Predigt zu Johannes 2,1-11
Das wäre doch nicht nötig gewesen, sagt die alte Dame, als ihre Nachbarin ihr einen kleinen Blumentopf hinstreckt und sich bedankt. Wirklich, das ist kein Problem, Ihre Pakete anzunehmen. Ich bin doch den ganzen Tag zu Hause.
Das wäre doch nicht nötig gewesen, sagt die alte Dame, als ihre Nachbarin ihr einen kleinen Blumentopf hinstreckt und sich bedankt. Wirklich, das ist kein Problem, Ihre Pakete anzunehmen. Ich bin doch den ganzen Tag zu Hause.
Dann schaut sie die Blume an und lächelt.
Das wär doch nicht nötig gewesen, sagt auch der Mann am Telefon. Du musst nicht extra anrufen. Ich weiß, wie viel Du zu tun hast. Und ich weiß auch so, dass Du an mich denkst. Am Wochenende sehen wir uns.
Ich wollte aber anrufen, erwidert sein Sohn. Kurz hören, wie es Dir geht.
Einen Moment ist es still in der Leitung. Nicht weil sie sich nichts zu sagen hätten. Sondern weil ihr Herz sich freut. Dafür braucht es keine Worte.
„Das wäre doch nicht nötig gewesen“ - oft schnell gesagt. Eine Antwort, wenn einer einem anderen unverhofft eine Freude macht.
Die alte Dame hätte bestimmt auch ohne die Blume weiter die Pakete für ihre Nachbarin angenommen. Und der Vater am Telefon hätte sich auch ohne Anruf auf das Treffen mit seinem Sohn gefreut.
Aber so ist es schöner. Ein Stück Freude. Eine Aufmerksamkeit. Ein Ich- will-Dir-was-Gutes-tun. Weil ich mal was zurückgeben will. Weil ich Dich mag. Weil Du mir wichtig bist.
Deswegen sind solche Freudenschenker-Momente eben doch nötig.
Szenenwechsel. Jesus ist auf einer Hochzeit. Natürlich nicht allein. Seine Freunde sind auch da und Maria, seine Mutter. Dazu noch viele andere Gäste. Es ist ein rauschen-des Fest. In der Antike dauerten Hochzeiten mehrere Tage. Es gibt Festgelage, Musik und Tanz und jede Menge Reden und Geschenke.
Von so einem Fest können wir zur Zeit nur träumen. Oder uns an eins zurückerinnern, das besonders schön war. Ich sehne mich danach, dass solche Tage wieder möglich sind. Ich sehne mich nach Umarmungen. Nach überschäumender Lebensfreude. Ausgelassenem Tanz. Nach Feiern bis zum Abwinken.
Das Abwinken auf der Hochzeit damals geschieht schneller als erwartet. Mitten in dieses große Freudenfest hinein. Der Speisemeister stellt beim Durchsehen der Vorräte fest: Es gibt keinen Wein mehr!
Jetzt könnte man aus gutem Grund sagen: Wein ist für die Feier einer Hochzeit nicht unbedingt nötig. Man kann auch so feiern.
Aber Wein gehört eben doch dazu. Weil eine Hochzeit ein hoher, besonderer Tag ist im Leben eines Menschen. Ein Tag, an dem ein bisschen Glanz selbst auf das bescheidenste Menschendasein fällt. Etwas von der Freude, die wir alle vom Leben haben möchten.
Der Wein, Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit, zeigt das an. Er schmeckt nach Sonne, nach der Erde und ihren Früchten, nach Leben.
Und jetzt ist kein Wein mehr da. Ein Makel auf diesem tollen Fest. Das ist keine Kleinigkeit. Das Fehlen des Weins erinnert an Dinge, die uns fehlen, damit unser Tag perfekt ist. Es steht für alle kleinen und großen Ärgernisse. Damals und heute. Für den ersten großen Streit nach der Hochzeit. Für die Misserfolge bei der Arbeit, die belastenden Corona-Einschränkungen. Für das Zerwürfnis mit einem Menschen. Für das Zerplatzen eines Traums. Für den Glauben, der ins Leere lief.
Maria auf dem Fest macht in dieser Situation das einzig Richtige. Sie geht zu Jesus und sagt: „Sie haben keinen Wein mehr.“
Maria legt die Not, die Ernüchterung Jesus vor. Sie lässt die enttäuschende Situation nicht einfach so stehen.
So können wir es auch machen. Denn unsere Not, egal, wie groß oder klein sie ist, gehört vor Gottes Ohren. Nichts ist zu belanglos oder zu kompliziert.
Jesus spricht zu seiner Mutter: Was habe ich mit Dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.
Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er Euch sagt, das tut.
Jesu Antwort ist schroff. Geradezu unhöflich. Maria könnte sich zu Recht von ihrem unwirschen Sohn vor den Kopf gestoßen fühlen. Das wäre jetzt auch nicht nötig gewesen! Jesus geht unüberhörbar auf Distanz. Er lässt die familiäre Beziehung zu Maria außer Acht.
Stattdessen sagt er: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“
Gemeint ist die Zeit, wo jeder erkennt, wer er ist. Der Sohn Gottes. Der Retter, der gekommen ist, um uns von aller Not zu befreien.
Maria weiß das schon. Der Engel hat es ihr gesagt, als er verkündet hat, dass sie einen Sohn bekommen wird. Sie ist nah dran an Gott.
Und so lässt sie sich nicht abwimmeln von der harten Reaktion ihres Sohnes. Sie vertraut darauf, dass er es schon irgendwie regeln wird. Dass er weiß, was zu tun ist. Auch, wenn sie ihn nicht versteht.
Maria ist beharrlich. Sie fordert regelrecht etwas ein.
Auch irgendwie dreist, könnte man sagen.
Aber Jesus will, dass wir genauso dreist sind. Zu einer anderen Gelegenheit sagt er: Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan. Denn wer bittet, empfängt, wer sucht, wird finden; und wer da anklopft, dem wird aufgetan (Lukas 11,9-10).
Bei dieser Hochzeit funktioniert das:
Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maß.
Jesus spricht zu den Dienern: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan.
Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt’s dem Speisemeister! Und sie brachten’s ihm. Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten’s, die das Wasser geschöpft hatten – ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie trunken sind, den geringeren; Du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten.
Das Wunder selbst wird gar nicht beschrieben. Gottes Wirken bleibt im Verborgenen. Man kann nicht in Details davon erzählen. So etwas kann man nur erfahren. Und sich damit beschenken lassen.
Wir haben solche Wunder nötig. Sie geschehen an der Tür der Nachbarin oder am Telefon. Auf einer Hochzeit oder in der Stille. Ein solches Wunder erinnert, dass wir den, der dahinter steht, nötig haben.
Durch das Wunder auf der Hochzeit geht aber nicht nur das Fest weiter, sondern es passiert noch etwas anderes. Jesus zeigt: Er ist kein Spielverderber. Er liebt das Leben, er will den Seinen Freude am Leben schenken. Er schenkt aber nicht nur den Wein, er zeigt auch, wer er ist: Er ist selbst der wahre Weinstock. Der, zu dem wir gehören. An dem wir hängen, der uns Kraft gibt. Ihm kann ich meine Bedürftigkeit hinhalten.
Gerade dann, wenn es kein Wunder gibt. Wenn das Wasser einfach nur Wasser bleibt. Wenn ich mich nach einem Familientreffen sehne, das doch nicht stattfinden kann. Wenn ich für einen Menschen bete, der nicht gesund wird. Wenn ich Gott eine Not antrage und nichts ändert sich. Wenn Gott selbst verborgen scheint.
Jesus Christus ist größer als alle menschliche Vernunft. Als das, was wir planen oder nicht planen können. Er ist größer als jede Sorge und jede Not. Bei ihm kann ich mich bergen. Das ist das eigentliche Wunder. Bei ihm ist das Heil. Amen.
Gebet
Gebet
Schenk uns neue Kräfte, Gott,
wenn wir es selbst schwer haben.
Tröste uns, wenn wir in Traurigkeit geraten.
Sei uns Licht in der Dunkelheit.
Wirke im Verborgenen
und halte uns bei dir.
Amen.