zu Lukas 19,37-40
(Audio zum Nachhören unter diesem Beitrag)
(Audio zum Nachhören unter diesem Beitrag)
Keep your faith, singt der Chor. Heute ist Lean On Me bei uns. Keep your faith. Wenn die Zeiten rau sind, wenn du dich schwach fühlst, wenn du eigentlich alles hinschmeißen willst und aufgeben – behalte deinen Glauben. Halte daran fest, auch in der dunkelsten Stunde. Stell dich in Gottes Gegenwart, bleib in der Reichweite seiner Macht.
Wie geht das, mich in Gottes Reichweite halten? Singen kann helfen. Manche von uns haben das schon als ganz kleine Kinder erfahren. Wenn die Mutter oder der Opa dich in den Schlaf gesungen hat. Müde bin ich, geh zur Ruh, schließe meine Augen zu. Vater, lass die Augen dein über meinem Bette sein. Mein Großvater konnte nicht wirklich singen, er brummte eher. Aber er faltete seine großen Hände über meinen kleinen. Und ich spürte, ich kann ruhig die Augen zumachen und mich der Dunkelheit überlassen, allein im Zimmer. Da ist ein Anderer, noch Stärkerer. Ein Vater im Himmel, dem auch mein Großvater vertraut. Hab ich Unrecht heut getan, sieh es, lieber Gott, nicht an. Deine Gnad und Jesu Blut machen allen Schaden gut.Auch Erwachsene machen Fehler. Gott macht sie wieder gut. Ich verstehe nicht, wie. Bloß, dass ich ruhig schlafen kann in seiner Reichweite.
Singen verbindet. Menschen untereinander und mit dem Stärkeren im Himmel. Körper und Seele werden eins. Worte und Klang tragen einander. Lieder, gesungene Gebete, in der Konfirmandenzeit gelernt oder im Zeltlager gesungen, haben sich mir eingeprägt. Überraschend, ohne dass ich darüber nachdenke, sprudelt Dank aus mir heraus, die pure Lust am Leben: Du, meine Seele, singe!Und manchmal, wenn ich verzagt bin und keine Worte habe zum Beten und keinen Adressaten weiß für mein Gebet, ist da noch ein Lied tief in mir drinnen: Du bist mein Zufluchtsort, ich berge mich in deiner Hand, denn du schützt mich, Gott; wann immer mich Angst befällt, traue ich auf dich.
Lieder hören wir auch in Jerusalem. Der Evangelist Lukas berichtet davon. Jesus betritt die Stadt. Er reitet auf einem Esel. Die Propheten haben einen König angekündigt, der auf dem Füllen einer Eselin daherkommt. Der Auftritt Jesu ist bescheiden. Die Jünger haben ihre Kleider auf den spitzen Eselsrücken gelegt und Jesus daraufgesetzt. Andere Anhängerinnen haben die Straße mit ihren Kleidern gepolstert. Nun zieht er ein. In Lukas 19 lesen wir:
Als er schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten, und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!
Keep your faith. Jesus zieht in die Stadt ein. Vom Ölberg aus. Über den Friedhof hinweg sieht man den Tempelberg. Nach Jerusalem schauen heißt die Zukunft vor sich sehen. Vor Jesus liegt das Leiden. Seine Jünger schauen nicht nach vorn. Sie blicken zurück auf das, was sie bis jetzt mit Jesus erlebt haben. Sie loben Gott und singen laut von allem, was Jesus getan hat in der Kraft von Gottes Geist. Er hat gezeigt, wie Gott sich seinen Menschenkindern zuwendet. Den Armen zuerst. Den Zerbrochenen. Den Ausgegrenzten. Den Bedürftigen. Den Gelähmten und Schuldbeladenen. Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! So hat Simeon gesungen, als das Kind Jesus, wenige Tage alt, in den Tempel gebracht wurde. Als er in Frieden sterben konnte, weil seine Augen das Heil gesehen hatten. Friede im Himmel und Ehre in der Höhe! So haben die Hirten auf dem Feld die Engel singen hören, als es hell wurde mitten in der Nacht. Als sie als Allererste von der Geburt des Retters erfuhren. Doch halt. Das Lied der Engel ging anders. Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden. Jetzt singen die Jünger: Friede im Himmel! Der Erdenweg Jesu ist fast zu Ende. Auch wenn sie es noch nicht wissen. Jesus geht in den Himmel zurück. Er beruft seine Jüngerinnen und Jünger, den Weg weiterzugehen. Seinen Tod zu verkünden und von seiner Auferstehung zu singen, bis er wiederkommt. Bis alle sehen können, dass er der Herr ist.
Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.
Einige, die das hören, fromme Männer, denen es wichtig ist, alles richtig zu machen auf dem Weg mit Gott, regen sich auf. Was, wenn den römischen Herren zu Ohren kommt, dass sie hier einen König ausrufen? Das wäre Aufruhr und würde das Leben für alle Frommen schwerer machen. Noch mehr stören sie sich daran, dass die Jünger Jesus von Nazareth als Retter feiern, der von Gott kommt. Das ist unerhört. Die Drohung der Pharisäer ist spürbar. Meister, bring deine Jünger zum Schweigen. Sonst können wir für deine Sicherheit nicht garantieren.
Jesus hält dagegen. Es hätte keinen Sinn, seinen Leuten den Mund zu verbieten. Gottes Macht wird sich durchsetzen. Wenn man die Jüngerinnen und Jünger mundtot macht, werden die Steine schreien. Jesus kann sehen, was bald geschieht: Der Tempel wird zerstört. Kein Stein bleibt auf dem andern in der Stadt. Die Bewohner werden zerstreut. Die Steine schreien und klagen sie an. Weil sie nicht erkannt haben, dass Gott mitten unter ihnen war. Die Steine bezeugen das Unrecht, wenn kein Mensch mehr da ist, der Gott die Ehre gibt.
Der Tempel ist zerstört worden. Eine Mauer ist stehengeblieben bis heute, am Fuß des Tempelbergs. Achtzehn Meter hoch. Ein heiliger Ort. Heller Kalkstein, riesige Quader. Die Mauer ist streng bewacht. Ein Bogen links der Mauer führt in eine Synagoge. Daneben ein geschützter Bereich für das Gebet der Männer, ein anderer für die Frauen. In Brust- bis Kopfhöhe ist der Stein dunkler und glänzt. Da haben Betende die Mauer betastet, die Stirn an den kühlen Stein gelegt. In den Fugen der Mauer, in den Rissen stecken gefaltete Papierfetzen. Männer und Frauen haben ihre Sorgen darauf geschrieben und ihre Hoffnungen, ihre Fragen, ihren Schrei zu Gott und, wer weiß, auch einen Dank, ein Glück. Das Geheimnis der Betenden bleibt gewahrt. Eine Sache zwischen ihnen und Gott. Zweimal im Jahr werden sie ungeöffnet herausgenommen und zum Ölberg getragen. Da werden sie begraben. Die Hoffnung bleibt lebendig, denn von da wird der Messias kommen, der Retter.
Kein Mensch hat die Zettel gelesen. Aber ungelesen sind sie trotzdem nicht. Was immer ein Mensch vor Gott bringt, er sieht und hört es. Sei es in Gedanken, auf einem Stück Papier, im Gebet, im Gespräch mit einer Freundin oder in einem Lied. Er nimmt wahr, was wir ihm anvertrauen.
Der Gesang der Jünger am Hang des Ölbergs klingt laut. Von da an geht es bergab, in die Stadt hinunter, in die Gefangenschaft, ans Kreuz. Und genau dieses Kreuz ist unser Hoffnungszeichen. Denn Jesus ist auferstanden! Aus dem Zerbrochenen, aus den Trümmern lässt Gott sein Heil erwachsen. Jesus ist im Namen des himmlischen Vaters gekommen. Nun sendet er seine Jüngerinnen und Jünger, dass sie in seinem Namen Zerbrochene aufrichten und sein Heil verkünden mit Liedern und Taten. Er sendet auch uns. Ob wir lebenslustig sind oder verzagt oder mal das eine, dann wieder das andere. Jedem und jeder von uns traut er zu, hier auf Erden etwas weiterzutragen von seinem Frieden.
Alle, die mir sind verwandt, Herr, lass ruhn in deiner Hand. Alle Menschen, groß und klein, sollen dir befohlen sein. So singt der Großvater am Bett der Enkelin. Und unser Chor, Lean On Me, singt das alte Lied neu: He’s got the whole world in His hands. Gott hält die ganze Welt. Er hält den Wind und den Regen. Er hält dich, wenn du weinst oder schreist oder kämpfst. An diesem Herrn will ich festhalten. Ihm meinen Kummer anvertrauen. Augen und Ohren offenhalten, wo Gott mich braucht. Und, vorerst noch im Stillen, einstimmen in sein Lob.