Learning by doing! - Predigt von Vikarin Verena Tretter

Sat, 10 Oct 2020 09:09:09 +0000 von Charlotte Scheller

am 18. Sonntag nach Trinitatis zu Deuteronomium 30,11-14
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Was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?
, fragt ein reicher junger Mann. 
 
Wow, was für eine Frage!

Dem jungen Mann geht es nicht darum, zu erfahren oder zu lernen, wie man einen Ärmel in ein Ärmelloch einnäht. Oder wie man den Abfluss eines Waschbeckens reinigt und dann wieder abdichtet. Oder wie man Mehlschwitze macht, sodass sie gelingt. Bei diesen Sachen schaue ich mir z.B. Videos im Internet an, bei denen ich sehen kann, wie das geht, und dann probiere ich es selbst aus. Oder jemand, der es kann, zeigt es mir und dann mache ich es nach. Und im TUN verstehe ich es: Learning by doing eben!

Aber dieser junge Mann fragt: Was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? Das geht in die Richtung, wie wenn ich mich frage: Gefällt Gott das eigentlich, was ich tue und wie ich lebe? Mache ich alles richtig?

Da habe ich schon das Problem: Wie geht Learning by doing hier? Jesus nicht mehr so unterwegs wie zu seinen Lebzeiten. Bei wem kann ich zuschauen? Wer zeigt mir, wie ich das ewige Leben erwerbe, sodass ich das nachmachen kann?

Immerhin hat Jesus dem jungen Mann auf seine Frage geantwortet:

Du sollst, antwortet er. Mindestens 10x, denn Jesus bezieht sich auf die Zehn Gebote. Du sollst und sollst und sollst und sollst … und Jesus ist Gott. Was Jesus sagt, das gilt auch heute und für mich und uns alle.

Betrübt ist der junge Mann weggegangen.

Entsetzt haben die Jünger gefragt: Wer kann dann selig werden?

Kann ich dem Willen Gottes jemals so entsprechen, dass er mir dafür das ewige Leben überreicht?

Im heutigen Predigttext geht es auch um das Gebot Gottes – all diese Du sollst!. Dort heißt es:

11Denn das Gebot, das ich dir heute gebiete, ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern. 12Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun? 13Es ist auch nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer will für uns über das Meer fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun? 14Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust. (5. Mose 30,11-14)

Das ist schon mal eine gute Botschaft: Für das Gebot Gottes, dafür, seinem Willen entsprechend zu leben, sind keine Höchstleistungen notwendig. Ich muss nicht fliegen können, um an das Gebot heranzukommen.

Das Wort Gottes – sein Gebot an mich – sein Wille – ist ganz nahe bei mir. Absolut erreichbar, in greifbarer Nähe! Sodass ich es anpacken kann. Wir alle können da herankommen!

Das Wort ist  ganz nahe bei uns, in unseren Mündern und in unseren Herzen. Wenn man das Wort in den Mund nimmt, es zu sich selbst sagt, immer wieder im Mund bewegt, wie ein Stück Lieblings-schokolade – und wenn man es im Herzen eingeschlossen hat, wo wir all das aufbewahren, was wir lieb haben – was ist dann das Ergebnis, wenn das Wort uns SO nahe ist?

Es zu TUN.

Das nahe Wort ist nicht bloß ein Wort, das ich verstehe. Nicht bloß eine Erkenntnis in meinem Kopf, sodass ich dann weiß: Ok, das und das muss ich tun, wenn Gott sagt: Du sollst

Worauf wir alles achten müssen und auch achten wollen, das bereitet uns bisweilen ziemliche Kopfschmerzen! Man kann gar nicht alle Konsequenzen absehen, zum Beispiel beim Kauf von Kleidung oder Lebensmitteln. Wie und wo werden sie produziert? Wer wird dadurch benachteiligt? Welche ungerechten Strukturen unterstütze ich durch den Kauf? Wenn dann auch noch Gottes Gebot dazukommt und sagt: Du sollst!, dann gerate ich ins Schlingern. Ich will ja nichts falsch machen. Dann fängt mein Kopf an zu arbeiten. Und im Zweifelsfall halte ich die Beine still – damit ich nicht unabsichtlich doch einen Fehler mache. Und davon abgesehen: Im Zweifelsfall liebt mich Gott ja doch einfach so. Mit untätig gefalteten Händen im Schoß. Oder?

Das ist gerade nicht das, was dieses Gebot will: Untätigkeit, weil ich es nicht erfüllen kann. Das Wort ist ganz nahe bei mir, in meinem Mund und in meinem Herzen, damit ich es tue! Gott will, dass ich tätig werde.

Das Gebot zu TUN heißt eben nicht, es zu erfüllen. Das kann ich schließlich auch gar nicht, das ist unmöglich bei den Menschen. Auf die Frage der Jünger: Wer kann dann selig werden?, da antwortet Jesus: Ja, eben niemand, weil Menschen das Gebot Gottes nicht erfüllen können: Bei den Menschen ist’s unmöglich, sagt er, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.

Muss ich am Ende so betrübt diesen Gottesdienst verlassen wie der junge Mann in der Evangeliumslesung, der traurig von dannen zieht, weil das ewige Leben unerreichbar ist für mich? Nein, zum Glück nicht!

Es ist zwar so: Ja, Seligwerden ist aus eigenen Kräften unerreichbar für mich. Das ewige Leben ist nicht ganz nahe bei mir in meinem Mund und in meinem Herzen, dass ich es mit eigenen Händen ergreife. Es ist wirklich im Himmel, von wo ich es nicht holen kann. Geben kann es mir nur Gott. Dafür ist Jesus am Kreuz gestorben und auferstanden.

Aber betrübt nach Hause gehen muss ich dennoch nicht. Es bleibt das Wort Gottes – ganz nahe, in meinem Mund und in meinem Herzen. Eben nicht, um es zu erfüllen oder damit das ewige Leben zu erwerben. Sondern, damit ich es tue.

Das ewige Leben ist da. Von Gott geschenkt! Und wenn man was geschenkt bekommt, bedankt man sich. Der Dank, über den sich Gott am meisten freut, das ist es, sein Wort zu TUN! Der beste Dank ist es, ein Leben zu führen, das sich am Willen Gottes ausrichtet.

Das wollen alle diese Du sollst und du sollst und sollst und sollst  …: Uns leiten. Orientierung für unser Handeln geben.

Zwar ist Jesus nicht mehr da, um uns zu zeigen, wie das geht – sich am Wort Gottes auszurichten, in unserer Welt, die so anders verzwickt und global und unübersichtlich ist als seine Welt damals in Galiläa. Von Jesus gibt es keine zuverlässigen How to- oder Do it Yourself-Videos, die zum Nachmachen und Learning by doing anleiten.

Aber Learning by doing funktioniert dennoch: Im TUN erkennen und verstehen, was Nächstenliebe ist. Im TUN erkennen und verstehen, was Gottesliebe ist. Und im TUN erkennen und verstehen, wie man es das nächste Mal vielleicht anders oder besser machen kann. Im TUN erkennen und verstehen, wo man sich auch noch einsetzen kann. Im TUN Erfahrungen sammeln und ein Vorbild für andere werden. Damit andere inspirieren. Zum Nach- und Mitmachen ermuntern, anstatt Do-it-Yourself-Videos suchen.

Erst mal gar nicht so viel drüber nachdenken: Schaffe ich das überhaupt? Was muss ich bedenken? Sondern einfach direkt Körpereinsatz. Denn das Wort ist nicht in deinem Kopf, dass du drüber nachdenkst, sondern in deinem Mund, wo es einen Geschmack entwickelt, und in deinem Herzen, wo es zu einem Gespür wird, damit du es TUST. Und je öfter man es tut, desto geübter wird man! Learning by doing.

Wie mein Bibelkundelehrer die Ethik Jesu zusammenfasste: Just do it – TU es einfach! Alles weitere – das ergibt sich von selbst.
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