Himmlischer Besuch. Predigt zum Vierten Advent von Anne Dill

Sat, 19 Dec 2020 15:26:48 +0000 von Charlotte Scheller

zu Genesis 18,1-15
Heiß ist es. Unglaublich heiß. So wie immer zur Mittagszeit. Die Kamele und Ziegen dösen faul in der Sonne. Kein Mensch bewegt sich freiwillig. Kein Lüftchen regt sich. Kein Blatt bewegt sich im Wind. Kein Vogel singt.
 
Sara mag diese Zeit. Sie hat die Wäsche gewaschen und zum Trocknen in der Sonne aufgehängt. Sie hat das Mittagessen gekocht und danach wieder abgewaschen. Jetzt ist alles fertig. Pause. Zeit zum Nachdenken und zum Träumen. 
Sara kann durch die offene Tür ihres Zeltes Abraham sehen.
Er sitzt draußen im Schatten. Lässt seine Augen über das weite Land streifen. Über die Felsen und Berge, die Wüstenlandschaft, die Rinder- und Schaf und Ziegenherden. 
So lange sind ist Sara jetzt schon mit Abraham verheiratet. Sie glaubt sogar seine Gedanken zu kennen: Wer wird den Betrieb einmal übernehmen, wenn er es nicht mehr kann? Kinder haben sie nicht. Dabei haben sie sich so sehr Nachwuchs gewünscht. Die Tage sind gleichförmig geworden. Sara weiß, dass Abrahams Herz auch voller Sehnsucht ist. Gestern im Schutz der Dunkelheit hat er es ihr gesagt. Dass er sich sehnt nach seinem Neffen. Ihn, der wie ein Sohn für ihn ist, wieder einmal in die Arme schließen will. Doch Lot ist weit fort. Lange schon.
 
Sara hängt ihren Gedanken nach. Als sie das nächste Mal aufschaut, ist Abrahams Platz draußen leer. Sie schaut nach links zu den Bäumen. Nach rechts zu den Tieren. Dann entdeckt sie ihn weit vor dem Lager. Er kommt auf sie zu und ist nicht allein. Da sind eine, zwei, nein drei Gestalten bei ihm.
Vermutlich verirrte Kaufleute, denkt Sara. Oder Jungspunde, die meinen, sie können der Hitze trotzen, und die jetzt eine Pause brauchen. 
 
Als sie näher kommen, erkennt Sara, dass es drei gewöhnliche Wanderer sind. Ihre Kleider sind staubig, die Gesichter müde. Sara weiß, was jetzt gleich passiert. Und da steckt Abraham auch schon seinen Kopf in ihr Zelt. 
Er bittet sie Essen zu kochen für die drei Fremden. Sie seien müde und müssen sich ausruhen.
Sara seufzt. Gerade ist sie fertig mit der Hausarbeit gewesen. Jetzt wieder kochen. Aber irgendwie hat Abraham ja Recht. Sein Herz ist groß. So macht Sara sich an die Arbeit. Es dauert eine ganze Weile, bis sie alles vorbereitet, gekocht und dann angerichtet hat. Als alles fertig ist, trägt sie den Männern draußen das Mahl auf. 
Zurück im Zelt hört sie die Stimmen der Männer. Sie unterhalten sich. Plötzlich fällt ihr Name. Sara hält inne. 
Da sagt der eine: Sara wird ein Kind bekommen. Nächstes Jahr um diese Zeit komme ich wieder. Dann hat Sara einen Sohn!
 
Ha – das ist ein schlechter Scherz! Sara lacht laut los. Und schlägt sich erschrocken die Hand vor den Mund. Das hat man gehört!
Ganz leise fast nur in Gedanken sagt sie zu sich selbst: Ich bin doch viel zu alt. Wie soll ich denn noch ein Kind bekommen?
 
Sie hört, wie der Mann draußen vor dem Zelt Abraham fragt: Warum lacht Sara? Von Abraham kommt keine Antwort. Wahrscheinlich ist es ihm peinlich, denkt Sara. Mir ja auch. Jetzt wissen sie, dass ich ihr Gespräch Wort für Wort mitgehört habe.
In die Stille hinein fragt der Fremde: Und warum sagt Sara: Ich bin doch viel zu alt? Wie soll ich denn noch ein Kind bekommen?
 
Jetzt ist es Sara, die ganz stumm bleibt. Diesen Satz kann er nicht gehört haben. Auf einmal sieht sie die Welt mit anderen Augen. Das da draußen sind gewöhnliche, aber irgendwie sind sie auch… . 
Ich habe Gott ausgelacht! – schießt es Sara durch den Kopf. 
 
Jetzt lässt Sara alle Vorsicht fahren. Nein, ruft sie ganz laut. Nein! Ich habe nicht gelacht! Ein Aufschrei, eine Verteidigung, ein hilfloser Versuch, das Geschehene ungeschehen zu machen.
Doch es ist zu spät. 
Doch, du hast gelacht, kommt es ruhig zurück.
In der Stimme ist kein Tadel zu hören. Es ist eher eine Feststellung: Es ist, wie es ist.
 
Sara sinkt auf den Boden ihres Zeltes. Gedanken schießen durch ihren Kopf. Sie ist durcheinander, schämt sich, kann kaum glauben, was gerade passiert ist. Und dann noch etwas anderes. Sara braucht einen Moment, bis sie realisiert, was auch in ihrem Herzen ist. Freude! Ganz zart und klein. So unglaublich es klingt: Gott ist zu ihr gekommen. Er hat sich nicht vorgestellt. Hat nicht gesagt, wer er ist. Eigentlich haben sie nicht mal direkt miteinander geredet. Nur durch die Zeltwand hindurch. Keine Pauken und Trompeten, die seine Ankunft angekündigt hätten. Kein großes Getöse, kein goldener Engel als Begleiter. 
Stattdessen staubige fremde Männer. 
Gekommen in die in die Gleichförmigkeit ihrer Tage, in ihre Sehnsucht hinein. Gott in Hörweite. Draußen vor Saras Zelt. Ganz nah. Obwohl sie über ihn gelacht hat. Gott ist zu ihr gekommen – und: Er wird wiederkommen!
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Heute feiern wir den Vierten Advent. Nur noch wenige Tage, dann ist Weihnachten. Gott kommt in die Welt. Zu uns. Die wir Sehnsucht haben, weinen und lachen. Gott kommt in unsere Welt, so wie sie ist. Voller Leid und Schmerz, voller Sehnsucht, voller Freude. Er kommt in die Sorgen und Befürchtungen hinein, in die geschmückten Häuser, zu unseren Lieben, die wir nicht in die Arme schließen können. 
 
Gott kommt in weihnachtlicher Musik, in die festlich geschmückte Kirche oder ein Wohnzimmer. Durch die Stimme einer Freundin oder des Enkels am Telefon. Gott kommt, wenn eine Wohngruppe des Christophorushause „Alle Jahre wieder“ schmettert oder er kommt in der Stille. 
 
Aber manchmal spürt man es auch nicht. Die Musik erreicht mich nicht. Gott ist nicht einmal in Hörweite. Oder er kommt, wenn wir es nicht erwarten. Wenn dieses Jahr alles anders ist. Wenn wir über Gott lachen. Wenn wir nicht glauben können, dass er es gut mit uns meint. Wenn wir uns fern von ihm fühlen. 
Gott kommt trotzdem. Und er wird immer wiederkommen. 
Amen.
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