Déjà-vu am See: Gedanken am Sonntag Quasimodogeniti von Charlotte Scheller

Sat, 10 Apr 2021 15:16:46 +0000 von Charlotte Scheller

zu Johannes 21,1-14
Was ist den Jüngerinnen und Jüngern Jesu geschehen, dass sie nach seinem Tod nicht mutlos geblieben sind? Sie sind fröhlich ins Leben zurückgekehrt nach all dem Schrecklichen. Ihre Zuversicht ermuntert und stärkt Menschen bis heute. Und das, obwohl Trauer und Zweifel nicht ausgeblendet werden. Es ist mehr, es ist etwas anderes als die Feststellung: Das Leben muss weitergehen. Es hat etwas mit den Erfahrungen zu tun, die diejenigen, die an Jesus festhalten, mit ihm machen. Nach seinem Tod. Gegen alle Vernunft. Und doch mitten im Leben. Sie erfahren im wahrsten Sinne des Wortes Lebens-Hilfe von Gott. In der Begegnung mit Jesus.
 
Wir haben von Thomas gehört. Er ist nicht dabei, als Jesus in den ängstlich verschlossenen Kreis der trauernden Jünger eintritt. Er kann nicht glauben, bevor er sehen, anfassen, begreifen darf. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben, sagt Jesus. Aber er kommt noch einmal. Und Thomas, der Zweifelnde, darf ihn sehen, seine Wunden berühren, mit ihm reden. Mein Herr und mein Gott, sagt er und bekennt so: Ich glaube. In Jesus ist Gottes Kraft. Er soll über mein Leben bestimmen.
 
Und die Geschichte am See Genezareth. Ein Déjà-vu für die Jünger. Sie waren da, am See, als sie Jesus das erste Mal trafen. Er ermutigte sie, die Netze auszuwerfen, obwohl sie schon die ganze Nacht gefischt hatten. Und nichts gefangen. Sie warfen ihr ganzes Fischerwissen über Bord und fuhren nochmal raus. Mitten am Tag. Im Licht seiner Gegenwart. Und fingen so viel, dass die Netze rissen. Dann hat Jesus sie weggeholt von ihren Fischernetzen und zu Menschenfischern berufen. Zu solchen Leuten, die sein Wort weitersagen und Menschen gewinnen für das Leben mit ihm. Jetzt, nachdem er gestorben ist, sind sie wieder am See. Das Wasser ist ruhig. Ein leichter Wind geht. Die aufgehende Sonne färbt den See. Das Licht des Ostermorgens. Sieben Jünger sind da zusammen. Simon Petrus und Thomas, Nathanael, die beiden Zebedäus-Söhne Jakobus und Johannes und zwei andere. Ein Lagerfeuer. Sie braten Fisch und rösten Brot. Ein Mann kommt dazu. Ein Schreiber aus Jerusalem. Er heißt Rufus und spricht sie an. Petrus und Johannes antworten.
 
Rufus:            Mmmh, das duftet! 
Petrus:           Setz dich doch und iss mit uns!
Rufus:            Sehr freundlich, aber ich will euch nichts wegessen.
Johannes:     Papperlapapp, es ist genug da. Ich brech dir ein Stück vom Brot ab.
Petrus:           Nimm auch was von dem Fisch. Heiß, eben gebraten über dem Feuer hier.
Rufus:            (mit vollem Mund) Schmeckt köstlich. 
Johannes:     Du bist Rufus, stimmt‘s?
Rufus:            Du kennst meinen Namen!
Johannes:     Kunststück. Die Leute reden von einem Schreiber aus der Stadt, der Rufus heißt …
Petrus:           … und hierher nach Galiläa gekommen ist, weil er alles über Jesus wissen will. 
Johannes:     Bei uns bist du an der richtigen Adresse.
Petrus:           Vor allem bei meinem Freund hier. Darf ich vorstellen: Johannes, der Blitzmerker. 
Johannes:     Und Petrus, der Fels. Keiner hängt treuer an Jesus als er. Hier, nimm noch Brot.
Rufus:            Am Brotbrechen sollt ihr Christen ja zu erkennen sein.
Petrus:           Wir teilen das Brot, wie Jesus es immer mit uns geteilt hat. 
Rufus:            Heute habt ihr auch Fisch.
Petrus:           Wie an dem einen Morgen, als wir hier am See waren. Jesus war tot. 
Johannes:     Nein, er war auferstanden.
Petrus:           Jedenfalls war er nicht mehr da. Wir wussten nicht, was wir machen sollten. Ich bin fischen gegangen. 
Johannes:     Wir sind mitgegangen. Ich und Thomas und Nathanael und die anderen, wir waren sieben Leute. 
Petrus:           Wir waren die ganze Nacht mit dem Boot draußen auf dem Wasser. Aber wir haben keinen einzigen Fisch gefangen. Es fing schon an, hell zu werden. Es hat keinen Zweck, sagten wir. Wir fahren zurück. Und da stand einer am Ufer.
Rufus:            Wer stand da?
Petrus:           Ein Mann. Er rief: Kinder, habt ihr nichts zu essen?
Johannes:     Wir sagten: Nein. Da sagt er: Werft das Netz nochmal ins Wasser, hier rechts vom Boot, dann findet ihr was. 
Rufus:            Es war doch schon Morgen! Fängt man nicht nachts die Fische? 
Petrus:           Das wissen wir auch. Wir sind Fischer. Aber wir machten, was er sagte. Diesmal wurde das Netz voll. Unglaublich viele Fische haben wir gefangen, mitten am Tag. 
Johannes:     Ich wusste auf einmal: Es ist Jesus. 
Petrus:           Wie gesagt, Johannes ist der Schlauste von uns. 
Johannes:     Und Petrus der Tatkräftigste. Er hat sein Gewand festgebunden und sich ins Wasser geschmissen. Zwanzig Hechtsprünge, und er war am Land.
Petrus:           Die anderen sind mit dem Boot gekommen. Sie haben das Netz gezogen. 
Johannes:     Am Ufer war schon ein Feuer an, so wie das hier, mit Fischen und Brot drauf. Jesus sagte: Bringt was von den Fischen, die ihr gefangen habt!
Petrus:           Ich hab geholfen, das Netz aufs Land zu ziehen. Hundertdreiundfünfzig große Fische, ein Wunder, dass es gehalten hat.
Johannes:     Jesus rief uns: Kommt her, wir wollen zusammen essen!
Rufus:            Woher wusstet ihr, dass es Jesus war?
Petrus:           Er hat uns Kinder genannt. 
Johannes:     Er hat das Brot genommen und es gebrochen und mit uns geteilt. So, wie es eben nur Jesus macht. 
Rufus:            Damals wart ihr nur sieben Freunde. Jetzt seid ihr viele.
Petrus:           (lacht) Hundertdreiundfünfzig oder noch mehr. In Galiläa und Jerusalem und anderswo.
Johannes:     Auch wenn wir nicht immer alle am selben Ort sind, wir halten zusammen.
Rufus:            So wie das Netz mit den Fischen?
Johannes:     So wie das Netz. Es ist ein Bild. Es zeigt: Wir sind verbunden. Wir können uns aufeinander verlassen. 
Petrus:           Wenn wir zusammen sind, brechen wir das Brot und teilen es. Es 
gibt uns Kraft. Wir sehen und schmecken, wie freundlich Gott ist. Wir wissen: Jesus ist bei uns. 
Rufus:            Hast du noch ein Stück von deinem leckeren Brot für mich?
Petrus:           (mit vollem Mund)    Hier, nimm, es ist genug da.
 
In dieser Geschichte wird die Berufung der ersten Jünger neu erzählt. Erinnerung und Gegenwart sind eins. Jetzt sind sieben Jünger zusammen. Eine besondere Zahl, die Sieben. Sie zeigt Vollkommenheit an. Die da am See sind, stehen für alle, die mit Jesus unterwegs sind bis heute. Sie tun, was Jesus ihnen sagt. Auch wenn ihre Erfahrung dagegen spricht. Sie vertrauen auf sein Wort. Sie geben es weiter und laden Menschen ein, mit seinem Wort zu leben. Sich seinem Namen gegen den Tod zu stellen und für das Leben einzusetzen.
 
Jesus geht den Freunden nach, als sie mutlos sind und nicht wissen, was sie mit sich anfangen sollen nach seinem Tod. Er ist geduldig mit ihren Zweifeln, ihrem Missverstehen, ihrem blinden Eifer, alles richtig zu machen, mit ihrer Angst. So geht er uns auch nach. So wartet er auf uns, bis wir begreifen, uns nicht mehr fürchten und weitergehen mit ihm. 
 
Mit ihnen sind wir verbunden durch die Zeiten und über die ganze Welt. Anders als beim ersten Fischfang reißt das Netz nicht. Weil wir es nicht selbst zusammenhalten. Jesus verbindet uns. Amen. 
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