aber sie reicht ihm den Säugling. Und er breitet die Arme aus und nimmt den Kleinen. Er wiegt ihn, schaukelt ihn mit seinem ganzen Körper und schließt ihn ein in die Liebe, die ihn auch umfängt. Er singt leise: Müde bin ich, geh zur Ruh, / schließe meine Augen zu. / Vater, lass die Augen dein / über meinem Bette sein.
So will ich auch meine Arme und mein Herz öffnen, wenn Gott mich ruft. Ich will den, der mich braucht, auffangen und halten, wie Gott mich hält in jedem Moment. Amen.
Gebet
Gott,
Vater Jesu Christi,
du rufst mich,
willst mich dabei haben,
hast einen Plan mit mir.
Zeig mir,
wo ich ankommen kann,
einen Hafen finden,
mich willkommen fühlen,
zu Hause sein.
Zeig mir,
wo du mich brauchst,
um jemanden wahrzunehmen,
aufzufangen,
herauszufischen aus der Menge
und einzuladen,
einfach da zu sein
und den Weg zu gehen
mit dir, großer Gott.
Charlotte Scheller